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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Gerhard <listmember AT rinnberger.de>
- To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: [AG-GOuFP] Anmerkungen zu e-Bonds in Varoufakis 'Modest proposal'
- Date: Fri, 19 Jun 2015 11:30:06 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
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Hallo zusammen,
zur Kenntnisnahme auch hier auf der Liste eine Kopie des Threads auf
discutio.io:
011
Die EZB gibt dann ihrerseits langfristige e-Bonds aus (die
ausschließlich auf die EZB lauten, also ohne dass ein Mitgliedstaat
dafür bürgt oder zahlen muss) siehe 1.2. Wenn man bedenkt, dass die
problematischen e-Bonds des EFSF im Dezember besonders niedrig verzinst
wurden, dann werden die e-Bonds der EZB zu ähnlich niedrigen Zinsen wie
die deutschen Staatsanleihen rentieren. Mitgliedstaaten werden also
gegenüber der EZB verschuldet sein, aber die Staatsschulden werden
amortisiert und jährlich bezahlt werden und langfristig auf das niedrige
Zinsniveau der e-Bonds der EZB sinken – siehe 1.3.
>
> Martin Stolze
>
> "[...] (die ausschließlich auf die EZB lauten, also ohne dass ein
> Mitgliedstaat dafür bürgt oder zahlen muss)"
>
> Wer ist Schuldner/Gläubiger? Nationale Zentralbanken sind Shareholder der
> EZB. Pari passau, "Mitgliedsstaat" muss bürgen/haften.
>
>
> citoyen
>
> Nein, das stimmt so nicht und entspringt der naiven Vorstellung einer
> Tauschökonomie. Am Besten stellt
> man sich die e-Bonds als Bürgschaften vor. Bei der Emission dieser Bonds
> werden sie via nationale
> Notenbanken und Geschaftsbanken an das Publikum durchgereicht. Im Endeffekt
> werden also nationale
> Schuldverschreibungen, die durchaus unterschiedliche Risikerwartungen haben
> können durch homogene
> e-Bonds mit einheitlichem Risiko substituiert. Die Bürgschaften auf
> nationaler Ebene werden also
> lediglich bei der EZB zusammengefasst. Im Endeffekt resultieren daraus
> Forderungen der nationalen
> Notenbanken ggü der EZB.
>
>
> Martin Stolze
>
> http://europa.eu/legislation_summaries/economic_and_monetary_affairs/institutional_and_economic_framework/o10001_de.htm
>
> Sorry, dem kann ich leider nicht folgen.
> Wer ist Bürge?
> C: "[…]Bürgschaften […] werden via nationale Notenbanken und
> Geschaftsbanken an das Publikum durchgereicht"
> -> Staatesbudget = Differenz aus Nettosteueraufkommen und Staatsausgaben
> (ex current account)
> -> Haushaltsdefizit = Nettosteueraufkommen kleiner als die Staatsausgaben
> => Deficit spending
>
> C: "Im Endeffekt resultieren daraus Forderungen der nationalen Notenbanken
> ggü der EZB."
>
> -> O-TON: "EZB besitzt Rechtspersönlichkeit und genießt vollständige
> Unabhängigkeit gegenüber den EU-Organen und den Mitgliedstaaten"
> -> Dem Eurosystem gehören neben der EZB die nationalen Zentralbanken der
> Länder an, die dem Euro-Währungsraum beigetreten sind.
>
> -> Wer haftet für "nationale Notenbank"? -> die Bundesbank ist eine
> Bundesanstalt (allerdings ist Bund von der Haftung ausgeschlossen!)
> -> Klar :) ... weil Währungsreserven dann einfach niedriger bewertet werden
> um Verluste auszugleichen
> -> Damit haften jene die diese Währung halten oder Sicherheiten in ihr
> denominiert haben (John Doe)
> => Gläubiger von Staat (Halter von Staat-Bond) wird zu Gläubiger von EZB
> (Halter von e-Bond)
> => Die EZB übernimmt damit das Risiko bzw. überträgt es auf die nationalen
> Zentralbanken der Länder
> => Das Argument das damit das Risiko für einen Kreditausfall geringer wird
> ist richtig
> => Es ist ebenfalls richtig das damit (kurz-/mittelfristig) deficit
> spending einfacher wird
> => Faktisch ist dies jedoch eine Fiskalunion, zwar gibt es viele Klauseln
> die die direkte Haftung ausschließen, jedoch sind diese genauso belanglos
> wie der Umstand das es kein Gesetz zur Bankenrettung gab und diese trotzdem
> gerettet wurden. Der Markt weiss das!
>
> Persönlich sehe ich collaterlization und Fiskalunion als einzig gangbaren
> Weg für EUR-Menschen,
> jedoch bin ich argwöhnisch wenn John Doe das ganze so kompliziert
> (Varoufakis) oder falsch (Du)
> verkauft wird das er es nicht versteht.
>
>
> citoyen
>
> Bürge ist die EZB. Sie tritt damit ihre 'Lender of Last Resort'-Funktion
> an. Der Haftungsfall
> wird jedoch *nie* eintreten. Es ist von daher auch völlig unsinnig zu
> behaupten, der Halter eines
> Bonds/Schuldverschreibung hafte dafür: Bei Fälligkeit des Bonds steht der
> Halter vor der Wahl,
> gegen einen neuen Bond gleicher Fristigkeit zu tauschen oder gegen einen
> von unterschiedlicher Laufzeit.
>
> Als Beispiel für den ersten Fall: Du hältst einen 3-jahrigen Bond, der zum
> 1. Juni 2015 ausläuft.
> Zum Fälligkeitstermin wird dieser gegen ein Bond in gleicher Höhe mit
> Ablauf 1. Juni 2018 getauscht.
> Das Spielchen kann bis zum St. Nimmerleinstag weitergetrieben werden. Im
> zweiten Fall läuft es im
> Prinzip genauso ab, nur wird diese Entscheidung gegebenenfalls
> Zahlungs-Transaktionen innerhalb des
> Bankensektors induzieren (Stichwort: Fristentransformation). Als Sonderfall
> wären vielleicht noch
> Bonds mit einer Fristigkeit von 0 (aka Banknoten) zu erwähnen. Hier wird
> das Bonddepot aufgelöst
> und auf das Girokonto des Bondhalters übertragen. Von da aus erfolgt die
> Barauszahlung am Schalter
> bzw Geldautomat.
>
> Mit 'Deficit Spending' hat das überhaupt nichts zu tun. Darunter versteht
> man die Aufnahme von
> Finanzmitteln durch öffentliche Haushalte, um damit *real*wirtschaftliche
> Investitionen (häufig
> Investitionen in Infrastruktur) zu anzuregen. Auch Subventions-Programme,
> wie etwa die
> 'Abwrackprämie' von 2009 fallen darunter.
>
> Auch ist der Begriff Fiskalunion in diesem Zusammenhang völlig fehl am
> Platz. Im 'Modest Proposal'
> werden im weitesten Sinne *monetäre* Maßnahmen diskutiert. Eine Fiskalunion
> strebt dagegen eine
> einheitliche Steuergesetzgebung in den beteiligten Ländern an. Davon sind
> wir aber in Europa noch
> meilenweit entfernt, schliesslich sind mit einem Eingriff in die
> Steuerhoheit essentielle souveräne
> Rechte betroffen.
>
> Von den orthodoxen Vertretern einer strikten Geldneutralität werden
> Staatsschuldverschreibungen
> mit der Begründung abgelehnt, sie seien eine heimliche Staatsfinanzierung.
> Dies ist insoweit
> nachvollziehbar, als zur Finanzierung fiskalpolitischer Maßnahmen (deficit
> spending) in der Regel
> Schuldverschreibungen oder vergleichbare Instrumente aufgelegt werden. Im
> Rahmen des 'Modest
> Proposal' sind solche Maßnahmen jedoch strikt getrennt, und werden auch
> institutionell bei der
> EIB angesiedelt. Eine Verletzung der Geldneutralität liegt eher im
> bestehenden dezentralen,
> bilateralen Settlement-Mechanismus zwischen den nationalen Notenbanken vor,
> wie ich unter #035
> ausgeführt habe.
>
> Dass man in einem komplexen makroökonomischen Problemfeld, wie es sich im
> Zusammenhang mit der
> Eurozone darstellt, schnell mal den Überblick verliert ist durchaus
> verständlich. Einen Beitrag
> hierzu verantworten auch die Mainstreamtheorien, die es bis heute nicht
> geschafft haben, einen
> konsistenten Geldbegriff zu definieren.
>
> Eine Anmerkung zu deinem Argumentationsstil: Es gehört schon eine gehörige
> Portion Frechheit dazu,
> sein Unwissen zu dokumentieren, mit gesundem Halbwissen loszuspekulieren um
> dann dem Gegenüber
> eine falsche Argumentation vorzuwerfen. Ich hoffe mit meinen Anmerkungen
> zur sachlichen Analyse
> beigetragen zu haben, damit ökonomische Phänomene nicht mehr nur aus der
> esoterischen Sphäre
> (der allmächtige Markt weiss alles!) betrachtet werden, sondern auf Basis
> einer soliden Fundierung.
>
>
> Martin Stolze
>
> "e-Bonds" = Bond + CDS?
> Die faszinieren mich schon lange. Es scheint mir jedoch ähnlich einem
> Perpetum Mobile, da ich mir
> nicht vorstellen kann das eine Couterparty existiert die diese Volumen
> versichern kann.
>
>
> citoyen
>
> jein. Man könnte tatsächlich meinen, ein Perpetum Mobile vor sich zu haben.
> Das ist aber auch in
> der Finanzwelt wie in der physikalischen Welt nicht möglich. Das Geheimnis
> ist der Faktor Zeit.
> Im Grunde laufen alle 'innovativen Finanzprodukte' nach folgendem Schema
> ab: Zahlung heute eine
> Summe X, Rückzahlung dieses Betrages +∆X in der Zukunft. Das ∆X ist dabei
> eine Mischung aus
> irrationaler, individueller Erwartung und allgemeiner Erwartung nach ewigen
> Wachstum. Die Gestaltung
> dieser 'Produkte' wird von den Banken so vorgenommen, dass die diesen
> Forderungen zugrundeliegenden
> realwirtschaftlichen Risiken verschleiert. Ausgestattet mit einem 1a Rating
> einer Agentur lassen
> sich diese 'Produkte' prima als risikolose Anlagemöglichkeiten verhökern.
>
> Im Laufe der Zeit stellt sich jedoch bisweilen raus, dass aufgrund der
> realwirtschftlichen
> Entwicklung ein positives ∆X niemals realisiert werden kann, wodurch die
> Emittenten, also die
> Banken, in Schieflage geraten und überschuldet werden. Aber anstatt das
> Richtige zu tun, nämlich
> derartige Geschafte zu finalisieren und die verursachenden Emittenden
> abzuwickeln, entschieden
> sich praktisch alle Regierungen in den letzten 30 Jahren dazu, die
> Bürgschaften aufzustocken
> (= Erhöhung der Staatsschulden). Wohlgemerkt: Die Emission von Bonds durch
> den Staat markiert das
> Ende einer Entwicklung und ist nicht Ursache! Die eigentliche Ursache, eine
> massive
> Überkapitalisierung der Weltwirtschaft wird dadurch nicht beseitigt,
> sondern lediglich in die
> Zukunft verschoben. Das Spielchen kann munter weiter gehen, jedoch erringen
> die Halter der
> Guthaben dadurch mehr Macht.
- [AG-GOuFP] Anmerkungen zu e-Bonds in Varoufakis 'Modest proposal', Gerhard, 19.06.2015
- Re: [AG-GOuFP] Anmerkungen zu e-Bonds in Varoufakis 'Modest proposal', Axel Grimm, 19.06.2015
- Re: [AG-GOuFP] Anmerkungen zu e-Bonds in Varoufakis 'Modest proposal', Gerhard, 20.06.2015
- Re: [AG-GOuFP] Anmerkungen zu e-Bonds in Varoufakis 'Modest proposal', Axel Grimm, 19.06.2015
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