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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - [AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai)

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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[AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai)


Chronologisch Thread 
  • From: Georg Cosmic Nägle <cosmic AT poetryclub.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: [AG-GOuFP] Herr Huber hat nun doch eine Antwort geschrieben (Nicolai)
  • Date: Thu, 5 Apr 2012 11:27:39 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Also, verehrter Nicolai - und andere Personen, die sich hier schon gemeldet
haben. Wenn Sie wollen, dass ich mit Ihnen diskutiere, bitte ich darum, bei
Sacherörterungen zu bleiben und sich persönlicher Urteile zu enthalten. Ich
tue das umgekehrt ja auch.

Zu Ihrer Feststellung, dass in einem Vollgeldsystem die Banken stets genügend
Geld vorhalten müssen und damit zusammenhängend die Frage, wie die
Geldmengensteuerung funktioniert, damit jederzeit genügend Geld da ist.

Das würde bei den Banken genauso funktionieren wie heute mit dem Bargeld, nur
in einem etwa fünffachen Volumen davon (20% ba, 80% unbar). Das Bargeld muss
heute ja auch ziemlich bedarfsgenau bzw nachfragegenau bevorratet werden. Da
sich Bedarf bzw Nachfrage in aller Regel stabil entwickeln, ist das für keine
Bank jemals zu einem Problem geworden (außer natürlich bei Krise und
Bankrun). Im Normalfall aber ist das Geld der Erwartung gemäß vorrätig, und
sollte etwas zu wenig Geld da sein, wird das Defizit übernacht am Geldmarkt
ausgeglichen, bzw kleinere Geldüberschüsse werden über den Geldmarkt
ausgeliehen. Auch Überziehungskredite werden so weiterhin darstellbar sein.
Kredite generell, bitte ich Sie zu bedenken, sind keine erratischen spontanen
Prozesse, sondern die Volumina wachsen oder schrumpfen relativ stetig in
einem generellen Trend, und jede Kreditvergabe bei Banken beinhaltet einen
gewissen Antrags-, Bewilligungs- und Planungsprozess - der zum Beispiel auch
beinhaltet, die Finanzierung von größeren und Großkrediten überhaupt erst zu
organisieren.

Was die Geldmengensteuerung angeht, und Ihre Annahme, das heutige System habe
schon seinen guten Grund, das nicht zu praktizieren, möchte ich zunächst
folgendes feststellen, und das sehr nachdrücklich: Die Geldmengensteuerung
wird im heutigen Giralgeldsystem fe facto ausschließlich von den Banken
bewerkstelligt. Sie geben oder verweigern so viel Geld wie es ihnen gut
dünkt, wobei die Refinanzierung mit Reserven unmittelbar und ohne jede
Einschränkung der Nachfrage der Banken nach Reserven folgt. Im Ergebnis
funktioniert eben diese bankendeterminierte Marktregelung nicht (und deshalb
gibt es auch auf den Finanzmärkten viel öfter große volatile Ungleichgewichte
als vielleicht auch einmal ein transitorisches Gleichgewicht). Die
wiederkehrende gigantische Übersteuerung der Geldmengen in Boom- und
Haussezeiten, und die darauf folgende Geld- und Vermögensvernichtung in
Krisen- und Baissezeiten ist ein krasser Fall von fortgesetztem
Marktversagen. Schlechter könnte es eine Zentralbank als Monetative kaum
machen.

Sie wird es faktisch besser machen können. Der geldpolitische Ansatz der
potenzialorientierten Geldmengenausweitung und Feinsteuerung (Ausweitung der
Geldmenge ungefähr im Gleichschritt mit der mittel- und langfristigen
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung) ist seit Jahrzehnten gut ausgearbeitet,
die Indikatoren und Geldmarktinstrumente sind vorhaben. Auch in statistischer
Form geben sie unmittelbar (wöchentlich und zweiwöchentlich) Auskunft über
Angebots- und Nachfrageentwicklungen sowie Zinsentwicklungen am Geld- und
Kreditmarkt.
Es gibt außerdem historische Beispiele gut gelungener Geldmengensteuerung,
u.a. wiederholt in Amerika im 18.u.19. Jhd, Kanada 1937-74; UK nach Krieg bis
in die 1960er.
Dass die Zentralbanken mit den 1970/80er Jahren von der Politik
potenzialorientierter Geldmengensteuerung abgekommen sind, liegt nicht etwa
daran, dass sich das nicht bewährt hätte, sondern dass es von Beginn an ins
Leere gelaufen ist aufgrund der Unterminierung durch die faktisch unabhängig
erfolgende Giralgeldschöpfung der Banken. So haben sich die Zentralbanken
ersatzweise auf Zinsbeeinflussung verlegt - was freilich nur marginal oder
ebenfalls nicht funktioniert.

Schöne Ostern,
Ihr
Joseph Huber


On 04.04.2012 17:50, Georg Cosmic Nägle wrote:
> On Tue, Apr 3, 2012 at 11:56 PM, Georg Cosmic Nägle
>
> <cosmic AT poetryclub.de>
> wrote:
>
>>> Das ist mein Hauptproblem, dass ich mit Vollgeldsystem habe, wie
>>> verhindert man das
>>> Horten von Vollgeld, was ja ohne Zweifel das Hauptproblem heute ist. Was
>>> soll mich davon
>>> abhalten, mein wertstabiles Geld einfach zu behalten? Ist das nicht ein
>>> Problem für die
>>> Tauschmittelfunktion des Geldes in der Monetativen? Gibt’s da schon
>>> Lösungen?
>>>
>> Dem kann ich nicht zustimmen. 'Horten' war ein typisches und tatsächliches
>> Problem in der
>> Metallgeldzeit. Heute ist es - in Deutschland, und nur da, dank Gesell -
>> zu einer fixen
>> Präokkupation in einem gewissen Milieu geworden. In einer modernen
>> Wirtschaft ist eine
>> zyklische Zu- und Abnahme der Liquiditätspräferenz nur natürlich und
>> gehört zu einer
>> organischen Evolution auch der Wirtschaft.
>> Die neueren Versuche, Geldanlagen in M2, M3 und Wertpapieren ebenfalls als
>> 'Horten' zu
>> interpretieren finde ich abwegig.
>> Schon in einem Giralgeldsystem muss Geld nicht erst gespart werden, um
>> investiert werden
>> zu können. Worauf es wirklich ankommt, ist die Bereitschaft der Banken,
>> Kredit zu geben.
>> Das hat mit Horten nichts zu tun, denn dafür brauchen die Banken niemandes
>> Geld, nur
>> (fraktional, d.h. zum Bruchteil) Zentralbank-Reserven.
>> Auch in einem Vollgeldsystem kann eine - hypothetisch unterstellte -
>> verringerte
>> Geldzirkulation durch vorübergehende Ausgabe von mehr Geld kompensiert
>> werden.
>>
> Schade. Ich sehe das gleiche Problem wie Piratos, und die Antwort von
> Huber ist m.E. alles andere als zufrieden stellend.
>
> Er hat natürlich Recht damit, dass es ganz stark heute auf die
> Bereitschaft der Banken ankommt, Kredit zu vergeben. Allerdings ist
> das nicht die ganze Wahrheit: es kommt auch auf die Bereitschaft der
> Kreditnehmer an, Kredite aufzunehmen. In der Krise wären viele Banken
> durchaus dazu bereit gewesen, Kredite zu vergeben, aber niemand wollte
> sie.
>
> Die andere Seite ist aber der eigentliche Haken beim Vollgeld: das
> Vollgeld muss den Banken explizit zum Verleihen zur Verfügung gestellt
> werden, ansonsten *können* sie keine Kredite vergeben. Aber wenn es
> denn das Vollgeld gibt, warum sollten Sparer dann in genau passendem
> Umfang ihr Geld auch wirklich den Banken zur Verfügung stellen.
>
> Heute ist es so, dass Geld auf Girokonten den Zahlungsfluss der Banken
> ausgleicht. Mit Vollgeld wäre das nicht mehr so.
>
> Letztlich erscheint mir Huber leider immer noch sehr konfus.
> Interessanterweise versteht er anscheinend viele Fakten über das
> Geldsystem deutlich besser als die meisten Ökonomen - das schließe ich
> aus seinem Vortrag - aber was er mit dem Vollgeld erreichen will ist
> einfach nur merkwürdig.
>
> Insbesondere der Aspekt der Geldmengesteuerung: er scheint entweder
> nicht zu wissen, oder nicht zuzugeben, dass eine strikte
> Geldmengensteuerung Probleme nach sich zieht. Es hat schon seinen
> Grund, dass die Zentralbanken die Geldmengensteuerung aufgegeben
> haben.
>
> Schöne Grüße,
> Nicolai
cosmic & the
*********p o e t r Y c l u b*********

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