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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Münzregal: Buchung der Münzen bei ZB

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Münzregal: Buchung der Münzen bei ZB


Chronologisch Thread 
  • From: Rudolf Müller <muellerrudolf AT on22.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Münzregal: Buchung der Münzen bei ZB
  • Date: Wed, 01 Oct 2014 14:05:59 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Am 01.10.2014 09:44, schrieb moneymind: Hallo Arne,

der Geldschöpfungsgewinn ist eigentlich kein „free lunch“. Wenn jemand vor dem Zähler das Stromnetz anzapft, dann ist dieser Strom für den Abnehmer eine Art „free lunch“ - aber die korrekte Bezeichnung ist m.E. Diebstahl.

Mir wäre es recht, wenn Du die vagen/suggestiven Analogien aus dem Spiel lassen könntest und stattdessen präzise beschreibst/erklärst, was Du meinst. Danke.

Die Vorstellung, dass Geld aus dem Nichts entsteht, ist aus meiner Sicht der Dinge so, wie wenn jemand glaubt, dass der Strom nicht nur aus der Steckdose kommt, sondern auch dort erzeugt wird und die ganzen Strommasten nur die Landschaft verschandeln und die Kraftwerke nur die Umwelt belasten - und insbesondere nichts, aber auch gar nichts mit dem Strom zu tun haben, der aus der Steckdose kommt.

"Geld entsteht aus dem Nichts" ist v.a. eine wenig aussagende Leerformel. Hier ging es ja um etwas anderes: bei der Münzgeldschöpfung schafft sich der Staat Vermögen "aus dem Nichts" (die Differenz zw. Materialkosten und Nennwert der von der ZB zum Nennwert angekauften Münzen).

Geld könnte man auch als „Rechtsenergie“ bezeichnen, die Rechtssubjekte zu einem bestimmten Tun, Unterlassen oder Erdulden zwingt oder antreibt.

Forderungen (Zivilrecht, Schuldrecht) kann man als Rechtsenergie bezeichnen, da bin ich ganz mit Dir einig. Forderungen können prinzipiell auch alle Geldfunktionen erfüllen, daher ist ein reines Kreditgeldsystem auch möglich. Aber nicht jegliches Geld war immer nur eine Forderung (z.B. Goldmünzen) - Sachgeld gab es durchaus auch. Natürlich hat auch dieses eine rechtliche Seite (Eigentumsrecht). Kann man das aber als "Energie" bezeichnen?

Die "Energie" (naja, schon wieder so eine vage Metapher) der Forderungen besteht ja in der vertraglichen Verpflichtung des Schuldners, die der Gläubiger durchsetzen kann. Die Verpflichtung "treibt" den Schuldner an bzw. begründet für ihn bestimmte Handlungsmotive (Tilgung).

Kredit-Geld besteht aus Rechtsbeziehungen. Das eine Ende dieser Beziehung nennt man Forderung, das andere Ende Verbindlichkeiten. Forderungen und Verbindlichkeiten sind zueinander inverse Elemente. Und zueinander inverse Dinge haben tatsächlich die Eigenschaft, dass sie in einem gewissen Sinne aus dem Nichts entstehen und ins Nichts verschwinden. Das ist wie bei der Stromspannung. Wenn man ein Spannungspotential überbrückt, dann wird aus z.B. +12 V und -12 V 0V.
Finde ich toll. In einem Aufwasch mit "Geld ist ein Anspruch auf Geld" und dem erforderlichen "Rekursionsanker" werden auch gleich noch die "Grundlagen der Elektrotechnik" umgeschrieben. Ich habe zwar Elektrotechnik studiert, jedoch war ich offensichtlich in der Vorlesung, als die "Stromspannung" erklärt wurde, nicht anwesend. Auch das mit dem Spannungspotential ist mir offensichtlich ganz falsch erklärt worden. Meines Wissens ist es ganz gleich, welches Spannungspotential überbrückt wird. Das Ergebnis ist immer 0V. Allgemeiner ausgedrückt: Eine Spannungsquelle, z.B. eine Batterie wird überbrückt, d. h. kurzgeschlossen. Dabei wird unter Umständen ein sehr hoher Strom fließen,  der eventuell die Batterie explodieren lässt, aber die kurzgeschlossene Spannung wird 0V betragen, unabhängig von der Nennspannung der Batterie.

Auch die Anleihe in der Elektrotechnik, dass der Strom in der Steckdose ja erzeugt werden muss, genauso wie Geld nicht aus dem Nichts entstehen kann, zeugt m.E von einer eingeschränkten Wahrnehmung des realen Geldsystems. Aber da befindet man sich in guter Gesellschaft. Auch Creutz und sein Vordenker Martin Scheytt haben sich mit der Unmöglichkeit einer Schöpfung aus dem Nichts eingehend beschäftigt. Möchte das jetzt hier nicht auswälzen. Bei Bedarf bitte in ausführlichen Stellungnahmen nachzulesen unter:
http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php/Martin_Scheytt:_Grundlagen
und
http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php/Helmut_Creutz:_Orthodoxe_Kredittheorie

Auszug von Martin Scheytt
"Eine "creatio ex nihilo", eine Schöpfung aus dem Nichts kann, das haben wir schon einmal ausgesprochen, im Bereich des wirtschaftlichen Geschehens a priori nicht gedacht werden. Deshalb ist auch eine Kreditschöpfung aus dem Nichts nicht denkbar."
Beste Grüße
Rudi2

Ja, seh ich genauso.

Ich glaube aber nicht, dass diejenigen, die sagen, dass Geld aus dem Nichts entsteht, an diese inversen Eigenschaften von Forderungen und Verbindlichkeiten gedacht haben.

Wir waren ja beim Münzgeld. Wo ist für Dich die Verpflichtung, die durch die Seignorage entsteht, genau?

Die Gegenleistung des Staates für den Geldschöpfungsgewinn ist die Aufrechterhaltung und Durchsetzung des Schuldrechts.


Das kann man so sehen - stimme zu. Der Staat bräuchte aber für die Aufrechterhaltung und Durchsetzung des Schuldrechts keinen Geldschöpfungsgewinn - er könnte das trotzdem problemlos machen.

Ohne Schuldrecht kein Kreditgeld und keine Kreditverträge. Stell dir vor der Staat würde ein Gesetz erlassen, dass Ansprüche auf Geld nicht mehr eingeklagt werden könnten. Ich bin überzeugt, dass noch bevor das letzte Wort eines solchen Gesetzes verkündet ist, wäre bereits der gesamte Bankensektor zusammengebrochen und mit ihm alles GB-Giralgeld verschwunden.

Ja, natürlich.

(Daß sich aus der Giralgeldschöpfung der GBen per se irgendein free lunch ergäbe, sehe ich bisher nicht -
Stell dir vor, dass das gesamte GB-Giralgeld abgeschafft werden würde. Dann müssten alle Zahlungen und Kredite mit Zentralbankgeld abgewickelt werden. Die Zentralbankgeldmenge würde sich entsprechend erhöhen und müsste von der Zentralbank gekauft oder geliehen werden. Diese Einnahmen abzüglich der Herstellungs- und Betriebskosten des Währungssystem sind der realisierte Geldschöpfungsgewinn. Dieser Gewinn wäre erheblich höher als der derzeitige Gewinn der Zentralbanken. Die Differenz aus den beiden Systemen ist der „free lunch“ des Bankensektors.
Aber wie gesagt handelt es sich m.E. nicht um einen wirklichen „free lunch“, sondern um Diebstahl.


Sorry, bei dieser gewagten Konstruktion kann ich nicht wirklich folgen, Arne. Sie lebt ja von der a-priori-Voraussetzung, nur der Staat dürfe Zahlungsmittel schaffen.

Die halte ich für eine logische a-priori-Annahme, die historisch nicht zutrifft. Da müßten wir m.E. die Geschichte des Schuldrechts, des kaufmännischen Rechts etc. mal genauer anschauen.

Generell könnte man dabei m.E. viel klärendes über das Verhältnis von "Privat" (Zivilrecht) und "Staat", v.a. über die diesbezüglichen Unterschiede zwischen Geldwirtschaften und Feudalstaaten, lernen.

Gruß
Wolfgang





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