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berlin-squad-integration - Re: [Squad-IIP] [Berlin-squad-integration] Fwd: Wie halten Sie's mit der Zwangspsychiatrie?

berlin-squad-integration AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Squad Integration, Inklusion, Partizipation (IIP)

Listenarchiv

Re: [Squad-IIP] [Berlin-squad-integration] Fwd: Wie halten Sie's mit der Zwangspsychiatrie?


Chronologisch Thread 
  • From: Monika Belz <loreena1968 AT gmx.de>
  • To: "Squad Integration, Inklusion, Partizipation \(IIP\)" <berlin-squad-integration AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [Squad-IIP] [Berlin-squad-integration] Fwd: Wie halten Sie's mit der Zwangspsychiatrie?
  • Date: Fri, 9 Mar 2012 09:07:04 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/berlin-squad-integration>
  • List-id: "Squad Integration, Inklusion, Partizipation \(IIP\)" <berlin-squad-integration.lists.piratenpartei.de>

Hallo,

die einzigen Gründe, die dafür sprechen, jemanden VORÜBERGEHEND in eine Klinik einzuweisen, sind Gefahr für das Leben anderer und Gefahr für das eigene Leben. Darüber hinaus ist aus gutem Grunde es nicht möglich, jemanden gegen seinen Willen in eine Klinik zu überweisen. Die Entmündigung ist bereits seit Jahren gesetzlich abgeschafft, Verwandte und in Ermangelung derer - Betreuer - können die finanzielle oder die gesundheitliche (oder komplette) Betreuung eines Menschen übernehmen. Das Verfahren dahin ist ohne Einwilligung des Menschen, um den es geht, sehr schwer. Wenn zugestimmt wird, ist die Betreuung eine Frage von Wochen. Der Betreuer ist rechenschaftspflichtig gegenüber dem Amtsgericht, bei finanzieller Betreuung schaut das Amtsgericht noch genauer hin, als bei gesundheitlicher. Wenn keine Zustimmung vorliegt, muss ein Verfahren vor dem zuständigen Amtsgericht beantragt werden, wenn man die gesundheitliche, finanzielle oder komplette Betreuung erreichen möchte. Dieser Weg dauert Jahre, in dessen Verlauf sich die Verhältnisse der Beteiligten untereinander kaum verbessern, es ist nicht zu empfehlen, die meisten Anwälte, die man dafür unbedingt braucht, raten ab und empfehlen andere Wege.  Am Ende dieses gerichtlichen Weges steht ein nicht mehr zu heilendes zerbrochenes Vertrauensverhältnis. 

Selbst die vorübergehende Überweisung in eine Klinik bei Selbstmordgefährdung oder Gefährdung Dritter ist eng begrenzt. Bei Selbstmordgefährdung wird eine Therapie angeboten, wenn die Ursachen bekannt sind, wenn nicht, wird dem Patienten eine Sprechstunde bei einem Psychologen überwiesen, ob er sie wahrnimmt, liegt bei ihm. Verwandte werden gem. der ärztlichen Schweigepflicht nicht informiert, wenn der Patient dies nicht ausdrücklich wünscht. Die Ärzte versuchen aber, wenn sie eine akute Gefährdung sehen, mit den Verwandten durch die Blume zu sprechen und den Ernst der Lage klar zu machen. 

Bei Gefährdung Dritter ist es komplizierter, hier muss - entsprechend unserer rechtsstaatlichen Grundlagen - ein Nachweis vorliegen, bevor ein Verfahren angestrengt wird, auch hier gilt, solange keine Tat vorliegt, besteht kein Grund zum Freiheitsentzug -> und das ist Zwangseinweisung --> auch hier wird Therapie empfohlen, aber die auch diese Annahme obliegt dem Patienten selbst. Liegt eine Tat vor, wird ein Ermittlungsverfahren bei der Polizei eröffnet, wenn es zur Anzeige erlangt ist bzw. ein Kapitalverbrechen darstellt. 

Wenn in Bekanntschaft oder Verwandtschaft ein Fall vorliegt, bei dem man von Gefährdung des eigenen Lebens oder Dritter ausgehen kann, dann sucht das Gespräch mit dem Betreffenden, mit seinen Verwandten, meist entsteht diese Gefährdung aus einer Isolation heraus, es gibt viele, die in vorübergehende Betreuung einwilligen, die nur auf gesundheitliche Aspekte begrenzt ist. Im Gegensatz zur verbreiteten Meinung ist den Betroffenen oft klar, dass sie ein Problem haben, allerdings wollen sie nicht ihre Selbstbestimmung verlieren. Versetzt euch in die Menschen rein, sie können krank sein, ja, aber das beschränkt ihr Recht auf Selbstbestimmung nicht. Im Vordergrund sollte immer die Hilfe stehen und nicht das Wegsperren. Isolation und sei die Einrichtung noch so schön, zerstört mehr als man allgemein annimmt. 

Sorry wenn ich mich einmische,  meine Mutter ist schwer schizophren, es war ein langer Weg fast 6 Jahre, sie zu einem Arzt zu bekommen, mit Selbstmordgefährdung, Entfremdung etc. zwischen durch, aber letztendlich lebt sie heute medikamentös behandelt in einer Betreuungseinrichtung, die sie jederzeit verlassen kann. Und das … jederzeit verlassen.. vielleicht doch noch mal eine eigene Wohnung … ist genau der Aspekt, der sie zum Bleiben bewegt. Wir haben als Kinder den Weg gewählt, unsere Mutter davon zu überzeugen, das einer von uns die gesundheitliche Betreuung übernimmt, die anderen beiden stehen natürlich dahinter  wir haben uns mehrfach auch das Gerichtsverfahren überlegt, aber das konnten wir nicht, weil uns klar war, dass es sie noch mehr belasten würde und sie in die völlige Isolation bringt, sie hätte uns nie wieder vertraut. Nein, es ist nicht leicht und zwischendurch hat jeder von uns mindestens einmal aufgegeben, aber es ist ein Mensch und jeder kann sich selbst in dieser Situation eines Tages wiederfinden, auch das sollte man nicht vergessen. 

Ich habe an den bestehenden Gesetzen zurückblickend nichts auszusetzen, sie halten die Waage zwischen den Interessen des Betroffenen und seiner Umwelt. 

Die eingehende Anfrage (Beginn des Threades)  betrifft die Fragen die im Rahmen der Sicherheitsverwahrung, hierzu wurde ein Wahlprüfstein der Humanistischen Union von uns im Rahmen des Wahlkampfes 2011 beantwortet https://lqpp.de/be/initiative/show/1070.html es gab auch seitens der Humanistischen Union einen Artikel in ihrer Publikation (muss ich raussuchen), ich halte es für sinnvoll, jemanden von der HU einzuladen, wenn ihr das Thema weitergehender diskutieren wollt. 



Monika Belz



Am 09.03.2012 um 00:04 schrieb Dorothee Scholz:

Tut mir leid, ich hab den Anfang der Diskussion nicht ganz mitbekommen. Es geht hier nur um die Zwangseinweisung bei Psychosen, oder Zwangseinweisung generell?

Meines bis jetzt noch begrenzten Wissens kommen die Leute bei Psychosen oft von allein/durch Verwandte in die Psychiatrie, Zwangseinweisungen sind häufiger bei akuter Selbstmordgefahr (war mein bisheriger Eindruck). Ob es da gerechtfertigt ist, den Leuten - auch in ihrem Zustand - das Recht zur Selbsttötung abzusprechen, sei natürlich immer noch dahingestellt, ich persönlich tue mich auch sehr schwer mit der Entmündigung, die durch Zwangseinweisungen und Psychiatrien allgemein oft dahergeht. Aber falls es euch interessiert - ich werde dazu in meiner Psychotherapeutenausbildung Seminare haben und muss auch Pflichtstunden in einer Psychiatrie ableisten, da kann ich dann gern mal fragen wie oft das passiert und welche Kriterien genau in der Praxis herangezogen werden.

Mit der Psychosenübernahme ist übrigens höchst strittig - um herauszufinden, ob das wirklich eine Alternative sein kann, bräuchte es wesentlich mehr Erkenntnisse dazu. Related Filmtip dazu: Shutter Island (spannend).

Soviel erstmal dazu
lg Doro

-------- Original-Nachricht --------
Datum: Thu, 08 Mar 2012 19:31:34 +0100
Von: David Dimitri Sverdlov <pirat AT sverdlov.de>
An: berlin-squad-integration AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Re: [Squad-IIP] [Berlin-squad-integration] Fwd: Wie halten Sie\'s mit der Zwangspsychiatrie?

Gut, ich halte mich mal kurz:

Am 08.03.2012 18:33, schrieb Guido Weyers:
/Hallo Dimitri/
/Sorry Dimitri, aber hier interpretierst du zu viel in meine Worte
hinein. Ich würde niemals Gewalt anwenden in so einem Fall, das könnte
höchstens die Polizei tun.

Die Polizei rufen oder eine Zwangseinweisung einleiten ist eben auch
eine Form von Gewalt, bzw. ihrer Delegation. Es ist ja auch oft üblich,
einen "freiwilligen" Psychiatrieaufenthalt für den Betroffenen als
alternativlos darzustellen ("sonst holen wir den Richter", etc.).

Ich verstehe dein Argument nicht. Glaubst du die Gesellschaft
ist schuld an seiner Psychose oder das die Gesellschaft nicht versteht,
was mit ihm los ist? Also inwieweit spiegelt ein Psychotiker ein Problem
der Gesellschaft wieder? Bitte erklär das mal./

Das ist eine (zugegeben durchaus strittige) Position aus der
prozessorientierten Psychologie (nach Arnold Mindell). Dazu sein Buch
"City Shadows - Psychological Interventions in Psychiatry". Da sind z.B.
Beispiele dafür aufgeführt, wie du eine akute Psychose alleine dadurch
unterbrechen kannst, dass du als Therapeut die Psychose des Patienten
übernimmst und sie besser spielst als er selber.

/Okay, einverstanden. Wo kann man dann über dieses Thema weiter
sprechen? Ich finde das sehr interessant.

Wir müssten eben was eigenes gründen, wenn wir das innerhalb der
Piratenpartei machen wollen. Ich kenne auch einen weiteren
interessierten Psychiater aus der Guybrush. Wobei ich selber
wahrscheinlich nicht die Muse hätte, das auf die Dauer zu machen. Ich
wollte es einfach angesprochen haben.

Außerhalb der Piratenpartei gibt es ja bereits diverse
Austauschmöglichkeiten, wie z.B. das trialogische Seminar:
http://www.trialog-psychoseseminar.de

Grüße,
David

--
David Dimitri Sverdlov
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