ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Nicolai Haehnle <nhaehnle AT gmail.com>
- To: Georg Cosmic Nägle <cosmic AT poetryclub.de>
- Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai)
- Date: Thu, 5 Apr 2012 18:04:51 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
On Thu, Apr 5, 2012 at 11:27 AM, Georg Cosmic Nägle
<cosmic AT poetryclub.de> wrote:
> Also, verehrter Nicolai - und andere Personen, die sich hier schon gemeldet
> haben. Wenn Sie wollen, dass ich mit Ihnen diskutiere, bitte ich darum, bei
> Sacherörterungen zu bleiben und sich persönlicher Urteile zu enthalten. Ich
> tue das umgekehrt ja auch.
Ich bitte um Entschuldigung.
> Zu Ihrer Feststellung, dass in einem Vollgeldsystem die Banken stets
> genügend Geld vorhalten müssen und damit zusammenhängend die Frage, wie die
> Geldmengensteuerung funktioniert, damit jederzeit genügend Geld da ist.
>
> Das würde bei den Banken genauso funktionieren wie heute mit dem Bargeld,
> nur in einem etwa fünffachen Volumen davon (20% ba, 80% unbar). Das Bargeld
> muss heute ja auch ziemlich bedarfsgenau bzw nachfragegenau bevorratet
> werden. Da sich Bedarf bzw Nachfrage in aller Regel stabil entwickeln, ist
> das für keine Bank jemals zu einem Problem geworden (außer natürlich bei
> Krise und Bankrun). Im Normalfall aber ist das Geld der Erwartung gemäß
> vorrätig, und sollte etwas zu wenig Geld da sein, wird das Defizit
> übernacht am Geldmarkt ausgeglichen, bzw kleinere Geldüberschüsse werden
> über den Geldmarkt ausgeliehen. Auch Überziehungskredite werden so
> weiterhin darstellbar sein. Kredite generell, bitte ich Sie zu bedenken,
> sind keine erratischen spontanen Prozesse, sondern die Volumina wachsen
> oder schrumpfen relativ stetig in einem generellen Trend, und jede
> Kreditvergabe bei Banken beinhaltet einen gewissen Antrags-, Bewilligungs-
> und Planungsprozess - der zum Beispiel auch beinhaltet, die Finanzierung
> von größeren und Großkrediten überhaupt erst zu organisieren.
Der Vergleich zwischen bei Banken vorrätigem Vollgeld und Bargeld ist
m.E. nicht korrekt, da Bargeld jederzeit von der Zentralbank
nachgefordert werden kann. Wenn es zu ungewöhnlich hoher Nachfrage
nach Bargeld kommt (z.B. während der Finanzkrise), dann muss die Bank
einfach nur den höheren Bedarf bei der Zentralbank melden, und er wird
erfüllt - auch zu Krisenzeiten.
Natürlich ist theoretisch denkbar, dass der Bedarf so stark ansteigt,
dass die Druckerei nicht mehr hinterher kommt, aber das ist dann
lediglich ein technisches Problem. Die historischen Bankruns waren ja
nicht deshalb ein Problem, weil die Druckereien überfordert waren,
sondern weil die Banken keinen Weg hatten, um an neues Bargeld zu
kommen, weil es noch keine Zentralbank als Lender of Last Resort gab.
Das Vollgeld verhält sich dagegen wie das Bargeld vor den Zeiten einer
Zentralbank als Lender of Last Resort. Vollgeld kann die Bank nur dann
erhalten, wenn sich willige Sparer finden, die Bankanleihen zeichnen
oder Festgeldkonten eröffnen. Und natürlich ist es nur eine Frage der
Zeit, bis dies bei einer Bank nicht gegeben ist - und dann fangen die
Bank Runs wieder an.
Ich sehe hier eine klare Dichotomie: *entweder* es gibt eine
Zentralbank, die als Lender of Last Resort agiert und damit die
Kontrolle über die Geldmenge aufgibt; *oder* es gibt Vollgeld über
dessen Geldmenge die Zentralbank volle Kontrolle ausüben kann, aber
diese Kontrolle wird damit bezahlt, dass Bank Runs möglich sind.
> Was die Geldmengensteuerung angeht, und Ihre Annahme, das heutige System
> habe schon seinen guten Grund, das nicht zu praktizieren, möchte ich
> zunächst folgendes feststellen, und das sehr nachdrücklich: Die
> Geldmengensteuerung wird im heutigen Giralgeldsystem fe facto
> ausschließlich von den Banken bewerkstelligt. Sie geben oder verweigern so
> viel Geld wie es ihnen gut dünkt, wobei die Refinanzierung mit Reserven
> unmittelbar und ohne jede Einschränkung der Nachfrage der Banken nach
> Reserven folgt. Im Ergebnis funktioniert eben diese bankendeterminierte
> Marktregelung nicht (und deshalb gibt es auch auf den Finanzmärkten viel
> öfter große volatile Ungleichgewichte als vielleicht auch einmal ein
> transitorisches Gleichgewicht). Die wiederkehrende gigantische
> Übersteuerung der Geldmengen in Boom- und Haussezeiten, und die darauf
> folgende Geld- und Vermögensvernichtung in Krisen- und Baissezeiten ist ein
> krasser Fall von fortgesetztem Marktversagen. Schlechter könnte es eine
> Zentralbank als Monetative kaum machen.
>
> Sie wird es faktisch besser machen können. Der geldpolitische Ansatz der
> potenzialorientierten Geldmengenausweitung und Feinsteuerung (Ausweitung
> der Geldmenge ungefähr im Gleichschritt mit der mittel- und langfristigen
> gesamtwirtschaftlichen Entwicklung) ist seit Jahrzehnten gut ausgearbeitet,
> die Indikatoren und Geldmarktinstrumente sind vorhaben. Auch in
> statistischer Form geben sie unmittelbar (wöchentlich und zweiwöchentlich)
> Auskunft über Angebots- und Nachfrageentwicklungen sowie Zinsentwicklungen
> am Geld- und Kreditmarkt.
> Es gibt außerdem historische Beispiele gut gelungener Geldmengensteuerung,
> u.a. wiederholt in Amerika im 18.u.19. Jhd, Kanada 1937-74; UK nach Krieg
> bis in die 1960er.
> Dass die Zentralbanken mit den 1970/80er Jahren von der Politik
> potenzialorientierter Geldmengensteuerung abgekommen sind, liegt nicht etwa
> daran, dass sich das nicht bewährt hätte, sondern dass es von Beginn an ins
> Leere gelaufen ist aufgrund der Unterminierung durch die faktisch
> unabhängig erfolgende Giralgeldschöpfung der Banken. So haben sich die
> Zentralbanken ersatzweise auf Zinsbeeinflussung verlegt - was freilich nur
> marginal oder ebenfalls nicht funktioniert.
Was bedeutet denn die Aussage "dies und jenes funktioniert /
funktioniert nicht"?
Wenn Sie behaupten, die Zinsbeeinflussung funktioniert nicht - was
soll das denn überhaupt bedeuten? Denn ganz offensichtlich
beeinflussen die Zentralbanken den Zins durchaus erfolgreich: der
kurzfristige Zins auf dem Interbankenmarkt ist da, wo ihn die
Zentralbank haben will.
Was also bedeutet "es funktioniert nicht"?
Sie sprechen davon, dass die Geldmenge übersteuert. Ich vermute, Sie
meinen damit, dass die Geldmenge in Boomzeiten zu stark wächst und in
Zeiten der Rezession zu stark sinkt. Vielleicht ist das so - aber sind
Sie sich sicher, wirklich die richtige Ursache ausgemacht zu haben?
Die Inflation übersteuert ja keineswegs in gleichem Maße.
Es gibt also vermutlich irgendwo Puffer, in denen sich die
Übersteuerung der Geldmenge sammelt. Aber wie sieht die Kausalität
aus? Sind diese Puffer dadurch entstanden, dass die Geldmenge
übersteuert? Oder übersteuert die Geldmenge dadurch, dass es diese
Puffer gibt, die sich in guten Zeiten voll saugen und sich in
schlechten Zeiten entleeren?
Und hier ist die ganz konkrete Gefahr, die Ihr Glaube an die Weisheit
einer zentralistischen Geldmengensteuerung hat, wenn wir es mit der
zweiten Art von Kausalität zu tun haben.
Wenn wir es mit der zweiten Art von Kausalität zu tun haben, dann
werden sich diese Puffer auch in einem Regime der zentral gesteuerten
Geldmenge in guten Zeiten voll saugen. Da aber durch die Zentralbank
eine entsprechende Ausweitung der Geldmenge verhindert wird, wird
damit dem Rest der Wirtschaft die benötigte Liquidität entzogen.
Sie sehen also, warum ich ein ungutes Gefühl bei Ihren Vorschlägen
habe. Ich weiß nicht, welcher Art diese Puffer sind und wie die
Kausalität aussieht. Aber wissen Sie es? Bis jetzt ist das Ihren
Erläuterungen jedenfalls nicht anzuerkennen. Woher kommt die
Übersteuerung der Geldmenge, die Sie kritisieren? Können Sie wirklich
ehrlich von sich behaupten, alternative Hypothesen gesucht und
ausgeschlossen zu haben? Können Sie wirklich ehrlich behaupten, die
erwähnten Puffer genau verstanden zu haben um sich *sicher* zu sein,
dass der Zwang zu einer kontrollierten Geldmengenentwicklung keine
schädlichen Folgen hat? Ich hoffe es, aber ich erkenne es aus Ihren
Texten nicht.
War das jetzt wieder zu persönlich? Ich hoffe nicht.
Schöne Grüße,
Nicolai
--
Lerne, wie die Welt wirklich ist,
aber vergiss niemals, wie sie sein sollte.
- [AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai), Georg Cosmic Nägle, 05.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai), Nicolai Haehnle, 05.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai), Keox, 05.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai), Nicolai Haehnle, 05.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai), Pieter hogeveen, 05.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai), Axel Grimm, 06.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai), Keox, 06.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai), Nicolai Haehnle, 06.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai), Keox, 06.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai), Stephan Schwarz, 06.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai), Axel Grimm, 06.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai), Keox, 06.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai), Nicolai Haehnle, 06.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai), Nicolai Haehnle, 05.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai), Keox, 05.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai), Nicolai Haehnle, 05.04.2012
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