Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

berlin-squad-integration - Re: [Squad-IIP] [Berlin-squad-integration] Fwd: Wie halten Sie's mit der Zwangspsychiatrie?

berlin-squad-integration AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Squad Integration, Inklusion, Partizipation (IIP)

Listenarchiv

Re: [Squad-IIP] [Berlin-squad-integration] Fwd: Wie halten Sie's mit der Zwangspsychiatrie?


Chronologisch Thread 
  • From: "Dorothee Scholz" <s.doro AT gmx.de>
  • To: "Squad Integration, Inklusion, Partizipation \(IIP\)" <berlin-squad-integration AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [Squad-IIP] [Berlin-squad-integration] Fwd: Wie halten Sie's mit der Zwangspsychiatrie?
  • Date: Fri, 09 Mar 2012 10:44:45 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/berlin-squad-integration>
  • List-id: "Squad Integration, Inklusion, Partizipation \(IIP\)" <berlin-squad-integration.lists.piratenpartei.de>

Danke Monika,
ich fand das sehr informativ und interessant!
Ich habe ebenfalls den Eindruck, dass die gesetzliche Grundlage relativ
ausbalanciert ist. Von eine Freundin wurde mir gesagt, dass auch die
Gesetzeslage zur Fixation eines Patienten relativ streng ist und jedesmal ein
Richter hinzuzuziehen ist, der über die Fremdgefährdung vor Ort entscheiden
muss. Ob das in der Praxis so korrekt auch umgesetzt wird, dafür fehlen mir
allerdings die Kenntnisse

Was mich noch bewegt, ist die Tatsache, dass die Qualität der Psychiatrien
z.T. noch sehr unterschiedlich ist. In den großen Städten gibt es wohl eher
eine Qualitätssicherung, auf dem Land - wo man froh ist, dass überhaupt
entsprechende Versorgung exisitiert - wohl nicht so. Eine Ausbildungskollegin
von mir hat mal in einer gearbeitet (sächsisches Hinterland), die angeblich
extrem entwürdigend mit den Patienten umgegangen ist, v.a. in der
geschlossenen und in der Einzelverwahrung, sie sagt, es war echt traumatisch.

Falls wir jemals etwas zu dem Thema machen sollten, könnten wir eine
flächendeckende Qualitätssicherung (und deren Kontrollumsetzung) ansprechen,
sowie eine Neuberechnung der Bedarfszahlen seitens der Bevölkerung, denn
gerade auf dem Land gibt es ein drastisches Unterangebot von Kassensitzen, so
dass Leute dann auch gern mal in die Psychiatrie gehen, obwohl es nicht nötig
ist (und die sind dann auch überlastet). Außerdem sind 6 Monate Wartezeit für
jemanden akut psychisch Betroffenen selbst in Berlin, wo Vollversorgung
herrscht, auch nicht schön. Dass die Krankenkassen die Kassensitze der
Therpeuten jetzt noch um 30% kürzen wollen, macht die Sache auch nicht besser
- die Wartezeiten wären dann ein Dreiviertel Jahr für eine Psychotherapie,
das entspricht einer extremen ärztlichen Unterversorgung. Ich wollte das nur
mal auf den Schirm holen, falls jemand daran Interesse hat.
Falls du noch Infos dazu hast - mich interessieren sie auf jeden Fall.
liebe Grüße,
Doro

-------- Original-Nachricht --------
> Datum: Fri, 9 Mar 2012 09:07:04 +0100
> Von: Monika Belz <loreena1968 AT gmx.de>
> An: "Squad Integration, Inklusion, Partizipation \\(IIP\\)"
> <berlin-squad-integration AT lists.piratenpartei.de>
> Betreff: Re: [Squad-IIP] [Berlin-squad-integration] Fwd: Wie halten
> Sie\'s mit der Zwangspsychiatrie?

> Hallo,
>
> die einzigen Gründe, die dafür sprechen, jemanden VORÜBERGEHEND in eine
> Klinik einzuweisen, sind Gefahr für das Leben anderer und Gefahr für das
> eigene Leben. Darüber hinaus ist aus gutem Grunde es nicht möglich,
> jemanden gegen seinen Willen in eine Klinik zu überweisen. Die Entmündigung
> ist bereits seit Jahren gesetzlich abgeschafft, Verwandte und in Ermangelung
> derer - Betreuer - können die finanzielle oder die gesundheitliche (oder
> komplette) Betreuung eines Menschen übernehmen. Das Verfahren dahin ist
> ohne Einwilligung des Menschen, um den es geht, sehr schwer. Wenn zugestimmt
> wird, ist die Betreuung eine Frage von Wochen. Der Betreuer ist
> rechenschaftspflichtig gegenüber dem Amtsgericht, bei finanzieller
> Betreuung schaut
> das Amtsgericht noch genauer hin, als bei gesundheitlicher. Wenn keine
> Zustimmung vorliegt, muss ein Verfahren vor dem zuständigen Amtsgericht
> beantragt werden, wenn man die gesundheitliche, finanzielle oder komplette
> Betreuung erreichen möchte. Dieser Weg dauert Jahre, in dessen Verlauf sich
> die
> Verhältnisse der Beteiligten untereinander kaum verbessern, es ist nicht zu
> empfehlen, die meisten Anwälte, die man dafür unbedingt braucht, raten
> ab und empfehlen andere Wege. Am Ende dieses gerichtlichen Weges steht ein
> nicht mehr zu heilendes zerbrochenes Vertrauensverhältnis.
>
> Selbst die vorübergehende Überweisung in eine Klinik bei
> Selbstmordgefährdung oder Gefährdung Dritter ist eng begrenzt. Bei
> Selbstmordgefährdung
> wird eine Therapie angeboten, wenn die Ursachen bekannt sind, wenn nicht,
> wird dem Patienten eine Sprechstunde bei einem Psychologen überwiesen, ob
> er sie wahrnimmt, liegt bei ihm. Verwandte werden gem. der ärztlichen
> Schweigepflicht nicht informiert, wenn der Patient dies nicht ausdrücklich
> wünscht. Die Ärzte versuchen aber, wenn sie eine akute Gefährdung sehen,
> mit den Verwandten durch die Blume zu sprechen und den Ernst der Lage klar
> zu
> machen.
>
> Bei Gefährdung Dritter ist es komplizierter, hier muss - entsprechend
> unserer rechtsstaatlichen Grundlagen - ein Nachweis vorliegen, bevor ein
> Verfahren angestrengt wird, auch hier gilt, solange keine Tat vorliegt,
> besteht
> kein Grund zum Freiheitsentzug -> und das ist Zwangseinweisung --> auch
> hier wird Therapie empfohlen, aber die auch diese Annahme obliegt dem
> Patienten selbst. Liegt eine Tat vor, wird ein Ermittlungsverfahren bei der
> Polizei
> eröffnet, wenn es zur Anzeige erlangt ist bzw. ein Kapitalverbrechen
> darstellt.
>
> Wenn in Bekanntschaft oder Verwandtschaft ein Fall vorliegt, bei dem man
> von Gefährdung des eigenen Lebens oder Dritter ausgehen kann, dann sucht
> das Gespräch mit dem Betreffenden, mit seinen Verwandten, meist entsteht
> diese Gefährdung aus einer Isolation heraus, es gibt viele, die in
> vorübergehende Betreuung einwilligen, die nur auf gesundheitliche Aspekte
> begrenzt
> ist. Im Gegensatz zur verbreiteten Meinung ist den Betroffenen oft klar,
> dass sie ein Problem haben, allerdings wollen sie nicht ihre
> Selbstbestimmung
> verlieren. Versetzt euch in die Menschen rein, sie können krank sein, ja,
> aber das beschränkt ihr Recht auf Selbstbestimmung nicht. Im Vordergrund
> sollte immer die Hilfe stehen und nicht das Wegsperren. Isolation und sei
> die Einrichtung noch so schön, zerstört mehr als man allgemein annimmt.
>
> Sorry wenn ich mich einmische, meine Mutter ist schwer schizophren, es
> war ein langer Weg fast 6 Jahre, sie zu einem Arzt zu bekommen, mit
> Selbstmordgefährdung, Entfremdung etc. zwischen durch, aber letztendlich
> lebt sie
> heute medikamentös behandelt in einer Betreuungseinrichtung, die sie
> jederzeit verlassen kann. Und das … jederzeit verlassen.. vielleicht doch
> noch
> mal eine eigene Wohnung … ist genau der Aspekt, der sie zum Bleiben
> bewegt. Wir haben als Kinder den Weg gewählt, unsere Mutter davon zu
> überzeugen, das einer von uns die gesundheitliche Betreuung übernimmt, die
> anderen
> beiden stehen natürlich dahinter wir haben uns mehrfach auch das
> Gerichtsverfahren überlegt, aber das konnten wir nicht, weil uns klar war,
> dass es
> sie noch mehr belasten würde und sie in die völlige Isolation bringt,
> sie hätte uns nie wieder vertraut. Nein, es ist nicht leicht und
> zwischendurch hat jeder von uns mindestens einmal aufgegeben, aber es ist
> ein Mensch
> und jeder kann sich selbst in dieser Situation eines Tages wiederfinden,
> auch das sollte man nicht vergessen.
>
> Ich habe an den bestehenden Gesetzen zurückblickend nichts auszusetzen,
> sie halten die Waage zwischen den Interessen des Betroffenen und seiner
> Umwelt.
>
> Die eingehende Anfrage (Beginn des Threades) betrifft die Fragen die im
> Rahmen der Sicherheitsverwahrung, hierzu wurde ein Wahlprüfstein der
> Humanistischen Union von uns im Rahmen des Wahlkampfes 2011 beantwortet
> https://lqpp.de/be/initiative/show/1070.html es gab auch seitens der
> Humanistischen
> Union einen Artikel in ihrer Publikation (muss ich raussuchen), ich halte
> es für sinnvoll, jemanden von der HU einzuladen, wenn ihr das Thema
> weitergehender diskutieren wollt.
>
>
>
> Monika Belz
> loreena1968 AT gmx.de
>
>
>
> Am 09.03.2012 um 00:04 schrieb Dorothee Scholz:
>
> > Tut mir leid, ich hab den Anfang der Diskussion nicht ganz mitbekommen.
> Es geht hier nur um die Zwangseinweisung bei Psychosen, oder
> Zwangseinweisung generell?
> >
> > Meines bis jetzt noch begrenzten Wissens kommen die Leute bei Psychosen
> oft von allein/durch Verwandte in die Psychiatrie, Zwangseinweisungen sind
> häufiger bei akuter Selbstmordgefahr (war mein bisheriger Eindruck). Ob es
> da gerechtfertigt ist, den Leuten - auch in ihrem Zustand - das Recht zur
> Selbsttötung abzusprechen, sei natürlich immer noch dahingestellt, ich
> persönlich tue mich auch sehr schwer mit der Entmündigung, die durch
> Zwangseinweisungen und Psychiatrien allgemein oft dahergeht. Aber falls es
> euch
> interessiert - ich werde dazu in meiner Psychotherapeutenausbildung Seminare
> haben und muss auch Pflichtstunden in einer Psychiatrie ableisten, da kann
> ich dann gern mal fragen wie oft das passiert und welche Kriterien genau
> in der Praxis herangezogen werden.
> >
> > Mit der Psychosenübernahme ist übrigens höchst strittig - um
> herauszufinden, ob das wirklich eine Alternative sein kann, bräuchte es
> wesentlich
> mehr Erkenntnisse dazu. Related Filmtip dazu: Shutter Island (spannend).
> >
> > Soviel erstmal dazu
> > lg Doro
> >
> > -------- Original-Nachricht --------
> >> Datum: Thu, 08 Mar 2012 19:31:34 +0100
> >> Von: David Dimitri Sverdlov <pirat AT sverdlov.de>
> >> An: berlin-squad-integration AT lists.piratenpartei.de
> >> Betreff: Re: [Squad-IIP] [Berlin-squad-integration] Fwd: Wie halten
> Sie\'s mit der Zwangspsychiatrie?
> >
> >> Gut, ich halte mich mal kurz:
> >>
> >> Am 08.03.2012 18:33, schrieb Guido Weyers:
> >>> /Hallo Dimitri/
> >>> /Sorry Dimitri, aber hier interpretierst du zu viel in meine Worte
> >>> hinein. Ich würde niemals Gewalt anwenden in so einem Fall, das
> könnte
> >>> höchstens die Polizei tun.
> >>
> >> Die Polizei rufen oder eine Zwangseinweisung einleiten ist eben auch
> >> eine Form von Gewalt, bzw. ihrer Delegation. Es ist ja auch oft
> üblich,
> >> einen "freiwilligen" Psychiatrieaufenthalt für den Betroffenen als
> >> alternativlos darzustellen ("sonst holen wir den Richter", etc.).
> >>
> >>> Ich verstehe dein Argument nicht. Glaubst du die Gesellschaft
> >>> ist schuld an seiner Psychose oder das die Gesellschaft nicht
> versteht,
> >>> was mit ihm los ist? Also inwieweit spiegelt ein Psychotiker ein
> Problem
> >>> der Gesellschaft wieder? Bitte erklär das mal./
> >>
> >> Das ist eine (zugegeben durchaus strittige) Position aus der
> >> prozessorientierten Psychologie (nach Arnold Mindell). Dazu sein Buch
> >> "City Shadows - Psychological Interventions in Psychiatry". Da sind
> z.B.
> >> Beispiele dafür aufgeführt, wie du eine akute Psychose alleine
> dadurch
> >> unterbrechen kannst, dass du als Therapeut die Psychose des Patienten
> >> übernimmst und sie besser spielst als er selber.
> >>
> >>> /Okay, einverstanden. Wo kann man dann über dieses Thema weiter
> >>> sprechen? Ich finde das sehr interessant.
> >>
> >> Wir müssten eben was eigenes gründen, wenn wir das innerhalb der
> >> Piratenpartei machen wollen. Ich kenne auch einen weiteren
> >> interessierten Psychiater aus der Guybrush. Wobei ich selber
> >> wahrscheinlich nicht die Muse hätte, das auf die Dauer zu machen. Ich
> >> wollte es einfach angesprochen haben.
> >>
> >> Außerhalb der Piratenpartei gibt es ja bereits diverse
> >> Austauschmöglichkeiten, wie z.B. das trialogische Seminar:
> >> http://www.trialog-psychoseseminar.de
> >>
> >> Grüße,
> >> David
> >>
> >> --
> >> David Dimitri Sverdlov
> >> Wiki: https://wiki.piratenpartei.de/Benutzer:Galaxy07
> >> Twitter: https://twitter.com/#!/galaxy07
> >> Crew: https://wiki.piratenpartei.de/BE:Crews/Wochenendpiraten
> >> Homepage: http://sverdlov.de
> >> --
> >> Berlin-Squad-Integration mailing list
> >> Berlin-Squad-Integration AT lists.piratenpartei.de
> >> https://service.piratenpartei.de/listinfo/berlin-squad-integration
> >
> > --
> > Empfehlen Sie GMX DSL Ihren Freunden und Bekannten und wir
> > belohnen Sie mit bis zu 50,- Euro! https://freundschaftswerbung.gmx.de
> > --
> > Berlin-Squad-Integration mailing list
> > Berlin-Squad-Integration AT lists.piratenpartei.de
> > https://service.piratenpartei.de/listinfo/berlin-squad-integration
>

--
Empfehlen Sie GMX DSL Ihren Freunden und Bekannten und wir
belohnen Sie mit bis zu 50,- Euro! https://freundschaftswerbung.gmx.de




Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang