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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - [AG-GOuFP] EZB als Saldendokumentierer?

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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[AG-GOuFP] EZB als Saldendokumentierer?


Chronologisch Thread 

Hallo zusammen.

Auf unserer Testplattform discutio.io ist ein interessanter Dialog
entstanden, den ich hier einfach mal spiegele.


35
Das eigentliche Problem der Währungsunion wird gar nicht angesprochen.
Dieser Vorschlag löst gar nichts.


> citoyen
> Der Einwurf ist richtig. Es ist aber falsch die Eurozone als
> 'Währungsunion' zu bezeichnen. Hierfür fehlt ein *gemeinsamer*
> Clearing/Settlement-Mechanismus.
>
> Die Eurozone kann am Besten dadurch gekennzeichnet werden, dass die
> Euro-Länder durch ihren Beitritt ihre Währungshoheit und damit die
> Option zur Auf/Abwertung aufgegeben haben. Mit der einmaligen Festlegung
> des alten Wechselkurses in die 'Fremdwährung' Euro, wickeln Sie ihre
> Geschäfte zwar formal in der selben Recheneinheit ab, verschleiern aber
> die strukturellen realwirtschaftlichen Unterschiede zwischen den
> einzelnen Volkswirtschaften der Eurozone. Das eröffnet Spielraum für
> Währungsspekulation.
>
>
> Martin Stolze
> Interessant, eventuell kann man auch den Vergleich Panama -> USA ziehen,
> Dollerization ist ähnlich. Hierbei ist die Währungshoheit wirklich aufgeben.
> Bei der Eurozone ist es allerdings eher so dass die Mitglieder sehr wohl
> Einfluss haben. Sie haben "Optionen", und sind offiziell in der EZB
> vertreten!
> Die Optionen sind vielmehr durch die "strukturellen
> realwirtschaftlichen" Möglichkeiten begrenzt.
>
>
> citoyen
> Mit Dollarization nennst du das richtige Stichwort, es handelt sich
> dabei strukturell um dasselbe Phänomen. Nur dass auf globaler Ebene der
> internationale Handel statt in € in $ abgewickelt wird.
>
> Politisch mögen die einzelnen Länder zwar sehr wohl Einfluss in der
> Eurozone haben, die währungspolitisch entscheidende Option zur
> Auf/Abwertung haben Sie jedoch nicht mehr.
>
> Innerhalb der Eurozone könnte dieser Mangel recht schnell behoben
> werden, die institutionalen Voraussetzungen sind vorhanden. Dies würde
> allerdings eine Änderung bestehender Verträge erfordern in Widerspruch
> zu Prinzip 3.2,
>
>
> Martin Stolze
> Ich glaube zu verstehen was du meinst. Uns fehlt allerdings der Konsens
> bezüglich der "Option zur Auf/Abwertung".
> Meiner Auffassung nach existiert diese Option nicht. Es gibt nur keinen
> freien Markt der währungspolitische Entscheidungen sanktioniert
> (Ausnahme: Ecuador, Zimbabwe, etc.).
> Würden Währungen stärker miteinander konkurrieren würde der Wettbewerb
> ineffektive Regierungen automatisch beseitigen.
> - Alas, ... anderes Thema.
>
>
> citoyen
> Ups sorry, mein letzter Satz war tatsächlich missverständlich. Natürlich
> kann die Option zur Aufwertung in einer Währungsunion nicht mehr
> hergestellt werden. Gleichwohl eröffnet sich aber eine Möglichkeit einen
> gleichwertigen Ersatz zur Verfügung zu stellen.
>
> Im 'Blue Book' [1], einer Art Handbuch für das Abwickeln des Euro
> Zahlungsverkehrs, müsste das aktuelle bilaterale TARGET-System lediglich
> multilateral verfasst werden. Die dezentrale Verrechnung zwischen den
> nationalen Notenbanken wird bei der EZB zusammengefasst.
>
> Konkret heisst das: notorische 'Güterimportdefizitsünder' müssten ihre
> Exportüberschüsse bei der EZB registrieren und mit *eigenem*
> Zentralbankgeld hinterlegen. Im Zeitalter gesetzlich verordneter
> Schuldenbremsen, dürfte allerdings so mancher Finanzminister ins
> Schwitzen kommen.
>
> Gesamtwirtschaftlich ist es aber für alle Beteiligte eine
> Win-Win-Situation: Exportüberschüsse werden abgebaut, wenn Inländer
> entweder mehr Importe verkonsumieren oder im Ausland mehr Einkommen
> verausgaben.
>
> [1] European Central Bank (2007) Blue Book, Vol. I Payments and
> Securities Settlement Systems in the European Union, Frankfurt am Main:
> European Central Bank.
> <http://www.ecb.europa.eu/paym/intro/book/html/index.en.html>
>
>
> Martin Stolze
> Hier fehlt mir die Expertise. Nur so viel, TARGET2 befasst sich mit der
> Abwickeln des Euro Zahlungsverkehrs. Hierbei geht es um Interbankenhandel.
> Der "Souverän" mit seinem Haushalt spielt zunächst keine Rolle. Banken
> haben quasi ein Konto bei der EZB das es erleichterte Transfers
> durchzuführen. Zudem ist "Zentralbankgeld" in unendlicher Menge
> vorhanden, lediglich die darunterliegenden Sicherheiten sind endlich.
> Mir ist nicht klar wie die Nationale Bilanz durch registrieren von
> Exportüberschüssen berührt wird.
> Mir scheint es dass du synthetische Lokale Währungen einführen möchtest.
> Jedoch würde das im weitern auch Kapitalkontrollen erfordern.
>
>
> citoyen
> unendlich viel Zentralbankgeld? get real!
> Schauen wir uns die Abwicklung eines Exportgeschäftes unter
> multilateralem Settlement genauer an:
> Der Exporteur hat seine Waren ins Ausland geliefert und wartet auf die
> Zahlung. Diese betritt den Euroraum in dem der Betrag auf das Konto des
> Exportlandes gutgeschrieben wird. Die 'Schulden' werden an das nationale
> Bankensystem des Exportlandes durchgereicht. Es verbleibt also eine
> Forderung der nationalen Notenbank gegenüber der EZB, dokumentiert durch
> den Guthabensaldo. Wenn der Vorgang komplett durchgebucht ist, wird der
> Erlös dem Konto des Exporteurs gutgeschrieben. Der Exporteur ist damit
> glattgestellt, die 'Schulden' aus dem Geschäft verbleiben jedoch im
> nationalen Bankensystem und müssen ihre Deckung durch nationale Reserven
> (Zentralbankgeld oder Staatsschuldverschreibungen) finden.
> Diese Vorgehensweise ist dadurch gerechtfertigt, dass das Exportland
> durch den Abfluss erwirtschafteten Outputs einen realen Verlust erlitten
> hat (Die Exportgüter sind weg!). Die Dokumentation dieser 'Importschuld'
> im nationalen Bankensystem ist die notwendige Konsequenz.
> Eine endgültige Glattstellung auch auf nationaler Ebene findet erst dann
> statt, wenn Güter aus dem Ausland importiert werden oder inländisches
> Einkommen im Ausland verkonsumiert wird. Bleibt zu erwähnen, dass durch
> die Einbeziehung der EZB als reine Clearing-Instanz eine Spekulation
> gegen den Euro auf Dauer verunmöglicht wird.
>
> Das dämliche Geseiere vom 'Exportweltmeister' ist volkswirtschaftlich
> völlig irrelevant und stellt imho nur einen Euphemismus von ähnlicher
> Qualität dar, eine ejaculatio praecox mit 'Schon wieder Erster!' zu
> umschreiben.

Wer hier schon länger mitliest, wird feststellen, dass meine
Ausführungen konzeptionell ähnlich zu Axels Target3 Vorschlag sind.
Institutionell entsprechen die nationalen Notenbanken den
Geschäftsbanken in Axels Vorschlag. Exportüberschüsse/defizite werden
bei der EZB als übergeordnete Instanz solange dokumentiert, bis sie
durch entsprechende Importüberschüsse/defizite endgültig finalisiert
sind. Das 'Währungsrisiko' eines Exportüberschusslandes der noch nicht
beglichenen Forderung wird nicht mehr vergemeinschaftet sondern bleibt
in seinem nationalen Bankensystem registriert.

Ein weiterer wesentlicher Unterschied zu Axels Vorschlag liegt darin,
dass in einem Eurosystem mit multilateralem Settlement der Euro nach
aussen hin als einheitliche, homogene Währung wahrgenommen wird. Es gibt
für mächtige Finanzmarktakteure keine Angriffsfläche mehr, gegen ganze
Volkswirtschaften zu spekulieren.

citoyen




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