ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Nicolai Haehnle <nhaehnle AT gmail.com>
- To: "MonikaHerz AT t-online.de" <MonikaHerz AT t-online.de>
- Cc: ag Geldordnung <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber
- Date: Fri, 3 Feb 2012 09:09:07 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Guten morgen,
2012/2/3 MonikaHerz AT t-online.de <MonikaHerz AT t-online.de>:
> "Der einzige nachhaltige Weg zur Verhinderung der Insolvenzwellen unter
> derzeitigen Systembedingungen ist also der parallele Abbau von
> öffentlichen Schulden und privaten Vermögen über Steuern. Wie systemisch
> sinnvoll die Besteuerung privater Vermögen ist, zeigt die Relation zu
> den Staatsschulden: Die privaten Finanz- und Immobilienvermögen belaufen
> sich in Italien auf 424% der Staatsschulden, in Deutschland auf 475% und
> in Österreich auf 675%. Ein Prozent Vermögenssteuer trägt die
> Staatsschulden in der Eurozone um ungefähr fünf Prozent ab. Nach zehn
> Jahren wären sie halbiert. Das ist der Weg aus der Eurokrise." Christian
> Felber
>
> http://derstandard.at/1326503972153/Christian-Felber-Was-in-Davos-leider-nicht-zur-Debatte-steht
>
> Was meint ihr dazu?
*Wenn* man sich zum Ziel setzt, den absoluten Betrag der
Staatsschulden abzubauen bzw. ihren Anstieg zu verlangsamen, *dann*
ist der einzige sinnvolle Weg dorthin eine stark progressive
Vermögenssteuer.
Alle anderen Ansätze (egal ob höhere Steuern anderer Art oder
Einsparungen bei den Staatsausgaben) haben das Problem, dass sie die
Gesamtnachfrage drücken und dadurch erstens Arbeitslosigkeit erzeugen
(denn: weniger Nachfrage bedeutet, dass weniger Arbeitsplätze benötigt
werden um die Nachfrage zu befriedigen) und zweitens die
Investitionsquote dämpfen (denn: bei weniger Nachfrage haben
Unternehmen weniger Anreize, zu investieren). Beides ist eher schlecht
für unsere Zukunft.
Die Frage, die ich stellen würde ist aber, ob ein Abbau des absoluten
Betrags der Staatsschulden überhaupt ein sinnvolles politisches Ziel
ist. Mit anderen Worten: hat der Kaiser überhaupt Kleider an?
Erstens kann man einwenden, dass man eher den relativen Betrag
betrachten müsste. Diese relative Staatsschuldenquote wurde historisch
betrachtet am erfolgreichsten dadurch gesenkt, dass das BIP erhöht
wurde.
Dieser Weg zeigt also eher eine expansive Wirtschaftspolitik mit
direkten staatlichen Investitionen an.
Außerdem kann man einwenden, dass der öffentliche Schuldenstand an
sich sowieso kein sinnvolles Politikziel ist. Japan z.B. hat eine
Schuldenquote über 200%, und eine Insolvenz ist nicht in Sicht.
Großbritannien hatte, wie ich vor kurzem gelernt habe, über lange Zeit
seiner Existenz eine Schuldenquote weit über 100% und sogar 150%. Ich
finde den Graph gerade nicht mehr; aber zu dem Zeitpunkt, als Keynes
damals für Expansion geworben hat, war der relative öffentliche
Schuldenstand höher als heute!
Der einzige Unterschied in dieser Hinsicht zwischen Japan,
Großbritannien und Griechenland ist, dass Griechenland nicht monetär
souverän ist.
Dieser Weg zeigt als Lösung eher an, dass man die Struktur der
Eurozone umbaut und einen zentralen monetären Souverän schafft, auf
den der größte Teil der Staatsschulden in der Eurozone übertragen
wird.
Übrigens: ein Blick in die USA legt nahe, dass die
Maastricht-Schuldengrenze von 60% viel zu hoch angesetzt ist. Die
Schuldenquote der meisten US-Bundesstaaten ist nämlich *deutlich*
unter 20%, und US-Bundesstaaten, die darüber gehen, tendieren zu
Schwierigkeiten. Man müsste die Schuldengrenze für die Eurostaaten
also eher bei 15% bis 20% ansetzen - vielleicht bis zu 30%, wenn man
sehr großzügig ist - während der zentrale monetäre Souverän unbegrenzt
Schulden aufnehmen könnte.
Und wenn einem bei dem Gedanken an zentrale Eurozonen-Schulden unwohl
ist, dann kann man den gleichen kosmetischen Trick anwenden, der auch
bei einigen hier auf der Liste beschriebenen alternativen Geldsystemen
gemacht wird, und die Schulden einfach nicht mehr Schulden nennen.
Schöne Grüße,
Nicolai
--
Lerne, wie die Welt wirklich ist,
aber vergiss niemals, wie sie sein sollte.
- [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber, MonikaHerz AT t-online.de, 03.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber, Nicolai Haehnle, 03.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber, wiwg, 03.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber, CU_Mayer, 03.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber, wiwg, 03.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber, CU_Mayer, 03.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber, Mike Arnhold, 03.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber, Keox aka Daniel Worofka, 03.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber, CU_Mayer, 03.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber, Stephan Schwarz, 03.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber, Mike Arnhold, 04.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber, CU_Mayer, 03.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber, wiwg, 03.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber, CU_Mayer, 03.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber, wiwg, 03.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber, Nicolai Haehnle, 03.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] Staatschulden abbauen nach Felber, CU_Mayer, 13.02.2012
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