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ag-umwelt - Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] [PiraNa] [AG-Steuerpolitik] Werbung: Energiesteuer/Importsteuer auf Brennstoffe

ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Ag-umwelt mailing list

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Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] [PiraNa] [AG-Steuerpolitik] Werbung: Energiesteuer/Importsteuer auf Brennstoffe


Chronologisch Thread 
  • From: Johannes Nix <johannes.nix AT gmx.net>
  • To: Mailingliste der AG Energiepolitk <energie_und_infrastruktur AT lists.piratenpartei.de>
  • Cc: 'AG Steuerpolitik' <ag-steuerpolitik AT lists.piratenpartei.de>, mmarichter AT aol.com, ag-soziale_marktwirtschaft AT lists.piratenpartei.de, 'AG Umwelt' <ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de>, 'Nachhaltigkeitspiraten' <ag-nachhaltigkeit AT lists.piratenpartei.de>, ag-sozialpiraten AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] [PiraNa] [AG-Steuerpolitik] Werbung: Energiesteuer/Importsteuer auf Brennstoffe
  • Date: Wed, 12 Sep 2012 09:16:24 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-umwelt>
  • List-id: <ag-umwelt.lists.piratenpartei.de>



Hallo Moritz,

(es geht noch mal um

https://lqfb.piratenpartei.de/lf/initiative/show/4146.html )


Am Fri, 7 Sep 2012 14:46:24 +0200
schrieb "Moritz Richter" <mmarichter AT aol.com>:

> > Wie ich es verstehe, forderst Du eine Art Gleichbehandlung zwischen
> > verschiedenen Brennnstoffen. Aber Energieträger sind keine
> > Grundrechtsträger, deswegen haben sie für sich keinen Anspruch auf
> > Gleichbehandlung.
>
> Das kann doch nicht ernsthaft ein Argument sein. Es ist doch auch
> nicht sinnvoll auf alle Produkte unterschiedliche Umsatzsteuersätze
> zu erheben, "weil Produkte keine Grundrechtsträger sind, und deshalb
> keinen Anspruch auf Gleichbehandlung haben."

Selbstverständlich ist das ein Argument! Zum Einen ist es
praktisch ein gewaltiger Unterschied, ob man hundertausende
von Produkten unterschiedlich besteuert oder sieben oder
acht unterschiedliche fossile Energieträger. Das erste ist
nicht praktikabel, das zweite sehr wohl.

Zweitens sind die Hersteller vieler Produkte auch kleine
Gewerbetreibende und die sind natürlich auch Grundrechtsträger
- es wäre nicht gerecht, wenn der Verkauf von Obst höher
besteuert würde als der Brot. Die Energie- und Ölkonzerne sind
dagegen Konzerne.


> Wenn Energieträger mit
> unterschiedlichen Sätzen besteuert werden, sollte es dafür eine
> transparente und nachvollziehbare Begründung geben, und nicht der
> Steuerzahler das Gefühl haben, dass das Prinzip "Willkür" am Werk
> war!

Die habe ich doch schon genannt:

- unterschiedliche Versorgungssicherheit und daraus resultierende
Kosten der Umstellung
- Umweltbelastungen wie CO2, Schwefel, Landschaftszerstörung
- Risiken und Kosten für die Allgemeinheit wie nukleare "Endlagerung"

>
> > Man kann eine Abschaffung von Subventionen fordern aber das
> > letztlich immer mit dem Hintergrund, Ungleichbehandlung von
> > Menschen abzustellen. Beispielsweise ist die sehr geringe
> > Besteuerung > von Kohle heute auch aus meiner Sicht nicht mehr zu
> > rechtfertigen, dies sollte m.E. aber nicht dazu führen, dass man
> > Kraftwerke von Kohle auf Öl umstellt.
>
> Was wäre denn die Gleichbesteuerung von Brennstoffen anderes, als der
> Abbau von Subventionen?

Bei der Kohle, die sehr niedrig besteuert wird, ist das der Fall.
Das Erdöl wird schon dadurch subventioniert, dass bei der
nächsten Ölpreissteigerung vermutlich wieder ein PKW-Absatzprogramm
á la "Abwrackprämie" aufgelegt werden soll, welches natürlich
die Allgemeinheit bezahlt. Ein konsequenter Umstieg
vom Öl, wie er gebraucht wird, wird noch sehr viel teurer.
Auch hier liegen - ganz genau wie bei der Kernenergie - die Risiken bei
der Allgemeinheit, während die Gewinne Privatunternehmen einstreichen.

> Wie will man den überhaupt bewerten, ob es
> eine Subvention gibt, oder nicht, wenn man das Grundprinzip
> Gleichbesteuerung nicht gelten lässt?

Das Prinzip Gleichbesteuerung leitet sich aus dem
Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber _Personen_ ab.
Ein Recht auf Gleichbehandlund von Techniken oder Energieträgern
ist nirgendwo verankert. Menschen haben
Grundrechte, die Technik ist - genauso wie Eigentum
und wirtschaftliche Aktivitäten von Konzernen -
Mittel zum Zweck.


> > Bei einer Energiesteuer muss aber eben der leitende Aspekt sein,
> > welches die Ziele sind. Und das ist das Problem, was ich bei der
> > Initiative sehe, sie zieht das Ganze von der Vereinheitlichung her
> > auf statt von den Zielsetzungen.
>
> Meine Zielsetzung ist die Vereinheitlichung; um Subventionen
> abzubauen, um eine möglichst hohe Lenkungswirkung bezüglich Effizienz
> zu erreichen, um die Besteuerung für den Bürger transparenter und
> verständlicher zu machen (um somit um mehr Akzeptanz zu werben) und
> um Substitutionen von Brennstoffen weg, statt unter Brennstoffen zu
> fördern.

Ich sehe nicht, dass es dir wirklich um eine Lenkungswirkung geht,
denn mal argumentierst Du so, dass keine weitere Belastung entsteht,
mal so, dass fossile Energieträger schon durch die Angleichung
höher belastet werden. Hier finde ich deine eigentliche
Position sehr schwer zu fassen.

Außerdem argumentierst Du auf der Basis einer Theorie
der maximalen öffentlichen Wohlfahrt, derzufolge
das Optimum in einem Gleichgewichtszustand liegt.
Dem Artikel von Grahl und Kümmel zufolge

Jürgen Grahl, Reiner Kümmel: Produktionsfaktor Energie - Der stille
Riese, Energie & Zukunft, Ausgabe 1, Aachen, 2006, S. 4 - 23.
http://www.umsteuern-mit-energiesteuern.de/pdf/produktionsfaktor_energie.pdf

ist dieses Gleichgewicht aber gar nicht gegeben, vielmehr
befindet sich die Ökonomie aufgrund der Wachstumsprozesse
und des immer weiter dramatisch angestiegenen Einsatzes von
Energie in einem Nichtgleichgewichtszustand.

>
> > Fossile Energieträger sind nicht unbegrenzt verfügbar und daher
> > nicht versorgungssicher. Besonders extrem ist das beim Erdöl, wo
> > das Angebot auch sehr kurzfristig zurück gehen kann. Wenn das
> > eintritt, verursacht dies sehr hohe externe Kosten
> > - beispielsweise kann es ohne weiteres sein, dass eine Investition
> > wie der Grossflughafen in Berlin dann gegenstandslos ist, oder
> > zahlreiche Investitionen, die Verbraucher in Autos mit
> > Benzinmotoren > getätigt haben.
>
> > Soweit ich das verstehe, bist Du da anderer Meinung, diesen Punkt
> > sollte man dann aber auch konkret diskutieren und nicht durch
> > Rückzug auf allgemeine Grundsätze umgehen.
>
> Zunächst sehe ich meinen Antrag nicht als Konkurrenz zu deinem
> Peak-Oil-Antrag, sondern als Ergänzung. Meiner Ansicht nach macht die
> von dir vorgeschlagene Erdölumlage ja durchaus Sinn. Was meiner
> Ansicht aber keinen Sinn macht, ist zusätzlich dazu eine weitere
> Sondersteuer auf Erdöl zu fordern. Warum sollte das Sinn machen?

OK, dieser Punkt ist vielleicht noch nicht verstanden worden,
daher kurz noch einmal:

Die "Ölausstiegsumlage" soll den Ersatz des Erdöls wegen
seiner mangelnden Versorgungssicherheit mit gezielten
Maßnahmen fördern, das heisst durch Subventionierung
von Ersatztechnologien in bestimmten kritischen Bereichen
- vor allem beim Verkehr und der Gebeäudeheizung.

Die zusätzliche erhöhte _Energiesteuer_ auf Erdöl soll
einen nicht gerichteten Anreiz schaffen, den Verbrauch
von Erdöl durch effizientere Techniken und Prozesse zu
ersetzen. Das kann beispielsweise im Verkehrssektor
die Strategie Fahrgemeinschaften oder Verkehrsvermeidung sein.

Und ich denke definitiv, dass man die Kombination beider
Maßnahmen braucht, denn man kann weder alle Möglichkeiten
vorhersehen noch genau sagen, was in fünf oder zehn Jahren
ökonomisch ist.

> Die
> Erdölumlage ist DAS Instrument, welches das Problem löst, wir
> brauchen da kein zweites.

Nein, weil man nicht alles über direkte Subventionen regeln
kann und soll. Dann müßte der Staat in hunderten von
Einzelaspekten regelnd und letztlich bevormundend eingreifen.
Ob Leute letztlich eine Wohnung mit dickerer Dämmung mieten,
sie ein sparsames Auto kaufen, sie näher zu ihrer Arbeitsstelle
ziehen oder die Badewanne gemeinsam benutzen, ist doch deren
Angelegenheit. Wichtig ist die Einsparung von Erdöl.


> Wie du selbst in deinen Anträgen schreibst,
> bist du dir ja der Tatsache auch bewusst, dass ein Ersatz durch
> andere Brennstoffe das Problem nicht lösen kann.

Richtig, wir haben hier ein in seinem Umfang ungelöstes
Problem. Andere Energieträger sind gegenüber der
möglichen Geschwindigkeit eines Abfalls der Ölproduktion
(in der Nordseeregion nun fast 50 % seit 1999) nicht
schnell genug aufzubauen, also brauchen wir massive
Effizintmassnahmen.

> Du sprichst hier von
> fossilen Brennstoffen, ich gehe hier nur einen kleinen Schritt weiter
> und beziehe dies auf alle Brennstoffe. Ein Ersatz von fossilen
> Brennstoffen mit biogenen Brennstoffen wird nicht möglich/sinnvoll
> sein, da Anbauflächen begrenzt sind.

In dem Aspekt möchte ich mich nicht verzetteln. Darüber, dass die
Produktion von Biosprit in Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau
in Deutschland nicht besonders sinnvoll ist, besteht doch
weitgehend Einigkeit.

>
> > Dass der Markt sich nicht gut um die Endlichkeit von Ressourcen
> > kümmert, kann man gut sehen an Beispielen wie dem Walfang, der
> > Überfischung oder allgemein dem Thema "Tragedy of the Commons" -
> > anders ausgedrückt: Wenn ein für die Allgemeinheit nachteiliges
> > Verhalten für den Einzelnen einen überwiegenden Vorteil hat, sind
> > Märkte kein geeignetes Mittel der Steuerung. Märkte > wirken
> > letztlich dann positiv, wenn Konkurrenz zum Vorteil aller dient.
>
> Hier bringst du leider wieder Beispiele, welche sich auf erneuerbare
> Ressourcen beziehen. Hier sagt selbst die volkswirtschaftliche
> Theorie, dass für Allmende-Güter der Markt nicht funktioniert. Bei
> endlichen Ressourcen besagt das die Theorie jedoch nicht.

So wie mit den Fischbeständen umgegangen wird, _sind_ es
endliche Ressourcen, und man kann nicht behaupten,
dass "der Markt" diese schont. In diesen Bereichen wirkt
das Konkurrenzprinzip eindeutig destruktiv.

>
> Ich sehe die bezüglich Peak-Oil die von euch geforderten
> Implikationen folglich ein wenig mehr skeptisch. Der Grund liegt
> einfach darin begründet, dass wir nicht in einer Welt seit Jahren
> gleichbleibender Benzinpreise leben. Seit 2009 ist der Preis für
> Superbenzin durchschnittlich pro Jahr um mehr als 10ct/l gestiegen
> und mit Ausnahme der Weltwirtschaftskrise steigt der Benzinpreis
> kontinuierlich seit nunmehr 10 Jahren.
> http://de.statista.com/statistik/daten/studie/776/umfrage/durchschnittspreis-fuer-superbenzin-seit-dem-jahr-1972/

Das die Preise steigen, ist unter anderem die Konsequenz
aus beginnender Verknappung und weltweit wachsender
Nachfrage. Daraus darf man aber auf keinen Fall schließen,
dass sich ein rechtzeitiger Umstieg vom Öl auf andere
Energieträger über die Kosten regelt. Wesentlich ist
der Zeitfaktor. Außerdem nimmt die Geschwindigkeit des
Förderabfalls mit der Zeit zu, das ergibt sich schon aus
der einfachen Modellierung mit der logistischen Funktion:
Die Ableitung = Geschwindigkeit der Abnahme ist an den Flanken der
Kurve viel größer als auf dem Gipfel.

> Für Dieselkraftstoff ist die Zunahme sogar noch ein wenig extremer.
> Bei einer gleichbleibenden Steigerung wird der Preis für Super in 2
> Jahren auf über 2€/l gestiegen sein. Deshalb die Frage: a) glauben
> wir wirklich, dass wir VOR DIESEM HINTERGRUND! mit der Forderung von
> darüber hinaus zunehmenden Benzinpreisen Wähler gewinnen werden?

Aha, da kommern wir ein wenig mehr zum Kern der Diskussion.
Ich denke, wir gewinnen real Wähler damit, dass wir die tatsächlichen
Probleme benennen und Ideen in Umlauf bringen, wie man diese
angehen kann.

Den fundamentalen Wandel des bevorstehenden Abfalls der
konventionellen Ölförderung zu ignorieren um "die Wähler" in
Watte zu packen, trägt sicher nichts zur Lösung des Problems
bei. Abgesehen davon, dass es keine Wählerstimmen bringt,
denn die Leute sind nicht doof. Ich bin sehr zuversichtlich,
dass die Aufnahme der Energiesteuer und der Vorsorge gegen
Peak Oil die Wahlergebnisse eher verbessern, denn das betreffende
Positionspapier bekam sogar 74 % Zustimmung - das ist vergleichbar
mit der Verankerung des Atomausstiegs - und
normalerweise repräsentieren die Mitglieder der Piraten unsere Wähler
recht gut.

Die Dinge zu benennen wie sie sind, halte ich ausserdem für eine
fundamentale Notwendigkeit von Ehrlichkeit in der
Politik. Tut man das nicht, kann man z.B. auch nicht
angesichts der Finanzkrise zu richtigen Lösungen kommen.


> verändern. b) dass ein Markt, auf dem der Preis jährlich um knapp 10%
> steigt, tatsächlich _nicht_ eine zunehmende Verknappung der Ressource
> antizipiert/antizipieren kann?

Nein, kann er nicht. Die Prognosen der ASPO sagen, dass
die konventionelle Ölförderung in wenigen Jahren um etwa
5 % zurückgehen könnte. Shale Gas und Ölsande können
nach deren Prognosen nur rund 10 % der Defizitmenge
ersetzen. Gleichzeitig wissen wir, dass die *kurzfristige*
Preiselastizität beim Erdöl extrem gering ist.
Es wird also vermutlich das Gleiche passieren wie 1973
in den USA, der Preis wird durch die Decke gehen und
dies wird wirtschaftlich destruktiv sein.

Noch mal die Diagramme hierzu:

http://aspo-deutschland.blogspot.de/p/peak-oil.html

http://www.heise.de/tp/artikel/33/33646/1.html


Übrigens war der Rückgang der US-amerikanischen Ölförderung
seit 1971, der diese Entwicklung erst ermöglicht hat,
auch schon 1956 von Hubbert prognostiziert worden.
Es bestätigt sich also auch in der Praxis, das Märkte
zukunftsblind sind.

> c) welche Preissteigerung denn
> stattdessen sinnvoll wäre, um das Ziel zu erreichen: 20% p.a.? 30%
> p.a.?

Das muss man anhand der Zielsetzung regeln. Es wäre sicher sinnvoll, 30
% des Ölverbrauchs im Verkehr innerhalb von ca. 10 Jahren zu ersetzen.
Das ist viel, aber wenn das erst einmal als politisches und
gesellschaftliches Projekt begriffen wurde, wohl noch machbar.

> Und deshalb sollte ein "weiter wie bisher" mit vollkommener
> Intransparenz dann die bessere Lösung sein? Übrigens soll auch bei
> meinem Modell der CO2-Ausstoß in einer eigenen Komponente besteuert
> werden und biogene Brennstoffe (aufgrund der Konkurrenz zu
> Lebensmitteln) nicht allgemein einfach so geringer besteuert werden,
> als fossile Brennstoffe.

Nun, so zu tun "als ob" sich Erdöl nicht innerhalb absehbarer Zeit
verknappen könnte, hat aber auch nichts mit Transparenz zu tun.
Wenn es Realitäten gibt, muss die Politik darauf auch reagieren.

Viele Grüße,

Johannes




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