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ag-umwelt - Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] Energiesteuer/Importsteuer auf Brennstoffe

ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Ag-umwelt mailing list

Listenarchiv

Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] Energiesteuer/Importsteuer auf Brennstoffe


Chronologisch Thread 
  • From: Gunnar Kaestle <gunnar.kaestle AT gmx.net>
  • To: AG Energiepolitik <energie_und_infrastruktur AT lists.piratenpartei.de>, Nachhaltigkeitspiraten <ag-nachhaltigkeit AT lists.piratenpartei.de>, AG Steuerpolitik <ag-steuerpolitik AT lists.piratenpartei.de>, AG Umwelt <ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de>
  • Cc: Hermann Otto Solms <hermann.solms AT bundestag.de>, Otto Fricke <otto.fricke AT bundestag.de>, Jürgen Kremer <kremer AT rheinahrcampus.de>
  • Subject: Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] Energiesteuer/Importsteuer auf Brennstoffe
  • Date: Sat, 08 Sep 2012 01:32:38 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-umwelt>
  • List-id: <ag-umwelt.lists.piratenpartei.de>

Moritz Richter schrieb:

Wie ich es verstehe, forderst Du eine Art Gleichbehandlung
zwischen verschiedenen Brennnstoffen. Aber Energieträger sind
keine Grundrechtsträger, deswegen haben sie für sich keinen
Anspruch auf Gleichbehandlung.

Das kann doch nicht ernsthaft ein Argument sein. Es ist doch auch
nicht sinnvoll auf alle Produkte unterschiedliche Umsatzsteuersätze
zu erheben, "weil Produkte keine Grundrechtsträger sind, und deshalb
keinen Anspruch auf Gleichbehandlung haben." Wenn Energieträger mit
unterschiedlichen Sätzen besteuert werden, sollte es dafür eine
transparente und nachvollziehbare Begründung geben, und nicht der
Steuerzahler das Gefühl haben, dass das Prinzip "Willkür" am Werk
war!

Ja genau, das kann man mit der Lenkungswirkung sehr schön begründen.
Wenn vom Nutzen, das heisst vom Heizwert alle auch gleichbehandelt
werden, dann muss das noch lange nicht heissen, dass schwefelreiches
Bunkeröl gleich besteuert wird wie schwefelarmes Heizöl. Auch kann sich
die Verfügbarkeitsfrage in einer steuernden Wirkung auswirken.

"Offenkundig ist Energie ein fundamentaler Produktionsfaktor." S. 273
http://www.energiesteuer.net/artikel/pdf_artikel/energie,innov,wirtschaftswachstum.pdf

Wenn also absehbar ist, dass ein essentieller Produktionsfaktor (für den
Betrieb von Transportsystemen) auf einmal stetig wegbricht, dann muss
man im Vorfeld Maßnahmen ergreiffen, damit man nicht auf dem Trockenen
sitzt. Dazu gehört für mich, dass man den Satz für Mineralölprodukte
höher wählt, als für alternative Brennstoffe. Aufgrund der mittlerweile
recht zahlreich vorhandenen Ausweichmöglichkeiten in der Heizungstechnik
frage ich mich, warum der Trend weg vom Heizölkessel nicht durch eine
Anhebung der Energiesteuer verstärkt wird. Ein Daimler Ingenieur hat mal
gesagt, dass das E-Auto noch nicht so dringend gebraucht werden kann,
wenn man noch Öl in Kesseln verheizt.

Where Is the Hirsch Report?
by Richard Heinberg
http://www.energybulletin.net/node/7524

||> Optimists also insist that the market can take care of the problem:
high oil prices will stimulate more exploration, the development of more
efficient cars, and the deployment of alternative energy technologies.
Interference with market mechanisms would be harmful, they say, and so
the government should steer clear of the problem by avoiding setting
higher efficiency standards, subsidizing renewables, and so on.

The report’s authors dismiss these claims. Price signals warn only of
immediate scarcity; however, the mitigation efforts needed in order to
prepare for the global oil production peak must be undertaken many years
in advance of the event. Hirsch, et al., maintain that, “Intervention by
governments will be required, because the economic and social
implications of oil peaking would otherwise be chaotic. The experiences
of the 1970s and 1980s offer important guides as to government actions
that are desirable and those that are undesirable, but the process will
not be easy.” <||

Bei einer Energiesteuer muss aber eben der leitende Aspekt sein,
welches die Ziele sind. Und das ist das Problem, was ich bei der
Initiative sehe, sie zieht das Ganze von der Vereinheitlichung her
auf statt von den Zielsetzungen.

Meine Zielsetzung ist die Vereinheitlichung; um Subventionen
abzubauen, um eine möglichst hohe Lenkungswirkung bezüglich
Effizienz zu erreichen, um die Besteuerung für den Bürger
transparenter und verständlicher zu machen (um somit um mehr
Akzeptanz zu werben) und um Substitutionen von Brennstoffen weg,
statt unter Brennstoffen zu fördern.

Du darfst die technologische Machbarkeit nicht ganz vernachlässigen. Weg
vom Brennstoff geht meist nicht ganz so einfach wie weg zum anderen
Brennstoff: Beispiel Benzin-Auto vs. Erdgas-Auto vs. E-Auto.
Erdgas-Autos sind schon serienreif, wenn auch nur in Kleinserie. E-Autos
sind noch ganz am Anfang der technologischen Reifestufe.

Fossile Energieträger sind nicht unbegrenzt verfügbar und daher
nicht versorgungssicher. Besonders extrem ist das beim Erdöl, wo
das Angebot auch sehr kurzfristig zurück gehen kann. Wenn das
eintritt, verursacht dies sehr hohe externe Kosten -
beispielsweise kann es ohne weiteres sein, dass eine Investition
wie der Grossflughafen in Berlin dann gegenstandslos ist, oder
zahlreiche Investitionen, die Verbraucher in Autos mit
Benzinmotoren getätigt haben.

Zunächst sehe ich meinen Antrag nicht als Konkurrenz zu deinem
Peak-Oil-Antrag, sondern als Ergänzung. Meiner Ansicht nach macht
die von dir vorgeschlagene Erdölumlage ja durchaus Sinn. Was meiner
Ansicht aber keinen Sinn macht, ist zusätzlich dazu eine weitere
Sondersteuer auf Erdöl zu fordern.

Wenn man die Sondersteuer auf Erdöl in die allgemeine Energiesteuer
integriert, dann hat man doch schon wieder die von Dir kritisierte
Ungleichbehandlung, die ich allerdings aufgrund der gewünschten
Lenkungswirkung als äußerst sinnvoll erachte.

Hier bringst du leider wieder Beispiele, welche sich auf erneuerbare
Ressourcen beziehen. Hier sagt selbst die volkswirtschaftliche
Theorie, dass für Allmende-Güter der Markt nicht funktioniert. Bei
endlichen Ressourcen besagt das die Theorie jedoch nicht.

Ich kann zur Frage des bisherigen Marktverständnisses den Artikel von
Jürgen Kremer empfehlen: Zur Kritik Steve Keens an der
Volkswirtschaftslehre
http://www.rheinahrcampus.de/fileadmin/prof_seiten/kremer/masterkeeneconomics.PDF

"Diese Tatsachen stützen neben anderen die These, dass es sich bei der
Volkswirtschaftslehre im Kern nicht um eine Wissenschaft handelt,
sondern um das säkulare Analogon einer religiösen Glaubensgemeinschaft.
Dies wäre nicht weiter problematisch, wenn deren neoklassische Wachstums
und Globalisierungs-Glaubensrichtung nicht einen so großen
realpolitischen Einfluß hätte."

Gerade bei der Wachstumszuversicht werden wir m.E. ein böses Erwachen
erleben, wenn aufgrund der hohen Hebelwirkung des Produktionsfaktors
Energie und der schwindenen Förderleistung für fossile Primärenergie die
Antriebsenergie für unseren globalen Wirtschaftsmotor ausbleibt.

"Die mittlere Produktionselastizität der Energie, d.h. – grob gesprochen
– der mittlere prozentuale Zuwachs der Wertschöpfung bei einprozentigem
Zuwachs des Energieeinsatzes, ist in den industriellen Sektoren mit rund
50% so groß wie die Elastizitäten von Kapital und Arbeit zusammen und
liegt um rund eine Größenordnung über dem Anteil der Energiekosten an
den Faktorgesamtkosten. [..] Daher erscheint es aus Gleichgewichts- und
Stabilitätsüberlegungen heraus erwägenswert, in den Industrienationen die steuer- und abgabenmäßige Belastung der Produktionsfaktoren Arbeit und Energie stärker als bisher an ihren produktiven Beiträgen zur Wertschöpfung zu orientieren."

http://www.energiesteuer.net/artikel/pdf_artikel/energie,innov,wirtschaftswachstum.pdf

a) glauben wir wirklich, dass wir VOR DIESEM HINTERGRUND! mit der
Forderung von darüber hinaus zunehmenden Benzinpreisen Wähler
gewinnen werden? Die Frage soll weniger flapsig sein, als sie klingt,
denn nur wer Teile der Bevölkerung hinter sich hat, wird auch in der
Lage sein, Dinge zu verändern.

Du verfällst in einen etwas mutlosen Ausdruck. Ich schlage diese
Maßnahme nicht vor, um damit Wählerstimmen zu fangen, sondern weil ich
sie im Rahmen des Risikomanagements für absolut notwendig erachte. Es
kann doch nicht sein, hier den Wendehals zu imitieren, sondern wir
sollten uns auf eine evidenzbasierte Linie einigen und dann auch
kurzfristig unangenehme Maßnahmen mit dem Blick in die Zukunft
vertreten. Vielleicht gibt es mehrere Optionen, wie man zum Ziel
gelangt, aber das ist eine Detaildiskussion.

b) dass ein Markt, auf dem der Preis jährlich um knapp 10% steigt,
tatsächlich _nicht_ eine zunehmende Verknappung der Ressource
antizipiert/antizipieren kann?

Ja, siehe oben der Artikel von Richard Heinberg. Der Preisanstieg gibt lediglich die erhöhten Kosten der Merit Order der aktiven Ölquellen wieder. Der Preis steigt so hoch, weil die Nachfrage nicht mehr nur mit konventionellen Öl gedeckt werden kann. Das ist wie beim Strom, nur dass die Kraftwerke mit der Zeit nicht degradieren, sondern diskret abgeschaltet werden.

c) welche Preissteigerung denn stattdessen sinnvoll wäre, um das
Ziel zu erreichen: 20% p.a.? 30% p.a.?

Das könnte man mit einem ökonomischen Regelkreis steuern. Wichtig ist nicht die Preissteigerung, sondern der Nachfragerückgang. Entweder man justiert den Preisaufschlag (Steuer/Abgabe/etc) manuell alle paar Monate nach oder vertraut auf einen Automatismus aus der Zauberkiste der Systemanalystiker.

Weitere Vor- und Nachteile einzelner Energieträger für das
Gemeinwesen bestehen sicherlich auch, wie CO2 Ausstoss und
Konkurrenz zu Lebensmitteln. Hier bestehen aber eine ganze Reihe
Einzelfragen, die sich schwer einheitlich lösen lassen.

Und deshalb sollte ein "weiter wie bisher" mit vollkommener
Intransparenz dann die bessere Lösung sein? Übrigens soll auch bei
meinem Modell der CO2-Ausstoß in einer eigenen Komponente besteuert
werden und biogene Brennstoffe (aufgrund der Konkurrenz zu
Lebensmitteln) nicht allgemein einfach so geringer besteuert werden,
als fossile Brennstoffe.

Ähem. Verstehe ich es richtig, dass Du Dich auch für eine Differenzierung einer Energiesteuer je nach Brennstofftyp stark machst?

Gruß,
Gunnar


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