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Subject: Schiedsgericht-Koordination
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Re: [Schiedsgericht-Koordination] Notwendigkeit einer fernmündlichen Verhandlung
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- From: Stefan Thöni <stefan.thoeni@piratenpartei.de>
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- Subject: Re: [Schiedsgericht-Koordination] Notwendigkeit einer fernmündlichen Verhandlung
- Date: Sat, 11 Nov 2017 11:56:41 +0100
Ich möchte die fernmündliche Verhandlung als Regelfall erhalten, aber
aus anderen Gründen, als sie eingeführt wurde:
- Mit der fernmündlichen Verhandlung ist die Gerichtsöffentlichkeit
besser gewährleistet.
- Mit der fernmündlichen Verhandlung kann gerade Laien deutlicher
gemacht werden, wie das Gericht warum arbeitet.
Das BSG hat in Klage- und Berufungsverfahren m.W. immer eine
fernmündliche Verhandlung durchgeführt. Hingegen bin ich der Auffassung,
dass § 8 Abs. 4 SGO auf das Beschwerdeverfahren auch dort nicht
anwendbar ist, wo die Verhandlung nicht wie in § 8 Abs. 6 S. 4 SGO
explizit ausgeschlossen in. Denn wenn schon die
Nichteröffnungsbeschwerde nicht verhandelt werden soll, dann erst recht
auch nicht die Nichtablehnungsbeschwerde (§ 5 Abs. 6 S. 2 SGO), die
Verzögerungsbeschwerde (§ 10 Abs. 9 SGO und die
Nichtanordnungsbeschwerde (§ 11 Abs. 6 SGO).
On 10.11.2017 01:52, Piratonym wrote:
> TL;DR: Lasst uns die fernmündliche Verhandlung als Regelfall wieder
> abschaffen. Bringt nichts und wird teilweise ohnehin nicht gemacht.
>
> Hallo,
>
> wie den meisten hier bekannt sein dürfte, wurde zum Bundesparteitag
> 2015.1 durch den SÄA020 die Durchführung einer fernmündlichen
> Verhandlung als Regefall in die Schiedsgerichtsordnung aufgenommen.
> Abweichungen davon in Form einer schriftlichen oder präsenten
> Verhandlung sollten nur auf Antrag möglich sein.
>
> Begründet wurde das unter anderem mit "Verfahrensstraffung" (Verfahren
> am BSG würden oftmals zu lange dauern, "selbst wenn offensichtlich keine
> schwierige Sach- und Rechtslage zu beurteilen" sei), mit einer besseren
> Absehbarkeit von Entscheidungen (Urteile des BSG seien "häufig
> überraschend" und ergingen "regelmäßig […] mit oft leicht vermeidbaren
> Rechtsanwendungsfehlern") und damit, dass eine Verhandlung Richtern die
> Gelegenheit gebe, "durch ein Rechtsgespräch eigene Fehlleistungen zu
> vermeiden".
>
> Der Antrag wurde damals auch hier auf der Liste diskutiert. Dabei haben
> sich mehrere aktuelle und ehemalige Richter des Bundesschiedsgerichtes
> und verschiedener Landesschiedsgerichte deutlich gegen den Antrag
> ausgesprochen. Die einzige Stimme für den Antrag, die ich gerade im
> Archiv finden konnte, kam von einem Justiziar.
>
> Zwar haben sich die schlimmsten Befürchtungen der Gegenstimmen
> ("effektiv eine Auflösung der Parteigerichtsbarkeit") nicht bewahrheitet
> (zumindest wohl nicht aus diesem Grund, obwohl bekanntermaßen starke
> Probleme existieren), aber die Änderung hat meiner Ansicht nach auch
> keine Vorteile erbracht.
>
> Für NRW fallen mir nicht viele Verfahren ein, in denen sich durch die
> fernmündliche Verhandlung Neues ergeben hätte. In sämtlichen Fällen, bei
> denen die Verhandlung hilfreich war (hauptsächlich
> Parteiausschlussverfahren), hätten wir meiner Einschätzung nach auch
> ohne den Regelfall eine fernmündliche Verhandlung durchgeführt. In der
> Praxis führt die Durchführung einer fernmündlichen Verhandlung in den
> meisten Fällen nicht zu einer Verfahrensstraffung, sondern zu einer
> Verlängerung der Verfahrensdauer.
>
> Das Bundesschiedsgericht hat seit der Satzungsänderung auch in mehreren
> Fällen selbst (ohne Antrag) von der Durchführung einer Verhandlung
> abgesehen, weil es sie als unnötig erachtete. Weiter hat es sich in
> seiner neuen Geschäftsordnung jetzt auch explizit die Möglichkeit
> gegeben, "nach eigenem Ermessen auch das schriftliche Verfahren oder
> eine Präsenzsitzung" anzuordnen. Woher es diese Möglichkeit nimmt, weiß
> ich nicht.
>
> Worüber man allenfalls noch nachdenken könnte, wäre die Pflicht zur
> Durchführung einer fernmündlichen Verhandlung auf Antrag.
>
> Zusammenfassend: Die entgegen den Stimmen vieler Richter beschlossene
> fernmündliche Verhandlung als Regelfall bringt nichts und sollte wieder
> abgeschafft werden. Zumindest sollte das Antragserfordernis für eine
> Abweichung abgeschafft werden. Das Bundesschiedsgericht sieht entgegen
> dem Wortlaut der SGO offenbar auch die Möglichkeit, dass Gerichte
> (zumindest in manchen Fällen?) selbständig von einer Verhandlung absehen
> können. Dies und die Regelung selbst sind weder für die Rechtssicherheit
> oder -klarheit noch für die Straffung des Verfahrens oder die Vermeidung
> von Fehlern des Gerichtes oder der Richter hilfreich.
>
--
Stefan Thöni
Vorsitzender Richter am Bundesschiedsgericht
Piratenpartei Deutschland
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