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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Petition zum Erhalt der freiberuflich tätigen Ärzte

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Petition zum Erhalt der freiberuflich tätigen Ärzte


Chronologisch Thread 
  • From: Morgan le Fay <comte_de_tenebres AT arcor.de>
  • To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Petition zum Erhalt der freiberuflich tätigen Ärzte
  • Date: Fri, 21 Sep 2012 10:15:17 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Am 20.09.2012 20:14, schrieb Jens:
@ Harry:
 
Was du andeutest, ist vorstellbar:
 
Ein öffentlicher Träger, der die Ärzte (aller Fachrichtungen) beschäftigt. Dieser öffentliche Träger müsste keinen Gewinn machen, sondern
“nur” kostendeckend funktionieren. Damit wäre ein großer Kritikpunkt der immer wieder anklingt, nämlich das finanzielle Gewinnstreben,
schon mal aus der Gleichung herausgenommen. Dieser Punkt mag vom humanistischen Standpunkt aus gut sein, ich stimme ausdrücklich
zu (Fokus aus Patienten zu helfen und heilen und weniger auf Geld scheffeln). Wenn man den Menschen im Gesundheitswesen den Kosten- bzw
Leistungsdruck von den Schultern nimmt, wäre womöglich mehr Zeit für den menschlichen Faktor in der Medizin (also zB. der jungen Physio,
der ebenfalls teure Räume bezahlen muss und Einrichtung, auch der junge Arzt der mit einer Mio in der Kreide steht, hätten mehr Zeit für den
Patienten wenn sie von dem finanziellen Zwängen befreit wären usw). Das würde sicherlich der Gruppe Mediziner/ Medical worker usw
gefallen, für die der Idealismus ein Grund für ihre Berufswahl was (“Beruf als Berufung”).
 
Im hohen Norden, beispielsweise Norwegen, ist es eigentlich so, wie du andeutest. Ein staatlicher Träger beschäftigt in der Volksfürsorge
dort beispielsweise Zahnärzte. Die brauchen sich nicht um das Röntgengerät kümmern, das abbezahlt oder repariert werden muss. Dies wird vom
Träger geleistet uswusw.
 
Gleichzeitig ist wohl auch ein funken Wahrheit an dem Spruch: “Wer selbstständig ist arbeitet selbst und ständig”. Natürlich ist man anders (stärker!?)
engagiert, wenn es der eigene Laden ist. Man hängt sprichwörtlich mit Mann und Maus drin (und haftet auch mit allem was man
hat). Dies soll nicht in Abrede stellen, dass Angestellte ebenfalls sehr pflichtbewußt ihrem Tagewerk nachgehen. Dennoch ist das Risiko
der Freiberufler, also ohne Fangnetz und doppelten Boden, nicht kleinzureden wie man es gerne mal tut.
 
Ob es dann des Rätsels Lösung ist, dass man einen staatlichen Träger installiert, jedem Mediziner ein Gehalt eines Oberstudienrates zahlt
und das Gesundheitswesen somit wieder in “Polikliniken” organisiert...
 
Die Sozialsysteme in toto sind ein gordischer Knoten. Leider.
 
In jedem Fall würde ich einen staatlichen Träger besser finden als Polikliniken, die Kapitalgesellschaften gehören. Denn gerade diesem Großkapital
kann man nicht gerade einen.... ääääh.... überbordenden Humanismus oder Altruismus vorwerfen sondern vielmehr ein nahezu grenzenloses
Gewinnstreben.
 
Gruss
Jens
 
 
 
 
 
 
 
 
From: Morgan le Fay
Sent: Thursday, September 20, 2012 2:55 PM
To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
Subject: Re: [AG-Gesundheit] Petition zum Erhalt der freiberuflich tätigen Ärzte
 
Am 20.09.2012 14:45, schrieb Dieter Schlierf:

@Morgan le Fay

 

Hallo Harry!

 

Dann kannst Du bestimmt diese Petition unterstützen: http://www.avaaz.org/de/petition/Erhalt_der_freiberuflich_taetigen_Aerzte_in_Deutschland/?ehktMab

 

Hanns-Dieter Schlierf

 

Morgan le Fay schrieb:

@Peter

Ich kann Deine Zahlen nicht widerlegen..Im Zahnbereich kenne ich mich nicht aus.

Aber ich bin seit 1973 Optiker und seit 1982 Optikermeister und habe mich mein Berufsleben lang mit (Augen-)Ärzten herumschlagen müssen, besonders nach ´88, als die Blümsche Reform im Gesundheitswesen griff.

Ich schwöre Dir, dass wenn die Ärzte hier streiken werden, ich sie unterstütze. Ja, ich sehe ein, dass ein Augenarzt mit rund 18 Euro im Quartal für einen Standardpatienten nicht über die Runde kommen kann und er geradezu genötigt wird, zu IGeln und sein Gewissen, seine Ethik an die Pharmaindustrie zu verkaufen.

Aber ich bitte doch darum, nicht zu vergessen, dass Augenärzte im Schnitt einen Jahresumsatz von 260.000 Euro erzielen. Damit liegen sie in etwa in der Mitte dessen, was einerseits Psychotherapeuten und andererseits Radiologen und Internisten erzielen. Auch Zahnärzte gehören wie Apotheker zu den Spitzenverdienern.

Und all das bezahlt der Bürger, der Versicherte und Patient. Ginge es nach Gesetz (SGB V §2), dann stünde ihm für seine Beiträge eine Versorgung zu, die

dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (zu) entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen

haben.

Also nix mit Blechprothese oder Amalgam!

Doch es geht eben nicht nach dem Gesetz, bzw. wird es immer, wenn es opportun ist, "zweckdienlich" ausgelegt und ergänzt.
Das derzeitige System ist so perfide, dem Arzt das Recht zuzugestehen, souverän darüber entscheiden zu dürfen, was dem Patienten zu genügen hat (WANZ). Dabei wird er gezwungenermaßen nicht uneigennützig urteilen, denn wer wird schon gern in Regress genommen.

Ich kann nur immer wieder an die Vernunft appellieren. Einerseits beim Versicherten und Patienten, der den Arzt gerne als geldgeilen Abzocker sieht, der auf hohem Niveau herumjammert, andererseits vermisse ich bei eigentlich als intelligent geltenden Ärzten die Einsicht, dass man mit dem Patienten nicht nach Gutdünken verfahren und ihn schikanieren kann.
Ich als "Gesundheitspirat" setze mich deshalb durchaus für bessere Punktwerte ein, ich setze mich aber auch dafür ein, dass diese elende Selbstverwaltung verschwindet und der gesetzlich Versicherte in allen Instanzen des Gesundheitswesen bis hinauf zum g-BA ein effektives Mitbestimmungsrecht hat, wenn es um die Verwendung seiner Beiträge und um Vertragsbedingungen geht. Ein ganz klares JA meinerseits zu gestärkten Patientenrechte. Ich lasse mich überraschen, was da 2013 kommen wird.
Im Medizinforum, wo ich inzwischen abgemeldet bin, erhielt ich auf die Ankündigung der zu stärkenden Patientenrechte sofort die Replik, dass man dann eben "Risikofälle" nicht mehr annähme.
Verstehst Du, was ich meine? Bei solchen Haltungen und solchen Ansichten fällt es -mir zumindest- sehr schwer, zu glauben, dass der Arzt der Freund der Patienten sein möchte. Er lehnt ihn ab, wenn er ein Risiko darstellt.

Das ist nur 1 einziges Beispiel aus einer ganzen Menge Statements, die so im Laufe der Jahre abgegeben wurden.
Ich könnte auch den "traurigen" Brief eines ehemaligen Schrobenhausener Allgemeinarztes nehmen, der sein "geliebtes Schrobenhausen" verlässt, weil er nicht mit vollen Händen und ohne jede Begrenzung in den Topf der Solidargemeinschaft greifen darf.

Geht ´s eigentlich noch?

Oder der Jungarzt, der sich weigert, selbst für ein garantiertes und fürstliches Festgehalt eine Landarztpraxis zu übernehmen. Es gäbe dort zuwenig "Action" und Kultur und zuviele Nazis.

Ist das ein Freund der Patienten?

Bitte sage mir, was ich davon zu halten habe und was ihr Ärzte gedenkt zu tun, um vor Eurer eigenen Tür zu kehren und Euren Funktionären einen Tritt zu geben.

Gruß
Harry

 



Hallo Dieter,

ich würde da sofort mitzeichnen, wenn man dort nicht auf die "Freiberuflichkeit" abheben würde.

Diese stelle ich nämlich zur Diskussion. Seien wir doch ehrlich uns selbst und den anderen gegenüber: Der Arztbetrieb ist heutzutage ein kommerzieller Dienstleistungsbetrieb.
Außerdem halte ich es für ein erfolgversprechendes Modell, jungen Studienabgänger der Humanmedizin eine Anstellung bei einer Kommune zum Festgehalt, sowie eine fertige und vielleicht eingeführte Praxis anzubieten.

Den Punktwert anzuheben, halte ich dagegen für berechtigt, sofern er nicht zu einer Anhebung der GKV-Beiträge führt und man das benötigte Geld bei der Pharmaindustrie und/oder den Verwaltungen der Kassen und der Ärzte einspart.

Gruß
Harry


--
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https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-gesundheitswesen

Vielen Dank, Jens.

Ich sehe das ja durchaus, dass sich Leute anstellen lassen könnten, die ihre Arbeit und den Dienst am Mitmenschen nicht ernst nehmen könnten.
Aber der Arztberuf wird kein Beruf bleiben, in dem man nach Fachkräften mit der Lupe suchen muss.

Es zeichnet sich doch längst ab, dass jedwede delegierbaren Tätigkeiten tatsächlich auch an Nichtärzte delegiert werden. Es zeichnet sich ab, dass ASV in Kliniken stattfindet. Praxen, die aufgegeben werden, erhalten keine Neuzulassung, da für die Versorgung der Bevölkerung obsolet.

Ein Beispiel aus meinem Fachbereich: Noch vor ein paar Jahren haben sich der BVA (Augenärzteverband) und der ZVA (Optikerverband) bis aufs Messer vor Gerichten bekriegt.
Warum?
Ärzte behielten sich die ausschließliche Kompetenz vor, bestimmte Sehfehler wie z.B. Schielstellungen richtig ermitteln zu können. Ähnliches galt für den Führerscheinsehtest für LKW und sogar den Handel mit Sehhilfen. Ich kenne keinen einzigen Arzt, der von seinem erkämpften Recht je Gebrauch gemacht und Brillen angeboten hätte. Aber Hauptsache, man trägt den Kopf weit oben und musste nicht klein beigeben und wenns schon 100mal nichts nützt.

Mittlerweile wird der fehlsichtige Patient beim Augenarzt nicht mal mehr mit dem A**** angeschaut, wenn er wegen einer Brille kommt, auch der nicht, der u.U. schielen könnte und sofort an den Optiker verwiesen, wenn es um die Stärkenermittlung geht.

Das setzt über die Jahre eine Menge Kräfte frei. Wer nach erfolgreichem (und mittels Steuern finanziertem) Studium hier in D gar nicht als Arzt arbeitet und ins Ausland geht, zahlt eben neben Bafög auch die Subventionen für seine Berufsausbildung zurück.
Vom Balkan und Fernost drängen Ärzte zu uns und es lässt sich eine seit Jahren konstante Zunahme der Zahl niedergelassener Ärzte feststellen. Allerdings reicht die zahlenmäßige Zunahme nicht unbedingt aus, weil trotz zunehmender Niederlassungen (lt Erhebung durch Kopetsch; bei der BÄK downloadbar) durch die zunehmende Feminisierung des Berufes und der heutigen "Behandlungstiefe" ein Versorgungsmangel entstünde.
Außerdem sind die Planungsbezirke viel zu groß und enthalten immer ein "Leckerli", wo man sich gerne wenn möglich bevorzugt niederlässt, während in anderen Ecken desselben Planungsbezirkes die Leute mit dem Ofenrohr ins Gebirge gucken müssen.

Ich bin sicher, mit der richtigen Ausgestaltung des Gesetzeswerkes und effektiven Kontrollmechanismen werden wir die Probleme in den Griff bekommen.

Gruß
Harry



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