Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] : Re: AG- Nachrichtensammlung, Band 45, Eintrag 5

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

Listenarchiv

Re: [AG-GOuFP] : Re: AG- Nachrichtensammlung, Band 45, Eintrag 5


Chronologisch Thread 
  • From: Jürgen <jack_r AT arcor.de>
  • To: Alexander Raiola <a.raiola AT bzv-fr.piratenpartei-bw.de>
  • Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] : Re: AG- Nachrichtensammlung, Band 45, Eintrag 5
  • Date: Tue, 22 Sep 2015 00:28:39 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Moin,


> vielen Dank für deinen umfassenden und konstruktiven Beitrag. Die
> formellen Probleme habe ich korrigiert (Landesverband -->
Gut, aber die Probleme sind grundlegender - nicht nur ein paar Begriffe

> Das mit den Problemen bei der GG-Konformität stimmt natürlich. Da muss
> ich noch drüber nachdenken. Ist das der Grund, warum ich im Wahlprogramm
> der PIRATEN auch keine Passage finde, in der steht, dass man das BGE
> erst mal im Kleinen regional ausprobieren könnte, um zu testen, ob es
> funktioniert? Oder würden wir PIRATEN so ein Vorhaben unterstützen, d.h.
> wir haben im Fall des BGE eine Antwort gefunden, wie man so einen
> finanziellen Vorteil GG-konform macht?
Beides. Einerseits bedingt ein *echtes sich finanzierendes BGE* tatsächlich
eine umfassende Steuerreform. Egal ob Konsumsteuer oder NIFT, beides ändert
das bestehende Steuersystem massiv. Gleichzeitig kommt für die BGE
Finanzierung
der geringere Teil aus dem Wegfall bestehender Sozialleistungen a la ALG II
oder BAFöG. Der wesentlich höhere Teil aus dem Wegfall der bisherigen
Grundfreibetrags/Progression. Deswegen braucht es Steuersouveränität. Für
einen Staat ist das der Fall für eine Region wie ein Landkreis nicht. Selbst
die Bundesregierung kann das nicht machen ohne gegen das die im Grundgesetz
vorgechriebene Gleichbehandlung der Bürger zu verstossen. Da gibt es keinen
Weg drum herum.
Andererseits gab und gibt es lokale Experimente wie MINCOME oder aktuell in
Utrecht (siehe Flaschenpost). Das geht aber immer eher in die Richtung
*Kombilohn* bzw. fokussiert auf Erwerbslose. Das gibt so zwar kein echtes BGE,
allerdings können solche Versuche Gegenargumente zu *dann geht doch keiner
mehr arbeiten* bzw. zu *Sanktionen sind notwendig* liefern (siehe MINCOME).
In die Richtung geht -wissenschaftlich geplant- auch der Ansatz aus Utrecht.
Hierzu gibt es auch eine Initiative des KV Saarlouis
http://piratenpartei-saarlouis.de/blog/2015/08/19/piraten-wollen-landkreis-saarlouis-als-t
+estregion-fuer-das-bedingungslose-grundeinkommen-bge-ausweisen/
(näheres im nächsten AG BGE Mumble, Mittwoch 23.09. ab 20:00).

> Zur Kranken- und Sozialversicherung:
> Ich bin davon ausgegangen, dass man die Beiträge immer direkt vom Lohn
> abgezogen bekommt und sonst nichts bezahlt. Wer im Urlaub Geld
> verkonsumiert, zahlt Mehrwertsteuer, aber ich verstehe nicht, an welcher
> Stelle implizite Sozialversicherungsbeiträge anfallen.
Naja, laut Antrag:
*andere Abgaben ersetzt,...oder Beiträge an staatliche Krankenkassen.*
Damit ersetzt der *Schwund* Sozialversicherungsbeiträge oder soll es können
=> im Schwund sind implizit KV Beiträge enthalten.

> Zur Progressivität:
> Es stimmt, dass die mit dem höchsten Gehalt nicht automatisch die
> meisten Steuern zahlen, wenn sie alles Geld verkonsumieren. Ich
Irgendeiner muss die Steuern zahlen und hierbei sind 2 Sachen zu beachten:
i) Das *soziokulturelle Existenzminimum* muss steuerfrei bleiben. Eine
Pseudosteuer wie der *Schwund* trifft aber jeden der am Stichtag das Geld
hält.
ii) Die *relative Steuerlast* muss mit der Leistungsfähigkeit (=Einkommen)
steigen. Deswegen ist eine reine flat-tax verfassungswidrig und das Modell
von Kirchhof (->Bierdeckelsteuer) sah letztlich mehrere Progressionsstufen
vor.

Das ist hier nicht gegeben. Im Prinzip ist hier der Ansatz, wer sein Geld
ausgibt zahlt auch keine Steuern. Somit könnte man argumentieren, dass
gerade Menschen mit niedrigem Einkommen ihr Geld ja ausgeben, bevor es an
Wert verliert. Das Problem ist nur: wer zahlt in dem System überhaupt Steuern?
(-> schwarzer Peter Problem). Wenn der Verfall kontinuierlich ist, haben wir
wieder Problem (i) und (ii). Ansonsten muss man sich um den Stichtag drücken.
Wer das schafft, zahlt keine Steuern. Das ist toll für den einzelnen und
blöd für den Staat, wenn das alle machen.
Nicht vergessen: historisch sind Banknoten als Derivat auf Sachvermögen
entstanden (->Wechsel). Deswegen steht auf britischen Banknoten noch immer
das Versprechen jedem der der Notenbank diese Banknote von 1 Pfund vorlegt,
ein Pfund zu geben. Ok, 1 Pfund gegen 1 Pfund ist etwas witzlos, aber darin
liegt eben die Entstehungsgeschichte. Das ist hier insofern wichtig als sich
das immer wieder wiederholen lässt. Jeder kann Wechsel begeben, die
handelbar sind. Aber die Mühe muss man sich gar nicht machen, da z.B. genug
Aktien zur Verfügung stehen. Diese können - Greshamsches Gesetz- die
umlaufgesicherte Währung bzgl. *Aufbewahrung* komplett verdrängen.
=> *Schwundgeld* besorgt man sich nur, wenn man es gerade braucht.
*Gehortet* werden Aktien, Wechsel, Grundstücke und alles andere, was dem
Schwund nicht unterliegt.


> bezweifle aber, dass dadurch eine soziale Schieflage entsteht, denn
> meiner Meinung nach entsteht die Schieflage durch das Horten von Geld,
> denn das trocknet den Markt aus. Wenn niemand mehr den anderen bezahlen
> kann, weil die Reichen ihr Geld nicht ausgeben, dann entsteht
> Arbeitslosigkeit, obwohl Arbeitskraft vorhanden ist. Gibt ein Reicher
Hier bin ich absolut anderer Meinung. Horten -im klassischen Fall- wäre eine
Liquiditätskrise, aber die haben wir nicht. Das *Geld* fliesst in Form von
Anlagen, Investments oder schlicht Guthaben auf Konten wieder in den
Finanzkreislauf. Was heutzutage auch passiert - Liquidität ist kein Problem.
Das Problem ist eher Liquidität, die nicht weiss, wo sie hin soll. Die EZB
sorgt mit ihrem quantitive easing für mehr Liquidität. Trotzdem zieht die
*Realwirtschaft* nicht wirklich an. Warum? Nach der typischen Lehre sollten
jetzt, wo Geld billig ist, die Investitionen nur so explodieren. Passiert
aber nicht.
Das eigentliche Grundproblem ist meiner Meinung nach ein komplett anderes:
*Sättigung*, d.h. die Produktion liegt über dem Bedarf. Das ist aber nach
den Glaubenssätzen der BWL nicht möglich, denn es steht im Widerspruch zur
Grundgleichung des freien Marktes. In Folge stimmt die reale Welt und die
Modellwelt der Wirtschaftwissenschaften nicht mehr überein. Massnahmen, die
aus der Modellwelt abgeleitet werden, haben real völlig andere Wirkung.
Das krieg ich jetzt nicht mehr sinnvoll begründet (wird zu lang).

> Zum Chiemgauer:
> Dass im Vergleich zum Chiemgauer nichts neu ist außer dem Ersetzen der
> regulären Steuern, soll mir recht sein. Ich habe mich nicht im Detail
Mein Punkt hier ist: wenn nur die Steuer neu ist. Dies aber aus rechtlichen
Gründen (->Grundgesetz) nicht realisiert werden kann, dann ist der Antrag
nicht sinnvoll.

> mit ihm befasst, also kann ich dazu keine Aussage machen, aber mir geht
> es ja eh nur um diesen einen Punkt mit den Steuern. Ein Fließgeldsystem,
> das zusätzlich unseren Steuern unterliegt, ist definitiv zum Scheitern
> verurteilt. Aber können Kommunen wirklich durch die von dir beschriebene
> Trickserei Fließgeldsysteme einführen? Laut GG §105.2 liegt die
> Steuerhoheit bei Bund und Ländern.
> http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_105.html
Korrekt, aber für einige *Steuern* können die Kommunen die Steuersätze
festlegen (typisch: Gewerbesteuer) und sie können *Abgaben* (benötigen eine
Leistung) erheben oder es auch sein lassen.
Allerdings gilt auch hier: Gleichheitsgrundsatz, d.h. man kann keine Person
bevorzugen. Gleichzeitig kann man niemand zum *Fliessgeld* zwingen, da Euro
das gesetzliche Zahlungsmittel ist und somit in Geschäften angenommen werden
muss -> ein Einwohner, der nur Euro nutzt, ist nicht vom *Schwund* betroffen,
aber die Vorteile (ob Hundesteuer oder sonst was) hat er dennoch!


bye
Jürgen




Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang