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schiedsgericht-koordination - Re: [Schiedsgericht-Koordination] Notwendigkeit einer fernmündlichen Verhandlung

schiedsgericht-koordination@lists.piratenpartei.de

Betreff: Schiedsgericht-Koordination

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Re: [Schiedsgericht-Koordination] Notwendigkeit einer fernmündlichen Verhandlung


Chronologisch Thread 
  • From: Holger Hofmann <pirat37304@yahoo.de>
  • To: "schiedsgericht-koordination@lists.piratenpartei.de" <schiedsgericht-koordination@lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [Schiedsgericht-Koordination] Notwendigkeit einer fernmündlichen Verhandlung
  • Date: Sat, 11 Nov 2017 10:16:07 +0000 (UTC)
  • Authentication-results: mail.intern.piratenpartei.de (MFA); dkim=pass (2048-bit key) header.d=yahoo.de

Hallo,

ich bin auch für die Abschaffung der (fern-)mündlichen Verhandlung als Regelfall.

Insbesondere vor dem Hintergrund, daß die Schiedsrichter hauptsächlich keine ausgebildeten Juristen sind.
Da erhält man als Laie von einem Piraten, der zufällig ein Jura-Studium absolviert hat, irgendeinen Paragraphen aus der ZPO vorgeworfen und soll möglichst sofort entscheiden, ob dies überhaupt zutrifft.

Kein gutes Aussehen, insbesondere dann, wenn man erst hinterher feststellt, daß es noch einen 2., 3.  ... Paragraphen gibt, der auch zutrifft und unterschiedlich zu behandeln ist.

Nicht einmal juristisch ausgebildete Richter können (sofort) alle möglicherweise zutreffenden Paragraphen daherleiten, aber Laien-Richter sollen dies können?

Möglich wäre vielleicht auch der nach schriftlichen Verfahren erfolgende Gerichtsbescheid, auf den als Rechtsmittel die mündliche Verhandlung beantragt oder gegen den die Revision eingelegt werden könnte (also Wahlrecht der Parteien, welches Rechtmittel sie bevorzugen; Rangordnung der eingelegten Rechtsmittel müßte dann jedenfalls werden).
 
Gruß Holger
Richter am Landesschiedsgericht
Brandenburg


Piratonym <piratonym@piratenpartei-nrw.de> schrieb am 1:53 Freitag, 10.November 2017:


TL;DR: Lasst uns die fernmündliche Verhandlung als Regelfall wieder
abschaffen. Bringt nichts und wird teilweise ohnehin nicht gemacht.

Hallo,

wie den meisten hier bekannt sein dürfte, wurde zum Bundesparteitag
2015.1 durch den SÄA020 die Durchführung einer fernmündlichen
Verhandlung als Regefall in die Schiedsgerichtsordnung aufgenommen.
Abweichungen davon in Form einer schriftlichen oder präsenten
Verhandlung sollten nur auf Antrag möglich sein.

Begründet wurde das unter anderem mit "Verfahrensstraffung" (Verfahren
am BSG würden oftmals zu lange dauern, "selbst wenn offensichtlich keine
schwierige Sach- und Rechtslage zu beurteilen" sei), mit einer besseren
Absehbarkeit von Entscheidungen (Urteile des BSG seien "häufig
überraschend" und ergingen "regelmäßig […] mit oft leicht vermeidbaren
Rechtsanwendungsfehlern") und damit, dass eine Verhandlung Richtern die
Gelegenheit gebe, "durch ein Rechtsgespräch eigene Fehlleistungen zu
vermeiden".

Der Antrag wurde damals auch hier auf der Liste diskutiert. Dabei haben
sich mehrere aktuelle und ehemalige Richter des Bundesschiedsgerichtes
und verschiedener Landesschiedsgerichte deutlich gegen den Antrag
ausgesprochen. Die einzige Stimme für den Antrag, die ich gerade im
Archiv finden konnte, kam von einem Justiziar.

Zwar haben sich die schlimmsten Befürchtungen der Gegenstimmen
("effektiv eine Auflösung der Parteigerichtsbarkeit") nicht bewahrheitet
(zumindest wohl nicht aus diesem Grund, obwohl bekanntermaßen starke
Probleme existieren), aber die Änderung hat meiner Ansicht nach auch
keine Vorteile erbracht.

Für NRW fallen mir nicht viele Verfahren ein, in denen sich durch die
fernmündliche Verhandlung Neues ergeben hätte. In sämtlichen Fällen, bei
denen die Verhandlung hilfreich war (hauptsächlich
Parteiausschlussverfahren), hätten wir meiner Einschätzung nach auch
ohne den Regelfall eine fernmündliche Verhandlung durchgeführt. In der
Praxis führt die Durchführung einer fernmündlichen Verhandlung in den
meisten Fällen nicht zu einer Verfahrensstraffung, sondern zu einer
Verlängerung der Verfahrensdauer.

Das Bundesschiedsgericht hat seit der Satzungsänderung auch in mehreren
Fällen selbst (ohne Antrag) von der Durchführung einer Verhandlung
abgesehen, weil es sie als unnötig erachtete. Weiter hat es sich in
seiner neuen Geschäftsordnung jetzt auch explizit die Möglichkeit
gegeben, "nach eigenem Ermessen auch das schriftliche Verfahren oder
eine Präsenzsitzung" anzuordnen. Woher es diese Möglichkeit nimmt, weiß
ich nicht.

Worüber man allenfalls noch nachdenken könnte, wäre die Pflicht zur
Durchführung einer fernmündlichen Verhandlung auf Antrag.

Zusammenfassend: Die entgegen den Stimmen vieler Richter beschlossene
fernmündliche Verhandlung als Regelfall bringt nichts und sollte wieder
abgeschafft werden. Zumindest sollte das Antragserfordernis für eine
Abweichung abgeschafft werden. Das Bundesschiedsgericht sieht entgegen
dem Wortlaut der SGO offenbar auch die Möglichkeit, dass Gerichte
(zumindest in manchen Fällen?) selbständig von einer Verhandlung absehen
können. Dies und die Regelung selbst sind weder für die Rechtssicherheit
oder -klarheit noch für die Straffung des Verfahrens oder die Vermeidung
von Fehlern des Gerichtes oder der Richter hilfreich.

--
Viele Grüße
Karsten
aka Piratonym

Richter am Landesschiedsgericht
Piratenpartei Nordrhein-Westfalen





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