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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik Nachrichtensammlung, Band 6, Eintrag 274

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik Nachrichtensammlung, Band 6, Eintrag 274


Chronologisch Thread 
  • From: Nicolai Haehnle <nhaehnle AT gmail.com>
  • To: Jürgen Niccum <j.niccum AT me.com>
  • Cc: Michael Fleischer <michael.fleischer AT gmx.net>, ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik Nachrichtensammlung, Band 6, Eintrag 274
  • Date: Sun, 24 Jun 2012 14:38:05 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

2012/6/22 Jürgen Niccum <j.niccum AT me.com>:
> Am 19.06.2012 um 22:35 schrieb Nicolai Haehnle:
> > Wieso sollte er ein Fehler sein? Ich gehe jede Wette ein, dass über
> > 99% aller Kreditvergabe (gemessen am Kreditvolumen) vollkommen
> > freiwillig und im Eigeninteresse sowohl des Kreditgebers als auch des
> > Kreditnehmers geschieht. Von daher ist der Zins etwas ganz
> > Natürliches, und man sollte sich nicht blind darauf fixieren.
>
> Der Zins ist nichts "natürliches" - er wurde von Menschen erfunden!

Natürlich in dem Sinne, dass er sich ganz von alleine ergibt, wenn
Menschen freiwillig Geschäfte miteinander machen.

> Natürlich hat mich niemand zu meiner Hausfinanzierung gezwungen. Ohne Zinsen
> müsste ich das Haus aber nicht zweimal bezahlen und könnte in Griechenland
> Urlaub machen und unsere Target Salden begleichen.

Ohne Zinsen würde dir niemand Geld leihen und du hättest kein Haus,
würdest also irgendwo zur Miete wohnen und dadurch de facto doch
wieder jemandem Rendite verschaffen.

Versteht du jetzt besser, warum es *grundsätzlich* um
Vermögensverhältnisse geht und nicht um Zinsen auf Kredite?

> > Das eigentliche Problem ist doch die massive Akkumulation von
> > Vermögen, durch die eine Machtakkumulation stattfindet, die unsere
> > Demokratie gefährdet. Diese Vermögensakkumulation stammt aber nicht
> > aus den Zinsen auf Kredite oder mit Zinsen auf Festgeld & co. (also
> > dem klassischen Bankgeschäft). Diese Vermögensakkumulation stammt aus
> > dem Eigentum von produktivem Kapital - Eigentum an Fabriken,
> > Handelswegen, und so weiter.
>
> Jede Rendite, jeder mögliche Gewinn wir an den Zinsen gemessen, die aktuell
> bei einer konservativen Geldanlage zu erzielen sind. Also hängt die
> Entscheidung für eine Investition von Geld, welches ich übrig habe vom
> jeweiligen Zinsniveau ab. Nur wenn meine zu erwartende Rendite größer als
> der "Bankzins" ist, investiere ich in die Realwitschaft.

De facto läuft das aber nur darauf hinaus, dass du die Rendite deiner
Investition mit anderen Renditen in der Realwirtschaft vergleichst.
Denn woher kommt denn der "Bankzins"? Der kommt aus Krediten *anderer*
Unternehmer. Wenn andere Unternehmer hohe Renditen erzielen und hohe
Zinsen bezahlen können, dann ergibt sich womöglich ein hoher Bankzins
der dich von deiner weniger rentablen Unternehmung abhält. Na und?

Davon abgesehen ist es natürlich so, dass der Staat die Zinsen dadurch
künstlich hoch hält, dass er Zinsen auf Staatsschulden bezahlt. [1] Da
bin ich eindeutig dagegen. Also: Staatsfinanzierung ohne Zinsen auf
Staatsschulden, dadurch sinkt dann langfristig das Zinsniveau
insgesamt. Wie wäre es denn damit?

> > Zinsen sind im Grunde sogar ein Mechanismus, über den diese Renditen
> > an eine breitere Bevölkerungsschicht verteilt werden.
>
> Diesen Mechanismus musst Du mir dringend zeigen. Ich würde gerne von meinen
> eigenen Zinszahlungen für mein Häuschen profitieren.

Kommt halt drauf an ob du netto ein Schuldner bist oder ein Gläubiger.
Aber wenn du netto ein Gläubiger bist, dann kannst du über
Guthabenzinsen von der Unternehmertätigkeit anderer profitieren, ohne
selbst unternehmerisch tätig zu werden: die Unternehmen zahlen Zinsen
auf Kredite, wovon ein Teil in deine Guthabenzinsen fließen. Somit
verteilt sich die Rendite etwas breiter in der Gesellschaft.

Eine Gesamtanalyse ist natürlich unmöglich, weil die Welt des
Counterfactuals vollkommen anders aussieht als unsere, und
wahrscheinlich real gesehen deutlich ärmer wäre. Aber der Effekt
existiert.

> > Statt gegen Zinsen zu wettern solltest du also deine Energie besser
> > darauf verwenden, gegen Vermögensakkumulation zu wettern - und bitte
> > im Hinterkopf behalten, dass das eigentliche Vermögen der reichsten
> > 0,1% im Sachvermögen steckt und mit Geld überhaupt nichts zu tun hat.
>
> Die Vermögensakkumulation findet doch, zwar nicht nur, aber auch wegen der
> Zinsen statt!
>
> Die deutsche Wirtschaft zahlt jedes Jahr über 400 Milliarden Euro Zinsen!

Niemand zwingt die deutsche Wirtschaft dazu. Die machen das deshalb,
weil sie durch Kreditaufnahme ihre Profite steigern können. Wenn es
diese Kredite nicht gäbe, dann wären auch die Renditen der Wirtschaft
kleiner.

> Wäre die komplette Wirtschaft von dieser Bürde befreit, oder die
> Zinseinnahmen gingen an den Staat (Axels System - Geldschöpfung nur durch
> öffentlich rechtliche Banken, deren Gewinn der Allgemeinheit zugute kommt)
> könnte der Staat seine Verschuldung reduzieren und danach ein BGE
> finanzieren!

Der Staat kann auch so ein BGE finanzieren. Wenn man schon das System
von der Wurzel auf umbaut, dann sollte man einfach aufhören,
Staatsanleihen auszuschütten, und stattdessen den Staat direkt durch
die Zentralbank finanzieren.

Dadurch würde übrigens auch das Zinsniveau sinken.

Also wie gesagt: ich verstehe ja deine Frustration, aber es ist
offensichtlich, dass du das alles noch nicht wirklich gut durchdacht
hast. Insbesondere ist es ein Irrglauben, dass man Zinsen und Kredite
voneinander trennen könnte, und den Zins abzuschaffen bedeutet de
facto, dass man Kredite abschafft - dadurch würde die Wirtschaft von
heute auf morgen deutlich schlechter funktionieren.

Was man tun kann ist, das Zinsniveau abzusenken indem man das
Haushaltsdefizit direkt über die Zentralbank finanziert, und bei der
Vermögensverteilung insgesamt anzusetzen. Wie wäre es, wenn du dich
dafür einsetzen würdest?

Schöne Grüße,
Nicolai

[1] Genauer: dadurch, dass Zinsen auf Staatsanleihen bezahlt werden,
kann die Zentralbank den Zins in die Höhe treiben ohne ein
Verlustgeschäft eingehen zu müssen.
--
Lerne, wie die Welt wirklich ist,
aber vergiss niemals, wie sie sein sollte.




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