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schiedsgericht-koordination - Re: [Schiedsgericht-Koordination] Notwendigkeit einer fernmündlichen Verhandlung

schiedsgericht-koordination@lists.piratenpartei.de

Betreff: Schiedsgericht-Koordination

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Re: [Schiedsgericht-Koordination] Notwendigkeit einer fernmündlichen Verhandlung


Chronologisch Thread 
  • From: Georg von Boroviczeny <georg@von-boroviczeny.de>
  • To: schiedsgericht-koordination@lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [Schiedsgericht-Koordination] Notwendigkeit einer fernmündlichen Verhandlung
  • Date: Sat, 11 Nov 2017 20:11:47 +0100

meine 2 ct.:

bitte denkt doch nicht so sehr in Entweder-Oder-Kategorien, sondern
verstärkt in 'UND'; es erscheint sinnvoll, a.) alle rein formalen Akte
(nur) schriftlich zu verhandeln (und bei Widerspruch dagegen mündlich),
b.) strittige Fragen weitgehend schriftlich vorzubereiten und dann, wenn
das Gericht noch offene Fragen oder den Bedarf nach Erläuterungen sieht,
eine mündliche Verhandlung anschließen

Grüße
Georg

Am 11.11.2017 um 11:56 schrieb Stefan Thöni:
> Ich möchte die fernmündliche Verhandlung als Regelfall erhalten, aber
> aus anderen Gründen, als sie eingeführt wurde:
> - Mit der fernmündlichen Verhandlung ist die Gerichtsöffentlichkeit
> besser gewährleistet.
> - Mit der fernmündlichen Verhandlung kann gerade Laien deutlicher
> gemacht werden, wie das Gericht warum arbeitet.
>
> Das BSG hat in Klage- und Berufungsverfahren m.W. immer eine
> fernmündliche Verhandlung durchgeführt. Hingegen bin ich der Auffassung,
> dass § 8 Abs. 4 SGO auf das Beschwerdeverfahren auch dort nicht
> anwendbar ist, wo die Verhandlung nicht wie in § 8 Abs. 6 S. 4 SGO
> explizit ausgeschlossen in. Denn wenn schon die
> Nichteröffnungsbeschwerde nicht verhandelt werden soll, dann erst recht
> auch nicht die Nichtablehnungsbeschwerde (§ 5 Abs. 6 S. 2 SGO), die
> Verzögerungsbeschwerde (§ 10 Abs. 9 SGO und die
> Nichtanordnungsbeschwerde (§ 11 Abs. 6 SGO).
>
>
> On 10.11.2017 01:52, Piratonym wrote:
>> TL;DR: Lasst uns die fernmündliche Verhandlung als Regelfall wieder
>> abschaffen. Bringt nichts und wird teilweise ohnehin nicht gemacht.
>>
>> Hallo,
>>
>> wie den meisten hier bekannt sein dürfte, wurde zum Bundesparteitag
>> 2015.1 durch den SÄA020 die Durchführung einer fernmündlichen
>> Verhandlung als Regefall in die Schiedsgerichtsordnung aufgenommen.
>> Abweichungen davon in Form einer schriftlichen oder präsenten
>> Verhandlung sollten nur auf Antrag möglich sein.
>>
>> Begründet wurde das unter anderem mit "Verfahrensstraffung" (Verfahren
>> am BSG würden oftmals zu lange dauern, "selbst wenn offensichtlich keine
>> schwierige Sach- und Rechtslage zu beurteilen" sei), mit einer besseren
>> Absehbarkeit von Entscheidungen (Urteile des BSG seien "häufig
>> überraschend" und ergingen "regelmäßig […] mit oft leicht vermeidbaren
>> Rechtsanwendungsfehlern") und damit, dass eine Verhandlung Richtern die
>> Gelegenheit gebe, "durch ein Rechtsgespräch eigene Fehlleistungen zu
>> vermeiden".
>>
>> Der Antrag wurde damals auch hier auf der Liste diskutiert. Dabei haben
>> sich mehrere aktuelle und ehemalige Richter des Bundesschiedsgerichtes
>> und verschiedener Landesschiedsgerichte deutlich gegen den Antrag
>> ausgesprochen. Die einzige Stimme für den Antrag, die ich gerade im
>> Archiv finden konnte, kam von einem Justiziar.
>>
>> Zwar haben sich die schlimmsten Befürchtungen der Gegenstimmen
>> ("effektiv eine Auflösung der Parteigerichtsbarkeit") nicht bewahrheitet
>> (zumindest wohl nicht aus diesem Grund, obwohl bekanntermaßen starke
>> Probleme existieren), aber die Änderung hat meiner Ansicht nach auch
>> keine Vorteile erbracht.
>>
>> Für NRW fallen mir nicht viele Verfahren ein, in denen sich durch die
>> fernmündliche Verhandlung Neues ergeben hätte. In sämtlichen Fällen, bei
>> denen die Verhandlung hilfreich war (hauptsächlich
>> Parteiausschlussverfahren), hätten wir meiner Einschätzung nach auch
>> ohne den Regelfall eine fernmündliche Verhandlung durchgeführt. In der
>> Praxis führt die Durchführung einer fernmündlichen Verhandlung in den
>> meisten Fällen nicht zu einer Verfahrensstraffung, sondern zu einer
>> Verlängerung der Verfahrensdauer.
>>
>> Das Bundesschiedsgericht hat seit der Satzungsänderung auch in mehreren
>> Fällen selbst (ohne Antrag) von der Durchführung einer Verhandlung
>> abgesehen, weil es sie als unnötig erachtete. Weiter hat es sich in
>> seiner neuen Geschäftsordnung jetzt auch explizit die Möglichkeit
>> gegeben, "nach eigenem Ermessen auch das schriftliche Verfahren oder
>> eine Präsenzsitzung" anzuordnen. Woher es diese Möglichkeit nimmt, weiß
>> ich nicht.
>>
>> Worüber man allenfalls noch nachdenken könnte, wäre die Pflicht zur
>> Durchführung einer fernmündlichen Verhandlung auf Antrag.
>>
>> Zusammenfassend: Die entgegen den Stimmen vieler Richter beschlossene
>> fernmündliche Verhandlung als Regelfall bringt nichts und sollte wieder
>> abgeschafft werden. Zumindest sollte das Antragserfordernis für eine
>> Abweichung abgeschafft werden. Das Bundesschiedsgericht sieht entgegen
>> dem Wortlaut der SGO offenbar auch die Möglichkeit, dass Gerichte
>> (zumindest in manchen Fällen?) selbständig von einer Verhandlung absehen
>> können. Dies und die Regelung selbst sind weder für die Rechtssicherheit
>> oder -klarheit noch für die Straffung des Verfahrens oder die Vermeidung
>> von Fehlern des Gerichtes oder der Richter hilfreich.
>>




--

mit freundlichen Grüßen
Georg v. Boroviczeny



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