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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber


Chronologisch Thread 
  • From: <CU_Mayer AT Menschen-gerechte-Gesellschaft.de>
  • To: <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber
  • Date: Fri, 3 Feb 2012 11:36:01 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
  • Organization: Evult

Bernd Senf (kritischer Volkswirt) hat einmal geschrieben, die mathematischen
Formeln in der Volkswirtschaft sind aus dem "Mathematikneid" der Volkswirte
und Betriebswirte (gegenüber Physikern und Ingenieuren) entstanden. Keine
einzige Formel die es in der Volkswirtschaft gibt, kann irgendeinen Nachweis
führen. Die Systemzusammenhänge sind eben auch menschlich und nicht rein
mathematisch, zudem durch die Vielzahl der Marktteilnehmer komplex.
Die einzige Methode, wie man da Nachweise führen kann, ist Logik und
Statistik. Deshalb kommt es eben leider zu diesen Diskussionen um virtuelle
Behauptungen, wie z.B. dass es den Zinseszinseffekt nicht gäbe, weil die
Zinsempfänger das Geld ja wieder ausgeben.


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ag-geldordnung-und-finanzpolitik-bounces AT lists.piratenpartei.de
[mailto:ag-geldordnung-und-finanzpolitik-bounces AT lists.piratenpartei.de] Im
Auftrag von wiwg AT gmx.net
Gesendet: Freitag, 3. Februar 2012 11:16
An: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber

In diesem Link
(http://rodgermmitchell.wordpress.com/2009/09/07/introduction/) wird
beschrieben, wie doch die Schulden und die Geldmenge eines monetär souveränen
Systems positiv miteinander zusammenhängen sollen. Und mit einer ordentlichen
Geldmenge soll dann auch die Wirtschaft ordentlich wachsen.

Das Problem, neben dem Umstand, dass es scheinbar auf die EU-Zone nicht
anwendbar ist, ist das fehlende wissenschaftliche Backup. Da sind zwar schöne
Diagramme drin, aber es wird das Diagramm qualitativ betrachtet und gesagt:
"gugg, eindeutig ein Zusammenhnag". Wobei, solange da keine Zahlen, am besten
noch statistische Zusammenhangsmaße, wie Korrelationskoeffizient oder
Varianzaufklärung (deskriptive Statistik) oder am Besten noch eine
Signifikanz von Unterschieden, bedingt durch die Untersuchung bestimmter
Einflussfaktoren (z.B. Schulden) auf eine Abhängige Größe (z.B. Wachstum)
angegeben sind oder ermittelbar werden, ist das ganze zwar nett, aber nicht
überprüfbar.

Was ich sagen will:
Bei all diesen netten Ökonomischen Systemen, Gesetzen und Theorien werden
selten Werkzeuge zur überprüfung der Theorie zur Hand genommen, welche die
Wissenschaft über Jahrhunderte entwickelt hat. Deshalb fällt es mir
persönlich sehr schwer, die verschiedenen Theorien und Behauptungen
gegeneinander abzuwegen, da alle irgenwo einer gewissen Logik folgen, doch
irgendwo der logische Faden immer abbricht (aus meiner Sicht).

Reduzierung der Schulden klingt erstmal logisch. Dann hätte der Staat mehr
Möglichkeiten, in die Wirtschaft, Kultur, Soziales, Bildung etc. zu
investieren. Andererseits, so meine Erfahrung aus verschiedenen Simulationen
bzw. Behauptungen verschiedener Modelle, führt das starke Schrumpfen der
absoluten Schulden nach einer gewissen Latenzzeit zu einem schrumpfen der
Wirtschaft und zu einer erneuten Verschuldung. Das mag den
Simulationen/Modellen geschuldet sein, kann aber auch eine realistische
Abbildung sein.

Ich denke auch, dass ein sinnvoller Kompromis der Bezug von Schulden auf das
BIP ist, kann das aber in keiner Weise durch Daten unterlegen. Wir befinden
uns da auch in einem Dilemma. Ratingagenturen z.B. werden doch mit hoher
Wahrscheinlichkeit auch die relative Staatsverschuldung bei der Bewertung der
Staaten herannehmen, so liegt doch Japan inzwischen bei einem AA- (S&P),
wobei wir immernoch ein AAA (S&P) haben (korrigiert mich, wenn ich falsch
liege). Sollte diese Behauptung stimmen, wird es in einem Staat mit einem
hohen Schuldenverhältnis und damit schlechtem Rating automatisch zu einer
Verschlechterung der Wirtschaft auf Grund fehlender Investitionen führen. Es
könnte ja aber auch sein, dass die Ratingagentur das Schuldenverhältnis zu
Recht heranzieht. Aber bleiben denn Investitionen auf Grund eines hohen
Schuldneverhältnisses aus?

Eine Untersuchung, die einen positiven Zusammenhang von hohem
Schuldenverhältnis, schlechtem Rating und geringerem Wachstum feststellen
würde, liese daher mehrere inhaltlich verschiedene Schlussfolgerungen zu:
1. Die Bewertung der Ratingagentur scheint ein valider Indikator für die
zukünftige Wirtschaftsleistung zu sein, das Schuldenverhältnis ist ein
valider Parameter für das Rating 2. Die Bewertung der Ratingagentur scheint
die zukünftige Wirtschaft eines Staates zu beeinflussen, Wirkung des
Schuldenverhältnisses ist unklar 3. Das Schuldenverhältnis scheint die
zukünftige Wirtschaft eines Staates zu beeinflussen, Wirkung des Ratings ist
unklar ...

Ob denn da die relativen Schulden, solange sich das Rating parallel zu diesem
Verhält, ursächlich sind, kann daher kaum klar werden.

Erst wenn ein Rating nicht von diesem Verhältnis abhängt, kann man die nun
unterschiedlichen Einflüsse von Rating und Schuldenverhältnis bewerten.

Ich persönlich komme aus solchen Dilemmas nicht raus, solange mir keiner
seine Theorien mit überprüfbaren/überprüften Hypothesen unterlegt.

Grüße

Mike

Von: Nicolai Haehnle <nhaehnle AT gmail.com>
> Guten morgen,
>
> 2012/2/3 MonikaHerz AT t-online.de <MonikaHerz AT t-online.de>:
> > "Der einzige nachhaltige Weg zur Verhinderung der Insolvenzwellen
> > unter derzeitigen Systembedingungen ist also der parallele Abbau von
> > öffentlichen Schulden und privaten Vermögen über Steuern. Wie
> systemisch
> > sinnvoll die Besteuerung privater Vermögen ist, zeigt die Relation
> > zu den Staatsschulden: Die privaten Finanz- und Immobilienvermögen
> belaufen
> > sich in Italien auf 424% der Staatsschulden, in Deutschland auf 475%
> > und in Österreich auf 675%. Ein Prozent Vermögenssteuer trägt die
> > Staatsschulden in der Eurozone um ungefähr fünf Prozent ab. Nach
> > zehn Jahren wären sie halbiert. Das ist der Weg aus der Eurokrise."
> Christian
> > Felber
> >
> >
> http://derstandard.at/1326503972153/Christian-Felber-Was-in-Davos-leid
> er-nicht-zur-Debatte-steht
> >
> > Was meint ihr dazu?
>
> *Wenn* man sich zum Ziel setzt, den absoluten Betrag der
> Staatsschulden abzubauen bzw. ihren Anstieg zu verlangsamen, *dann*
> ist der einzige sinnvolle Weg dorthin eine stark progressive
> Vermögenssteuer.
>
> Alle anderen Ansätze (egal ob höhere Steuern anderer Art oder
> Einsparungen bei den Staatsausgaben) haben das Problem, dass sie die
> Gesamtnachfrage drücken und dadurch erstens Arbeitslosigkeit erzeugen
> (denn: weniger Nachfrage bedeutet, dass weniger Arbeitsplätze benötigt
> werden um die Nachfrage zu befriedigen) und zweitens die
> Investitionsquote dämpfen (denn: bei weniger Nachfrage haben
> Unternehmen weniger Anreize, zu investieren). Beides ist eher schlecht
> für unsere Zukunft.
>
> Die Frage, die ich stellen würde ist aber, ob ein Abbau des absoluten
> Betrags der Staatsschulden überhaupt ein sinnvolles politisches Ziel
> ist. Mit anderen Worten: hat der Kaiser überhaupt Kleider an?
>
> Erstens kann man einwenden, dass man eher den relativen Betrag
> betrachten müsste. Diese relative Staatsschuldenquote wurde historisch
> betrachtet am erfolgreichsten dadurch gesenkt, dass das BIP erhöht
> wurde.
>
> Dieser Weg zeigt also eher eine expansive Wirtschaftspolitik mit
> direkten staatlichen Investitionen an.
>
> Außerdem kann man einwenden, dass der öffentliche Schuldenstand an
> sich sowieso kein sinnvolles Politikziel ist. Japan z.B. hat eine
> Schuldenquote über 200%, und eine Insolvenz ist nicht in Sicht.
> Großbritannien hatte, wie ich vor kurzem gelernt habe, über lange Zeit
> seiner Existenz eine Schuldenquote weit über 100% und sogar 150%. Ich
> finde den Graph gerade nicht mehr; aber zu dem Zeitpunkt, als Keynes
> damals für Expansion geworben hat, war der relative öffentliche
> Schuldenstand höher als heute!
>
> Der einzige Unterschied in dieser Hinsicht zwischen Japan,
> Großbritannien und Griechenland ist, dass Griechenland nicht monetär
> souverän ist.
>
> Dieser Weg zeigt als Lösung eher an, dass man die Struktur der
> Eurozone umbaut und einen zentralen monetären Souverän schafft, auf
> den der größte Teil der Staatsschulden in der Eurozone übertragen
> wird.
>
> Übrigens: ein Blick in die USA legt nahe, dass die
> Maastricht-Schuldengrenze von 60% viel zu hoch angesetzt ist. Die
> Schuldenquote der meisten US-Bundesstaaten ist nämlich *deutlich*
> unter 20%, und US-Bundesstaaten, die darüber gehen, tendieren zu
> Schwierigkeiten. Man müsste die Schuldengrenze für die Eurostaaten
> also eher bei 15% bis 20% ansetzen - vielleicht bis zu 30%, wenn man
> sehr großzügig ist - während der zentrale monetäre Souverän unbegrenzt
> Schulden aufnehmen könnte.
>
> Und wenn einem bei dem Gedanken an zentrale Eurozonen-Schulden unwohl
> ist, dann kann man den gleichen kosmetischen Trick anwenden, der auch
> bei einigen hier auf der Liste beschriebenen alternativen Geldsystemen
> gemacht wird, und die Schulden einfach nicht mehr Schulden nennen.
>
> Schöne Grüße,
> Nicolai
> --
> Lerne, wie die Welt wirklich ist,
> aber vergiss niemals, wie sie sein sollte.
>
> --
> AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik mailing list
> AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
> https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-geldordnung-und-finanzpol
> itik

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