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ag-umwelt - Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] Emissionssteuer vs. Zertifikatehandel

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Betreff: Ag-umwelt mailing list

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Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] Emissionssteuer vs. Zertifikatehandel


Chronologisch Thread 
  • From: Gunnar Kaestle <gunnar.kaestle AT gmx.net>
  • To: AG Energiepolitik <energie_und_infrastruktur AT lists.piratenpartei.de>
  • Cc: AG Nachhaltigkeit <ag-nachhaltigkeit AT lists.piratenpartei.de>, AG Umwelt <ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] Emissionssteuer vs. Zertifikatehandel
  • Date: Wed, 29 Aug 2012 23:07:55 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-umwelt>
  • List-id: <ag-umwelt.lists.piratenpartei.de>

Moritz Richter schrieb:

es kommt immer darauf an, was denn eigentlich dein Ziel ist. Eine
Steuer besitzt keine "ökologische Treffsicherheit", das heißt, dass
der Staat sich dabei (auch deutlich) verschätzen kann, wie viel CO2
bei einer bestimmten Steuerhöhe tatsächlich eingespart wird.
Natürlich kann der Staat hier nachsteuern, aber dann verändert er
auch wieder die Steuerhöhe und gelangt zu einer variablen
CO2-Bepreisung wie bei dem Zertifikatehandel.

Ja, ein Mengeninstrument (Zertifikatehandel) mit nachgelagertem
Preisinstrument (Capanpassung gemäß Preiskorridor) ist fast dasselbe wie
ein ökonomischer Regelkreis, bei dem zuerst das Preisinstrument in Form
einer Steuer und die Steuerhöhe dann mit einem übergelagerten
Mengeninstrument nachjustiert wird. Im Detail sind aber Unterschiede
vorhanden, die vor allem die zeitliche Anpassungsgeschwindigkeit
beschreiben. Der Regelkreis wäre in beiden Fällen etwas träger zu
gestalten (Quartal/Jahr), während die erste Eben unmittelbarer reagiert.
Hier führt die höhere Preis-Volatilität der Zertifikate zu einem höheren
Risiko für den Investor.

Genauer kann man das bei Fachliteratur zu Financial Engineering
nachlesen: die verschiedenen Koeffizienten sind griechische Buchstaben
und werden daher auch "die Griechen" genannt:
http://en.wikipedia.org/wiki/The_Greeks#Use_of_the_Greeks

Die bisherigen Klimaverhandlungen sind immer so geführt worden, dass
sich bestimmte Staaten darauf verpflichten, ein bestimmtes Maß an
Treibhausgasen einzusparen. Dieser Ansatz wäre mit einer Steuer dann
nicht mehr möglich, weil man mit dieser gar nicht mehr verlässlich
eine bestimmte Höhe einsparen kann.

Ich mache mir keine Sorgen, dass man das mit einer nachgeführten Steuer
nicht erreichen kann. Der Markt reagiert in Domänen mit hoher
kapitalintensität oft in Zyklen, der darauf beruht, dass für eine
Investition erst fixe+variable Kosten gedeckt werden müssen, wohingegen
ein Nachfrageeinbruch die fixen Kosten als Sunk Costs deklariert, und
relevant für den Weiterbetrieb nur die variablen Kosten werden. Ein Fuel
Shift von Braunkohle zu Erdgas braucht, wenn das Kraftwerk erstmal
gebaut is,t eine gigantischen Anreiz, um die ökonomische Hysterese zu
überspringen.

Wie gesagt, der Staat kann gar nicht genau bestimmen, wie sich eine
Steuer auf die Emissionen auswirkt, hinzu kommen jetzt
Konjunkturschwankungen.

Klar kann er das: in einem Ökonomischen Regelkreis wäre das:
Anreiz geben, Marktreaktion abwarten, Ergebniss messen und mit dem
Sollwert vergleichen, Anreiz nachstellen. Mit dem Prinzip hat James Watt
auch die Drehzahlregelung bei einer Dampfmaschine realisert.
http://de.wikipedia.org/wiki/Regelung_%28Natur_und_Technik%29
Auch der Regelkreis, den die Zentralbanken zur Geldwertstabilität
implementiert haben, funktioniert so, auch wenn man manchmal gewisse
Vorgänge in der Strecke nicht ganz verstanden hat.

(Übrigens hat eine Steuer zwar eine höhere Planbarkeit, aber ein
Zertifikatehandel gleicht ein wenig die konjunkturellen Schwankungen
aus! Wenn in einer Flaute weniger Energie verbraucht wird, sinkt der
Zertifikatepreis und Energie wird billiger).

Wäre es nicht sinnvoller, wenn in einer Flaute die Arbeit billiger wird?
(Ohne dass das Einkommen und die Binnennachfrage geringer wird)

welches Land belastet schon seine eigene Industrie mehr als
notwendig? Man hätte hier das gleiche Dilemma, wie bei der Steuer.

In europäischen Ländern hat man sich daran gewöhnt, 1,50 Euro pro Liter
Sprit zu zahlen. In den USA wären das ca 7$ pro Gallone. Ich sehe es
angesichts der abnehmenden Verfügbarkeit von Öl eher als ein Vorteil an,
dass man in Europa eher mit spritsparenden Autos fährt und kurze Wege
bevorzugt, was nicht zu einer Zersiedlung der Landschaft geführt hat.

Also Zwischenfazit: Wenn man Klimaverhandlungen mit festen
Reduktionszielen führt, ist die ökologische Treffsicherheit schon
wichtig und aus dieser Perspektive Zertifikate "sicherer".

Mein Zwischenfazit ist, dass sich die Preisinstrumente als überlegen
gezeigt haben und insbesondere die Effizienz höher ist, d.h. die
makroökonomischen Kosten geringer sind. Vor allem braucht man eine
technologiespezifische Differenzierung, was z.B. in UK schon gemacht
wird, was darin resultiert, dass gewisse Anlagen das 1,5 oder 2 fache
als Grundstromzertifikaten erhalten.

Wenn es allerdings keine besonders große Rolle spielt, ob wir am Ende
z.B. bei 650 oder 680ppm CO2-Gehalt landen, ist es vielleicht
sinnvoller, von den genauen Reduktionszielen abzuweichen und eher
über die Steuerhöhe zu verhandeln.

Aufgrund der Tatsache, dass man Steuern (im Gegensatz zu physikalischen Abschlägen per Wirkungsgrad oder anderen technischen Restriktionen) relativ frei gestalten kann, mache ich mir nicht so viel Sorgen, dass ein intelligent gemachter Anpassungprozess - trotz des nichtlinearen Verhalten des zu steuernden Systems - es nicht schafft, den Einspareffekt dahin zu treiben, wo man ihn haben möchte.

Schau mal in Kapitel 8.5, S. 171 rein.
http://m.photovoltaik.eu/fileadmin/uploads/PDFs/Webcode/120123-Gutachten_Consentec_r2b_FGH.pdf Auch wenn da noch Detailschwächen in der Ausgestaltung drin sind, ist das Prinzip goldrichtig.

Gruß,
Gunnar


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