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ag-umwelt - Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] [PiraNa] [AG-Steuerpolitik] Werbung: Energiesteuer/Importsteuer auf Brennstoffe

ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Ag-umwelt mailing list

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Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] [PiraNa] [AG-Steuerpolitik] Werbung: Energiesteuer/Importsteuer auf Brennstoffe


Chronologisch Thread 
  • From: Johannes Nix <johannes.nix AT gmx.net>
  • To: "Moritz Richter" <mmarichter AT aol.com>
  • Cc: AG Steuerpolitik <ag-steuerpolitik AT lists.piratenpartei.de>, 'Mailingliste der AG Energiepolitk' <energie_und_infrastruktur AT lists.piratenpartei.de>, ag-soziale_marktwirtschaft AT lists.piratenpartei.de, 'AG Umwelt' <ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de>, 'Nachhaltigkeitspiraten' <ag-nachhaltigkeit AT lists.piratenpartei.de>, ag-sozialpiraten AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] [PiraNa] [AG-Steuerpolitik] Werbung: Energiesteuer/Importsteuer auf Brennstoffe
  • Date: Wed, 12 Sep 2012 20:03:01 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-umwelt>
  • List-id: <ag-umwelt.lists.piratenpartei.de>

Hallo Moritz,

Am Wed, 12 Sep 2012 12:34:09 +0200
schrieb "Moritz Richter" <mmarichter AT aol.com>:

> > Selbstverständlich ist das ein Argument! Zum Einen ist es praktisch
> > ein gewaltiger Unterschied, ob man hundertausende von Produkten
> > unterschiedlich besteuert oder sieben oder acht unterschiedliche
> > fossile Energieträger. Das erste ist nicht praktikabel, das zweite
> > sehr wohl.
>
> Nunja, eigentlich erfolgt ja auch gar keine Gleichbesteuerung wie bei
> der Mehrwertsteuer, da ja nach Energiegehalt (und nicht nach Prozent,
> wie bei der Mehrwertsteuer) und dann zusätzlich auch noch nach
> CO2-Ausstoß besteuert wird. Am Ende ergibt sich für jeden
> Energieträger ein gleicher Steuersatz. Mein Ausgangspunkt ist
> folgender: Der End"kunde" soll für jede Einheit Energie, die in einem
> Brennstoff steckt, den gleichen einheitlichen Betrag zahlen, da
> Brennstoffe begrenzt verfügbar sind.

Das klingt zunächst objektiv. Die Endlichkeit der fossilen
Energieträger, die ein wesentlicher Grund für die Besteuerung ist, und
das damit verbundene Risiko sind aber stark unterschiedlich. Das ist
ein Faktor, den die Kilowattstunde nicht misst. Die kWh ist zwar eine
objektive physikalische Einheit, aber eben für das Messen von Energie,
nicht von Versorgungssicherheit. Kilowattstunden messen auch nicht
so wichtige Unterschiede wie zwischen einer Energiemenge in Form
von Fernwärme gegenüner Strom oder Treibstoffen, die letzten
beiden sind bei gleicher kWh Zahl viel hochwertigere Energieformen (sie
haben höheren Exergieanteile).

Was ich meine, ist dass die Verwendung objektiver
Größen nicht von selber Objektivität herstellt,
sondern diese müssen anhand der Ziele begründet werden.



> > Zweitens sind die Hersteller vieler Produkte auch kleine
> > Gewerbetreibende und die sind natürlich auch Grundrechtsträger
> > - es wäre nicht gerecht, wenn der Verkauf von Obst höher besteuert
> > würde als der Brot. Die Energie- und Ölkonzerne sind dagegen
> > Konzerne.
>
> Der Verkauf von Elektrogeräten, Süßkartoffeln, Saft oder von
> Mineralwasser wird auch höher besteuert, als der von anderen
> Lebensmitteln. Ich finde das Argument des "Anspruchs" nicht
> schlagkräftig.

Es ist praktisch problemlos möglich, 10 oder 12 verschiedene
Energieträger unterschiedlich zu besteuern, und sachlich gerechtfertigt.
Einen Gleichbehandlungsanspruch, der dagegen spricht, sehe ich nicht.


> >Die habe ich doch schon genannt:
>
> > - unterschiedliche Versorgungssicherheit und daraus resultierende
> > Kosten der Umstellung
>
> Dies wäre ja mit deiner geforderten Erdölumlage abgedeckt.
>
> > - Umweltbelastungen wie CO2, Schwefel, Landschaftszerstörung
>
> Dies sehe ich als Hauptstreitpunkt an.

Ich eben nicht, wegen der Vermeidung von CO2 will bisher keine
Mehrheit ernsthafte Opfer bringen, eine Verknappung des
Erdöls ist aber sehr riskant.

> pauschal oder wenigstens tendenziell sagen? Ich schätze, dass das
> immer von den speziellen Gegebenheiten abhängt, ob grade Kohle, Öl,
> Energiepflanzen oder doch Erdgas höhere Schäden verursacht.

Eine Verknappung von Öl wird auch Folgeschäden nach sich ziehen,
wie Landschaftszerstörung (bei der Ausbeutung der Ölsande), Gefährdung
des Grundwassers (bei Gewinnung von Gas durch Fracking),
und massive Erhöhung des CO2 Ausstosses (bei "Verflüssigung" von
Kohle, für ein Berrel Öl benötigt man knapp eine Tonne Kohle).

> einfach nicht praktikabel. Wenn man insgesamt aus solchen Gründen am
> Ende zu unterschiedlichen Sätzen kommt, kann man meiner Meinung nach
> auch das Thema Importsteuer auf Energie wieder ganz schnell begraben.
> Eine Energieimportsteuer funktioniert nur, wenn auch auf dem
> Binnenmarkt die gleichen Verhältnisse gelten.

Ich denke, für einen Einstieg reicht es, die stark energieintensiven
Rohstoffe wie Stahl, Aluminium, Zement und so weiter beim Import zu
besteuern. Wegen zwei Prozent höheren Energiekosten bei der Herstellung
eines Konsumgutes verlagert niemand die Produktion
nach Übersee.

> > - Risiken und Kosten für die Allgemeinheit wie nukleare
> > "Endlagerung"
>
> Zu Brennstoffen gehören per Definition keine Kernbrennstoffe. Ja,
> Kernbrennstoffe müssen anders behandelt werden, als Brennstoffe und
> genau deshalb habe ich sie nie in diese "Gleichbesteuerung" mit
> einbezogen.

Nun, der "Schulterschluss" Antragsntwurf der AGs Energie,
Nachhaltigkeit, und Umwelt sieht eine erhöhte Besteuerung von
Brennelementen vor, das ist ein Vorschlag der AntiAtomPiraten. Ich
denke, das dürfte eine breite Mehrheit finden.

>
>
> > Wie will man den überhaupt bewerten, ob es
> > eine Subvention gibt, oder nicht, wenn man das Grundprinzip
> > Gleichbesteuerung nicht gelten lässt?
>
> > Das Prinzip Gleichbesteuerung leitet sich aus dem
> > Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber _Personen_ ab.
>
> Das sehe ich nicht so. Das Prinzip Gleichbesteuerung leitet sich aus
> der Praktikabilität und aus volkswirtschaftlichen Überlegungen ab. Es
> ist nicht praktikabel und auch nicht logisch nachvollziehbar,
> Produkte unterschiedlich zu besteuern.

Hier ziehst du einen logisch so nicht zulässigen Schluss.
Es ist nicht möglich, hunderttausende verschiedener Produkte
unterschiedlich zu besteuern, eine unterschiedliche
Besteuerung von Kohle, Öl und Gas ist jedoch möglich. Wird
ja auch gemacht.

> Zudem kommt es immer zu den
> angesprochenen Substitutionseffekten, die sich negativ auf die
> Volkswirtschaft auswirken, da der Konsument immer versucht ist, die
> Steuer zu umgehen.


Im Fall des Erdöls sind die Substitutionseffekte erwünscht,
denn wir müssen vom Erdöl weg und die Umstellung dauert
ohnehin sehr lange gegenüber des möglichen Tempos einer
Verknappung. Siehe Hirsch Report:

Robert Hirsch, Roger Bezdek, Robert Wendling: Peaking of World Oil
Production: Impacts, Mitigation & Risk Management, Studie im Auftrag
des Department of Energy, Washington D.C., 2005

http://www.netl.doe.gov/publications/others/pdf/Oil_Peaking_NETL.pdf


>
> > Ich sehe nicht, dass es dir wirklich um eine Lenkungswirkung geht,
> > denn mal argumentierst Du so, dass keine weitere Belastung entsteht,
>
> wann habe ich das denn gesagt? Ich bin der Meinung, dass viele
> Brennstoffe eigentlich höher besteuert werden sollten, als das
> momentan der Fall ist.

Wenn man die Besteuerung so hoch machen würde, dass es eine
Wirkung hat, müßte man auch für einen sozialen Ausgleich sorgen,
was in deinem Antrag aber nicht enthalten ist. Dieser Antrag sieht
im Gegensatz zu den Vorschlägen von Eric und mir auch keine
Rückzahlung pro Kopf vor, wie ich es verstehe.

> > Außerdem argumentierst Du auf der Basis einer Theorie
> > der maximalen öffentlichen Wohlfahrt, derzufolge
> > das Optimum in einem Gleichgewichtszustand liegt.
> > Dem Artikel von Grahl und Kümmel zufolge
>
> > Jürgen Grahl, Reiner Kümmel: Produktionsfaktor Energie - Der
> > stille Riese, Energie & Zukunft, Ausgabe 1, Aachen, 2006, S. 4 -
> > 23.
> >
> http://www.umsteuern-mit-energiesteuern.de/pdf/produktionsfaktor_energie.pdf
>
> > ist dieses Gleichgewicht aber gar nicht gegeben, vielmehr
> > befindet sich die Ökonomie aufgrund der Wachstumsprozesse
> > und des immer weiter dramatisch angestiegenen Einsatzes von
> > Energie in einem Nichtgleichgewichtszustand.
>
> Naja, Produktionsfunktionen (und Gleichgewichtszustände dort) und
> Marktgleichgewichte sind ja völlig unterschiedliche Dinge.


Doch, die klassische marktwirtschaftliche Theorie geht
von einem Optimum aus, das durch den Gleichgewichtszustand
definiert ist - demnach sind die Faktormächtigkeiten
gleich den anteiligen Kosten. Das ist keine sehr
komplizierte Mathematik.

> > Die "Ölausstiegsumlage" soll den Ersatz des Erdöls wegen
> > seiner mangelnden Versorgungssicherheit mit gezielten
> > Maßnahmen fördern, das heisst durch Subventionierung
> > von Ersatztechnologien in bestimmten kritischen Bereichen
> > - vor allem beim Verkehr und der Gebeäudeheizung.
>
> > Die zusätzliche erhöhte _Energiesteuer_ auf Erdöl soll
> > einen nicht gerichteten Anreiz schaffen, den Verbrauch
> > von Erdöl durch effizientere Techniken und Prozesse zu
> > ersetzen. Das kann beispielsweise im Verkehrssektor
> > die Strategie Fahrgemeinschaften oder Verkehrsvermeidung sein.
>

>
> Hier scheine ich dich tatsächlich falsch verstanden zu haben. Ich
> habe deine Aussagen, so interpretiert, dass die "Ölausstiegsumlage"
> eine zusätzliche zweckgebundene Abgabe auf Erdölprodukte darstellt.

Ja.

> So wie du es jetzt darstellt, verstehe ich es so, dass ein Teil der
> Steuereinnahmen in die Ölausstiegsumlage fließen soll.

Nein, die Einnahmen aus der Energiesteuer sollen im Gegensatz
zur Ölausstiegsumlage an die Bevölkerung zurückgezahlt werden, nach
meiner Vorstellung (und Erics Vorschlag) als ein Energiegeld pro Kopf.
Nur soll die Energiesteuer für Erdöl eben deutlich höher sein,
warum hab ich ja schon begründet.


>
> > > verändern. b) dass ein Markt, auf dem der Preis jährlich um knapp
> > > 10% steigt, tatsächlich _nicht_ eine zunehmende Verknappung der
> > > Ressource antizipiert/antizipieren kann?
>
> > Nein, kann er nicht.
>
> Dazu hätte ich gern mal eine Quelle gesehen :-)
> Nicht über etwas, was in 1971 war, sondern, wie die Preissteigerungen
> in den letzten 3 Jahren zu erklären sind. Und dass diese
> _vollständig_ nicht über eine zunehmende Verknappung zu erklären
> sind.

Erstens widerlegt das Beispiel von 1973 bereits die Vorstellung,
dass der Markt so etwas quasi vorausschauend regelt. Wenn die
Volkswirtschaft wissenschaftlichen Maßstäben genügen will,
reicht ein einziges Gegenbeispeil um eine allgemeine Hypothese zu
widerlegen.

Zweitens folgt aus der Einschätzung, dass die Preissteigerungen
der letzten Jahre wahrscheinlich auf Verknappung beruhen,
nicht aber, dass der Markt vorausschauend oder schnell genug
reagiert. Auch das zeigen die krisenhaften Entwicklungen von 1973.


> > Übrigens war der Rückgang der US-amerikanischen Ölförderung
> > seit 1971, der diese Entwicklung erst ermöglicht hat,
> > auch schon 1956 von Hubbert prognostiziert worden.
> > Es bestätigt sich also auch in der Praxis, das Märkte
> > zukunftsblind sind.
>
> Es gibt immer einen, der am Ende recht behält. Wenn morgen die Welt
> untergeht, hat das sicher auch irgendjemand vorhergesagt ;-)

Ich habe da einen nachprüfbaren kausalen Zusammenhang
benannt, das ist schon etwas anderes als eine beliebige
Voraussage. Und die Prognosen von ASPO und IEA zusammen
sollte man nicht einfach so abtun.

Die Ölkrise von 1973 hatte sicherlich auch politische
Gründe, ohne den rapiden Abfall der Förderung in den USA seit 1970
- den wir heute analog in der Nordseeregion erleben -
hätte die OPEC aber niemals so schnell einen so großen Einfluss
gewinnen können.

Viele Grüße,

Johannes





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