Re: [Ag-bauen-verkehr] Fahrerlos auf Schiene und Straße - war PM: CargoCap

["Robert Merz" <romerz AT gmx.de>]

Ahoi Bjoern,

ahoi Bau- und Verkehrspiraten,

 

woran hapert es beim fahrerlosen Fahren auf Bahnstrecken?

An einigen ganz wichtigen Punkten!

 

Erstens

Grundvorraussetzung ist die Ausrüstung der Strecke mit LZB (Linienzugbeeinflussung).

Damit sind in Deutschland nur die Haupt-ICE-Linien TEILWEISE ausgestattet.

2 Nord-Süd-Strecken etwa Hamburg-Basel und über Hannover nach München.

Dazu 2 Verbindungen nach Berlin.

Es sind immer nur die Schnellfahrabschnitte, denn dafür ist es vorgeschrieben.

Also keine Linie fährt vollständig damit.

Vor allen größeren Bahnhöfen hört die LZB-Ausstattung auf.

In München ist auch die Stammstrecke der S-Bahn auf etwa 10 km ausgestattet.

(Quelle: Eisenbahnatlas Deutschland, Ausgabe 2010)

 

Somit kann in München unterhalb vom 2 Minuten-Abstand, d.h. mit etwa 33 Züge/h/Richtung gefahren werden.

Das ist nur mit LZB möglich.

 

Im Stuttgarter S-Bahn-Netz wird auf der Stammstrecke mit normalem Signalsystem im 2,5-Min-Abstand gefahren, d.h. 24 Züge/h/Richtung. Mehr geht damit nicht. Eine Verdichtung des Fahrplans würde die Ausrüstung der Stammstrecke UND der Fahrzeuge mit LZB erfordern. Das würde nahezu 100 Mio Euro kosten. LZB ist also sehr teuer!

 

Auf diesen Schnellfahrabschnitten kann der Lokführer wirklich nichts mehr machen, wenn plötzlich ein Hindernis auftaucht. Frankreich zäunt deshalb alle Schnellstrecken ein, damit sich keine Kuh/Reh/Wildschwein und wenigstens nicht versehentlich ein Mensch drauflegt.

 

Zweitens

gibt es soviele langsame Abschnitte um Bahnhöfe, wo man durch eine Notbremsung noch was erreichen kann. Eine Notbremsung kommt auch bei Schienenfahrzeugen durch die Magnetschienenbremse ziemlich heftig daher! Die Stadtbahn Stuttgart bremst dann aus 70 km/h mit 2,75 m/s². D.h. die Tachonadel geht pro Sekunde um 10 km/h runter! Nahezu diesen Wert schafft auch ein Zug.

 

Drittens

weil die Sicherheit so wichtig ist werden (laut Siemens von 2008) alle fahrerlosen U-Bahnen mit Bahnsteigtüren versehen. Außer der Linie U2/U3 in Nürnberg. Dafür in Stationen eine Lichtschrankenüberwachung des Gleisbereichs, sowie eine Videoüberwachung des Bahnsteigbereichs. Obwohl es angeblich Vorteile hat soll auch in Nürnberg keine weitere Linie umgebaut werden.

 

Schluss

Weil die Sicherheitsanforderungen so hoch sind wird in D. nur diese eine U-Bahnlinie fahrerlos betrieben. Ist wohl eine Musterstrecke von Siemens-Nürnberg vor der Haustüre. D.h. von einer breiteren Anwendung im normalen Eisenbahnbetrieb ist man noch meilenweit entfernt. Nicht mal die erste Anwendung auf einer S-Bahnstrecke ist in Sichtweite.

 

Anmerkung

Nicht mal die PZB, das ist die Überwachung an roten Signalen, gibt es überall. Die ist nämlich erst ab 100 km/h erlaubte Geschwindigkeit auf der Strecke vorgeschrieben. Deshalb konnte das letzte Unglück von Hordorf bei Magdeburg mit 10 Todesopfer geschehen. Es gab darauf die Ankündigung, dass das jetzt überall nachgeholt wird.

 

Aktuelles Problem der S-Bahn-Stuttgart

Die Türen sind lichtschrankenüberwacht. Solange noch an einer von bis zu 36 Türen des Zuges ein Kleidungsstück die Lichtschranke unterbricht schließt sie nicht und der Zug fährt nicht ab. Das dauerte schon bis zu 5 Minuten! Chaos mitten im dichtesten Berufsverkehr. Es werden deshalb jetzt Bahnsteigkräfte eingesetzt. Diese müssen neu ankommende Reisende daran hindern, sich noch geschwind in den schon übervollen Zug zu drücken. Die neue Technik war also eine Verschlimmbesserung! Die neuesten Züge der Reihe 430 wurden wieder aus dem Betrieb genommen.

 

"Es gibt viel zu tun, packen wir´s an!"

Die Einführung des fahrerlosen Bahnbetriebs gehört nicht dazu.

 

Piratige Grüße

aus der Gegend von Stuttgart

Pi-Robby

 

 

Gesendet: Freitag, 26. Juli 2013 um 16:10 Uhr
Von: Bjoern <bbb AT chefmail.de>
An: Bundes-AG-Bauen-und-Verkehr <ag-bauen-verkehr AT lists.piratenpartei.de>
Betreff: Re: [Ag-bauen-verkehr] Fahrerlos auf Schiene und Straße - war PM: CargoCap

On 26.07.2013 15:12, Ralph A. Schmid, dk5ras wrote:
> Was für ein Unfug. Die Bahn zu automatisieren bedeutet, daß massenhaft
> Fahrgäste dieses (dann) Stillstandstransportmittel meiden und mit dem
> Auto fahren werden. Davon sind wir noch weit weg, Fernzüge automatisch
> fahren zu lassen. LZB und AFB machen das zwar prinzipiell bereits seit
> langer Zeit, aber dennoch ist als entscheidende Instanz der Mensch
> derzeit nicht verzichtbar.
Es soll ja nicht von heute auf morgen umgestellt werden aber wenn wir
nicht anfangen
zielgerichtet darauf hinzuarbeiten werden wir auch in 20 Jahren noch
"weit weg" davon sein.

Das es funktioniert sieht man ja nun schon seit langen in verschiedenen
U-Bahnen.

Aber vielleicht kannst du mir sagen WARUM der Mensch derzeit
unverzichtbar ist.
Gerade bei Fernzügen kann er bei einem Hindernis ja eh nicht rechtzeitig
bremsen, oder?
Würde mich mal interessieren woran es da derzeit hapert.


Gruß
Björn
--
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