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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Freikarten

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

Listenarchiv

Re: [AG-GOuFP] Freikarten


Chronologisch Thread 
  • From: Patrik Pekrul <Patrik.pekrul AT hotmail.de>
  • To: alex AT twister11.de
  • Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de, Alexander Barth <alex.barth AT barth-ic.net>
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Freikarten
  • Date: Sat, 1 Sep 2012 09:20:03 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>


Es gibt 2 EXTREME in dem Spektrum das du vorschlägst.
1. Jedes GELD ist gedeckt durch einen LEISTUNGSPOOL der dem Katalog der Leistungen entspricht für die man Geld emittieren darf, sofern man diese verspricht. Ein Geldhalter kann dann jederzeit geldvernichtend GELD gegen Leistung aus diesem Pool einlösen, wenn er nicht normal damit bezahlen bzw. einkaufen will. => Wie wird der Katalog festgelegt? Wie wird festgelegt welche konkrete Leistung ein Einlöser aus dem Pool bekommt?
2. Jedes GELD ist konkret mit Leistung gedeckt und das ist dem Empfänger schon bei Bezahlung klar. Dann gibt es Geld das mit Kuchen gedeckt ist und Geld das mit Gold gedeckt ist... das wird aber automatisch beliebtes und unbeliebtes Geld, abhängig von Leistungsschuldner und Leistung, erzeugen und entsprechende WECHSELKURSE zwischen diesen... Im Grunde ist jedes Geld, je nachdem welcher Leistungsschuldner und welche Leistung dahinter steht eine EIGENE WÄHRUNG ....das heisst du hast alle Probleme die mit einem WÄHRUNGSWUST zu tun haben.


Also: KATALOG vs. WÄHRUNGSWUST
 
...sind die beiden Extreme in dem Spektrum. Irgendwie kannst du einen Vorschlag zwischen diesen beiden Extremen machen. Was anderes fällt mir nicht ein, aber das sind reale Probleme mit denen man bei dieser Art von Idee ....der Gelddeckung durch reale Leistung.... konfrontiert ist.

Gut, nachdem wir also nun wieder eine gemeinsame Basis gefunden haben, können wir produktiv weiter diskutieren.

Ich übersetze man "Katalog" mit Einheitsgeld und "Währungswust" mit "Ökosystem komplementärer Währungen". Dieses wiederum kann man weiterhin eindampfen auf den Gegensatz "Effizient" und "Komplexität". Das entscheidende an "Komplexität" ist, dass es zwar nicht so effizient ist - und das wird ja hier vielfach kritisiert - ABER dafür gewinnt man an STABILITÄT !!

Wir stellen ja aktuell fest, dass unser Geldsystem wenig stabil ist, nicht wenige sind ja der Meinung, dass es sogar systematisch crashen MUSS. Daher stellt sich ganz abstrakt die Frage, ob wir vielleicht ZU effizient sind, und ZU WENIG stabil?

Wenn man sich eine Skala zwischen diesen Extrema - meinethalben auch "Katalog" und "Währungswust" - vorstellt, dann stellt sich doch in der Tat die Frage, ob das Optimum nicht vielleicht wirklich eher in der "goldenen Mitte" zu finden ist, als z.B.  beim Einheitsgeld (ich meine explizit nicht "Währung", sondern "Form von Zahlungsmittel).

In diesem Zusammenhang, verweise ich noch einmal auf meine Antwort an Marion (siehe unten, ich bin mir nicht sicher, ob sie über die Liste durchgekommen ist, bei mir jedenfalls nicht)

Nun zu deinen Fragen:

1. Leistungspool
Die von mir vorgeschlagene Datenbank (mit Verweis auf die Turingmaschine will ich an dieser Stelle nicht die technische Umsetzung diskutieren) entspräche ja einem solchen Leistungspool, allerdings nicht in Form eines latenten Angebots, sondern in Form latenter Nachfrage. Dieser Pool ist also eher nachfragegesteuert, denn angebotsgesteuert. Hier sehe ich den Effizienzvorteil.

Heute muss der Produzent auf Grundlage von unsicheren Prognosen seinen Ressourceneinsatz steuern, während er sich bei diesem Nachfragepool ganz konkret die nachgefragten Leistungen herauspicken könnte, die zu seinem Produktionsmittel passen und den Ressourceneinsatz daraufhin optimieren. Wenn er feststellt, dass sich die Nachfrage verlagert, kann er gezielt investieren, damit sinkt das Investitionsrisiko, oder die "Unsicherheit". Es wird tatsächlich möglich, den Bedarf zu kennen. Das einzige Risiko, was bleibt, ist der Herdentrieb, der zu Überinvestition führen kann. Vielleicht kann man das Problem auch irgendwie lösen, aber da würde ich sagen: eins nach dem anderen.

Vielleicht kann man den Dissenz im Verständnis auch einfach auf dieses Paar zurückführen; unser aktuelles Geld fusst "irgendwie" auf einem "Leistungspool", ich schlage ein Geld vor, das auf einem "Bedarfspool" basiert.

2. Konkretisierung
Ziel dieser Datenbank ist es ja letztlich sicherzustellen, dass jeder seinen Bedarf mitteilen kann, die Produktion entsprechend eingerichtet werden kann, dadurch Fehlallokation minimiert wird, die Effizienz des Ressourceneinsatzen steigt und somit der Wohlstand gesteigert wird. Dieses kann doch systematisch nur so erreicht, dass man vor produktionsbeginn ganz genau "konkret" weiss, was der Bedarf ist. Wie sollt es sonst gehen?

Die Kritik am "Währungswust" rührt wahrscheinlich daher, dass man an ein angebotsgesteuertes Geld gewohnt ist, vielleicht löst sich das ganze in Wohlgefallen auf, wenn man dazu übergeht dieses Denken abzustellen und an ein nachfragegesteuertes Geld zu denken.

Mir kam grade folgender Gedanke: Heute gibt es eine Vielzahl an Gütern, die "auf Verdacht" angeboten werden, um immer wieder das Eine, nämlich "Geld", zu bekommen. Vielleicht wäre es beim nachfragegesteuerten System genau andersherum, dass  es eine Vielzahl von Bedarfen gibt und im Gegenzug wird im wesentlichen eines angeboten "Arbeit". Vielleicht könnte die neue "Währung" so etwas wie die "Arbeitsstunde" sein. Will ich also etwas haben, biete ich im Gegenzuge regelmäßig "Arbeit" an, die der Produzent frei einsetzen kann - so weit wäre man dann vom aktuellen Wirtschaftssystem nicht entfernt, aber man hätte eine nominelle Einheit "1€" durch eine reale Einheit "1h Arbeit" ersetzt, so dass es systematisch ZWINGEND immer einen Bezug des Zahlungssystems zu Realwirtschaft gibt.

Ahoi,

Patrik



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Hallo Marion,
 
ich denke, du hast Recht. Man muss sich über die Zielsetzung im klaren sein. Wie ich schrieb, ist mir daran gelegen, dass
 
a) jeder seine Bedarfe ungehindert kommunizieren kann, damit "die Wirtschaft" überhauprt weiss, was in toto so gebraucht wird und
b) Angebot und Nachfrage optimal abgestimmt sind, damit der Ressourceneinsatz möglichst effizient ist
 
Unser aktuelles Geldsystem leistet weder das eine noch das andere - insbesondere wenn man externe Effekte in die Betrachtung mit einbezieht.
 
Ich finde das angesichts unseres informationslosen Kommuniktaionsmittels wenig verwunderlich. Unser wirtschaftlicher Koordinierungsprozess in Form des Geldsystems entspricht bildlich dem Versuch eine Rakete zu bauen, aber wir haben uns freiwillig darauf verständigt, dass nur die Worte "Ja" und "Nein" verwendet werden dürfen. Und damit nicht alle durcheinanderreden, darf sich sowieso nur jemand äußern, der eine Redekarte hat, und die Verteilung dieser Karten unterliegt dem Management. Dabei unterstellen wir implizit, dass der Bau einer Rakete alle Bedürfnisse befriedigt - denn sonst würden ja nicht alle mitmachen ;-)
 
Wenn man es "wirklich clever" anstellt, kann man mit einem solchen System vielleicht tatsächlich ein Rakete bauen (letzlich beruht die ganze IT auf 1 und 0), aber ich denke, dass es einleuchtend ist, dass dabei vieles auf der Strecke bleibt, das berücksichtigt werden würde, wenn alle sich mitteilen könnten und auch mal KONKRETE Aussagen treffen dürften.
 
Ich denke, dass die Verständigung auf das informationsarme "Ja/Nein-System" eine kulturelle Gewohnheit ist, die bis in die Bronzezeit zurückgeht, als es die ersten Münzen gab. Über Jahrtausende war es gar nicht möglich, dieses System irgendwie aufzuwerten, weil es
 
a) an den technischen Möglichkeiten mangelte
b) die Menschen zum allergrößten Teil ungebildete Analphabeten waren, die mit komplexen Informationen gar nicht umgehen konnten
 
Das "Münzsystem" hat sich wohl deshlab fest in unsere Köpfe verdrahtet - es war schon immer so, also muss es wohl auch weiterhin so sein. Ich stelle das in Frage.
 
Die Debatte, die wir hier führen, kann auf die Fragestellung Komplexität versus Effizienz zurückgeführt werden. Hier gibt es sehr interessante Vorarbeiten:
 
http://fairventure.de/index.php?option=com_content&view=article&id=21668&Itemid=150
 
"Für ein nachhaltiges Finanzsystem kommt es nicht allein auf die Effizienz an, also auf die Größe der Geldströme, die es umsetzt, sondern es muss eine Vielzahl von Möglichkeiten geben in diesem System Werte zu schaffen und zu tauschen. Und es bedarf einer Vielzahl von Verknüpfungen zwischen den Elementen einer Wirtschaft, also im Endeffekt gerade auch zwischen den Menschen. In seiner Effizienz ist unser momentanes System mit seinen riesigen Transaktionsvolumen schwerlich zu schlagen. Aber nur durch ein Ökosystem aus komplementären Währungen kann langfristig verhindert werden, dass das gesamten System in eine existenzbedrohende Krise rutscht."
 
Das ist vielleicht den einen oder anderen Gedanken wert, und ich denke, als unideologische Piraten sollten wir uns mit diesem Ansatz intensiver beschäftigen. Vielleicht ist mein Vorschlag in gewisser Weise "ein Ökosystem aus komplementären Währungen "
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