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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] BGH: Ärzte dürfen sich straffrei bestechen lassen

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] BGH: Ärzte dürfen sich straffrei bestechen lassen


Chronologisch Thread 
  • From: syna <syna AT news.piratenpartei.de>
  • To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] BGH: Ärzte dürfen sich straffrei bestechen lassen
  • Date: Thu, 28 Jun 2012 12:31:52 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>
  • Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver


checkinger schrieb:
syna schrieb:
checkinger schrieb:
... ich frage mich bloss, wie die Ärzte die konkrete Verordnung der
Medikamente gegenüber den Pharmafirmen nachgewiesen haben ..

Der Nachweis der tatsächlichen Verordnung ist doch wohl Voraussetzung
für eine Provisionszahlung - deren Annahme durch gewissenlose Ärzte
ich für absolut verwerflich halte.

Kann es sein, dass auch Datenschutz bzw. ärztliche Schweigepflicht
verletzt wurden ?
Naja,

da gibt es alle Spielarten, die man sich überhaupt vorstellen kann. Die
Gängigste sind AWBs, sogenannte Anwendungsbeobachtungen:

Der Patient wird dabei nicht gefragt oder informiert, seine Daten gehen
ohne sein Wissen an die Pharmafirma. Macht die Krankenkasse bei der
Erstattung Probleme, behauptet der Arzt, die Kasse wolle Kosten sparen
und das notwendige Medikament nicht bezahlen. Oft ist der Patient so naiv
und begleicht die Differenz zum billigeren Medikament aus eigener Tasche,
ohne je zu erahnen, dass dies allein dem Arzt nützt, der damit die AWD
weiter abrechnen kann. Sie bringt in der Regel 100 bis 300 Euro je Patient.

Naja,

in diesem Fall waren es keine AWBs sondern "Vortragshonorare":
http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/recht/?sid=816398

Die Pharmafirmen sind verpflichtet sog. Post-Marketing-Surviellance = Phase IV Studien zu machen. Dies geschieht gel. über AWBs. AWBs sind deshalb nicht von Haus aus böse..

Die Weitergabe von Patientendaten ohne Einwilligung des betroffenen Patienten kollidiert mit der ärztlichen Schweigepflicht und dem Bundesdatenschutzgesetz. So einfach ist das nicht..

AWBs waren bis vor ca. 10 Jahren tatsächlöich ein Problem. Die Rechtslage hat sic aber m.E. geändert.

Auch AWBs müssen gemeldet und von Ethik-Kommissionen abgesegnet werden. Die Medikamentenkosten bei AWBs müssen i.d.R. von der Pharmafirma getragen werden.

Woher weisst Du eigentlich soviel über AWBs ? Wo steht, dass "Patient wird dabei nicht gefragt oder informiert, seine Daten gehen
ohne sein Wissen an die Pharmafirma."
Gruß

Der Alex

Gruß

Der Alex

Hallo Alex,

Naja, es ist immer schwierig, aus persönlichen Erfahrungen im Umfeld auf
die generelle Situation zu schließen. Deshalb hier Infos aus Studien über
AWBs.

Z.B heißt es im

Gesundheitsforum 2007 schrieb:
• Nur die Hälfte der Anwendungsbeobachtungen enthielt Angaben über das methodische Vorgehen, z.B. ob eine Kontrollgruppe vorgesehen war oder nicht.
• Ebenfalls nur die Hälfte zeigte einen Studienplan, aus dem hervorging, welche Effekte im Einzelnen beobachtet und protokolliert werden sollten. Von den vorgelegten Studienplänen waren überdies sehr viele nach Einschätzung der Wissenschaftler nicht oder nur sehr begrenzt geeignet. Unter dem Strich wiesen 85% der AWBs gar keinen oder keinen wissenschaftlich adäquaten Studienplan auf.

Gesundheitsforum 2007 - Pressemitteilung der TK schrieb:
In einer Pressemitteilung der TK Millionenaufwand und kaum Nutzen: TK-Institut WINEG fordert qualitativ hochwertige Praxis-Tests für Arzneimittel wird nicht nur der fragwürdige Erkenntnisgewinn durch Anwendungsbeobachtungen beklagt, sondern auch deren Problematik für die Kosten im Gesundheitssystem: "Diese so genannten Anwendungsbeobachtungen schlagen in Deutschland Jahr für Jahr mit 930 Millionen Euro zu Buche. Den Löwenanteil davon - mehr als zwei Drittel - tragen die gesetzlichen Krankenkassen, denn sie kommen für die Arzneimittel auf, die in den Studien verordnet werden. (...) Die neuen Medikamente, die in den Anwendungsbeobachtungen verordnet werden, sind im Durchschnitt fast zehnmal so teuer wie die Arzneien, die die Patienten zuvor zum Beispiel gegen ihren hohen Blutdruck oder ihr Asthma erhalten haben. Während eine durchschnittliche Verordnung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei rund 40 Euro liegt, stehen auf den Rezepten bei den Anwendungsbeobachtungen jeweils Medikamente für rund 370 Euro."

Nicht nur die Pharma-Firmen bezahlen AWBs, vor allem
auch die Krankenkassen. Quelle (falls noch vorhanden): hier. http://www.forum-gesundheitspolitik.de/artikel/artikel.pl?artikel=0600

Dazu die KV-Bayern:

Gesundheitsforum 2007 - KV-Bayern schrieb:
"Bei sorgfältiger Planung und Durchführung können Anwendungsbeobachtungen sicher zu neuen Erkenntnissen führen. Tatsächlich dienen aber nur maximal 20 Prozent aller Anwendungsbeobachtungen wissenschaftlichen Zwecken, wie eine Analyse der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ergab. Der überwiegende Teil der Anwendungsbeobachtungen ist ein reines Marketinginstrument der Pharmaindustrie und führt zu ungerechtfertigten Ausgabenzuwächsen innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung."

Schön beschrieben wird der AWB-Methode aber auch in diesem Artikel: Sternartikel 2007 - Die Scheinforscher http://www.stern.de/wirtschaft/news/maerkte/pharmaindustrie-die-schein-forscher-581173.html
Da heißt es:

Stern: Die Scheinforscher schrieb:
Das Problem ist, dass dafür vor allem die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen und die Medikamente, die in den AWBs verordnet werden, meist hochpreisige Präparate sind. Dazu kommt, dass die Patienten nach Beendigung der AWB das teure Präparat jahrelang weiter nehmen - für die Pharmafirmen also eine lange sprudelnde Geldquelle. Im Juni dieses Jahres erschien im angesehenen amerikanischen Ärzteblatt "JAMA" ein Aufsatz von Forschern der dänischen Universität in Odense. Sie hatten zehn Arztpraxen untersucht, die an AWBs teilnahmen, und sie verglichen mit 165 anderen Arztpraxen. Das Ergebnis: Die AWB-Ärzte verordneten noch nach zwei Jahren 26 Prozent mehr das entsprechende Medikament, für das sie Honorar von der Pharmafirma erhalten hatten.

Das sind alles Infos und Einschätzungen nicht von vor 10 Jahren, sondern
noch aus 2007! Hat sich an dieser Situation seitdem Grundsätzliches
geändert?

Grüsse, Syna.




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