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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Warum wir langfristig ein Haushaltsdefizit brauchen

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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Warum wir langfristig ein Haushaltsdefizit brauchen


Chronologisch Thread 


nha schrieb:
Hallo Christian,

Christian Seiler schrieb:
Tut mir LEid, ich kanns nciht anders sagen als was für eine Augenwischerei.

1. Keynes hat von einer Vershculdung in der Krise gesprochen und von einem
Abbau der Verschuldung in guten Zeiten!
Ja, Keynes war halt in manchen Dingen auch nicht der Weiseste.
Vielleicht hat er ja geglaubt, man könne eine Situation von
Nullwachstum und Nullinflation erreichen.

und warum schreibst du dann in deinem Blog es so, als hätte Keynes etwas anderes gesagt?

2. Wie kommst du immer auf deine abstrusen Zahlen?
Welche Zahlen findest du konkret abstrus? Es ist eine
Beispielrechnung, von daher sind die Zahlen ausgedacht, aber wie ich
meine durchaus nicht zu weit von realen Fällen entfernt. 80%
debt-to-GDP ist durchaus typisch, genauso wie 1,8% Inflation und so
weiter.
Auf die Rechnung an sich geh ich jetzt noch nicht ein, dazu werd ich dir auch keinen Gefallen tun, weil ich gleich wieder weg muss. Ich werds dieses Wochenende versuchen näher darauf einzugehen, vielleicht bis Sonntag.

3. Staatsverschuldung ist eine exogene Handlung des Gesetzgebers, kein Zwang
durch den Sparer! Der Sparer kann viele Instrumente wählen, u.a. die
Staatsanleihe
Da hast du halt leider einfach Unrecht. Das Haushaltsdefizit ist nicht
rein exogen, sondern zum sehr großen Teil endogen. Was meinst du denn,
warum in der Rezession das Haushaltsdefizit steigt? Das liegt doch
nicht daran, dass die Politiker dann auf einmal beschließen, große
Partys zu feiern. Nein, das Steueraufkommen geht zurück und die
Sozialabgaben steigen, beides sind endogene Effekte, die *natürlich*
auf Sparentscheidungen (und Nicht-Kreditaufnahme-Entscheidungen) des
privaten Sektors basieren.

Halt! Natürlich ist die Staatsverschuldung im Jetzt hauptsächlich durch Steuereinkommen und durch die Sozialausgaben abhängig von der Produktion/Arbeitslosigkeit.
ABER: der Staat bestimmt die Art der Abhängigkeit, der Staat bestimmt die Höhe der Abhängigkeit, der Staat bestimmt ferner welche Ausgaben abseits der Sozialausgaben getätigt werden, der Staat bestimmt auch die Art der Sozialabgaben. Der Staat bestimmt auch die Steuereinnahmen, vorrausgesetzt es gibt Leute die Rechnen können im Finanzministerium.

Einfaches Beispiel: ein Staat kann einfach das jetzige Steuersystem abschaffen und eine Poll Tax einführen. Der Staat kann auch einfach das jetzige Sozialsystem abschaffen und ein BGE einführen.
Das ist eine exogene Handlung - das hat mit Sparern rein gaaaar nichts zu tun.

Man könnte das jetzige System in etwa so beschreiben:
Der Staat setzt exogen eine Funktion fest, nach der er Staatsausgaben tätigt
G Staatsausgaben, Ê = Fix expenditures (Z.B. Grundlegende immer zu tätigende Ausgaben) E = Expenditures in abhängigkeit der Steuern (Ausgaben die er sich in Abhängigkeit der Budgetlage leistet), S = Sozialabgaben, T= Steuern
G(Y)= Ê + E (T) + S (Y)

Dann werden sich die Größen in Abhängigkeit der Variablen verändern. Dann kann der Staat diese noch als Zufallsvariablen mit gewissem Erwartungswert schreiben, falls man die Breiten eingrenzen will in denen sich die Ausgaben variieren.

Warum ist I nicht gleich S im Moment? Das ist ganz einfach.
1. wir haben ein Ausland.
2. der Staat will Geld haben zusätzlich zu den Steuergeldern und nimmt
dieses als Schulden auf. Weil er Geld haben will, muss (!) er gleich
attraktive Konditionen bieten wie andere Produkte des Finanzmarktes u.d.A.
der Finanzmarkteffizienz.
Ja, unter Annahmen kann man viel schlussfolgern. Schon mal was von der
"Zero Lower Bound" gehört? Selbst die orthodoxesten Ökonomen geben zu,
dass an der Theorie im Extremfall einfach etwas nicht stimmt. Je
heterodoxere Stimmen man wahrnimmt, umso mehr realisiert man, dass an
der Theorie auch im Normalfall etwas nicht stimmt.

Ich weiß schon, du bist ein großer Fan von orthodoxer VWL. Ich habe
solche Diskussionen schon X-mal geführt.

Diese Annahme ist auch ohne Finanzmarkteffizienz möglich. Tatsächlich habe ich neulich einen Artikel über einer Art repressiver Einschränkung durch den Staat, eine Kanalisierung auf Staatsanleihen gelesen - Z.B. in den USA damals als Gold nicht mehr handelbar war, und mildere Formen.
Aber: nimmt man diese möglicherweise vorhandene Repression mit auf,
so muss die Teilnahmebedingung erfüllt sein:
Nutzen einer Staatsanleihe miteinberechnet deren Ausfallrisiko müssen mindestens genauso hoch sein wie andere Finanzmittel inklusive deren Ausfallrisiken. Wie genau die Nutzenfunktion aussieht, darüber könnte man Aufsätze schreiben. Abstrakt gedacht ist dies jedoch offensichtlich. Wer insgesamt (! alles erdenkliche mitenthalten inklusive erotischer Gefühle zu Staatsanleihen !) weniger von einer Staatsanleihe hat als von einer Aktie wird die Aktie kaufen.

Ich möchte auch einen meiner Lieblingabsätze von von Mises zitieren:
"This point of view is sometimes called the "orthodox" because it is related to the doctrines of the Classical economists who are Great Britain's imperishable glory; and it is contrasted with the "modern" point of view, which is expressed in doctrines that correspond to the ideas of the Mercantilists of the sixteenth and seventeenth centuries. I cannot believe that there is really anything to be ashamed of in orthodoxy. *The important thing is not whether a doctrine is orthodox or the latest fashion, but whether it is true or false*." (Ludwig von Mises 1934, Vienna)

Ferner müsstest du dich bei deinen Ideen einfach mal Fragen, warum denn,
wenn Staatsverschuldung und Inflation sich derart positiv auswirken, es
nicht jetzt shcon eine Verschuldung gibt die im Limes gegen unendlich
tendieren?
Das tut sie doch. Lim t->\infty Staatsverschuldung(t) = \infty. Bei
langsamer aber stetiger Inflation ist das der Fall. Na und?

Mach doch nicht den Anfängerfehler, dass du exponentielles Wachstum
mit einer Singularität verwechselst. Die Exponentialfunktion hat keine
Singularitäten.

Faktisch falsch. Es handelt sich in diesem Falle nicht um expenonentielles Wachstum, sondern um ein exponentielles Wachstum des Wachstums, ein sich selbst verstärkendes Wachstum. Nur mit einem akzelerierenden Wachstum der Inflation, kann mit Geldpolitik eine Vollbeschäftigung bei adaptiven Erwartungen (das wurde empirisch mehrfach nachgewiesen, dass Menschen wahrscheinlich adaptive Inflationserwartungen haben) erbrahct werden:Friedmansche Phillips-kurve

Zu deinen Inflationsansichten möchte ich noch gesagt haben dass es etliche
(!) empirische Studien gibt die langfristig eine Korrelation von 0.92-0.96
zwischen Geldmengenveränderung und Inflation anzeigen.
So what? Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass die Kausalität in
Wirklichkeit anders herum laufen könnte? Also: Preissteigerungen
führen dazu, dass Unternehmen höhere Kredite für ihre Produktion
aufnehmen, und dadurch steigt die Geldmenge? Das ist mit Korrelation
perfekt kompatibel.

Da wir hier von einer nahezu perfekten Korrelation aus Inflation und Geldmengenänderung reden, spielt es keine Rolle in welche Richtung das geht, das ergebnis ist gleich. Damit ist nicht gesagt, dass deine Behauptung die ganze Wirtschaft auf den Kopf stellt. So etwas unsinniges wie Preissteigerungen ohne jeglichen inhärenten Grund...
Zudem gibt es genug Paper die *keine* langfristige Korrelation zwischen Geldmengenänderung und Output feststellen können




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