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ag-umwelt - Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] Abstimmung Positionspapier Peak Oil / Bezüge zu piratigen Kernthemen

ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Ag-umwelt mailing list

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Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] Abstimmung Positionspapier Peak Oil / Bezüge zu piratigen Kernthemen


Chronologisch Thread 
  • From: Johannes Nix <johannes.nix AT gmx.net>
  • To: energie_und_infrastruktur AT lists.piratenpartei.de, AG Umwelt <ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de>, Piratenpolitik mit Weitsicht <ag-nachhaltigkeit AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] Abstimmung Positionspapier Peak Oil / Bezüge zu piratigen Kernthemen
  • Date: Sat, 14 Jul 2012 21:01:23 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-umwelt>
  • List-id: <ag-umwelt.lists.piratenpartei.de>

Hallo Bernd,

Am Fri, 13 Jul 2012 12:33:12 +0200
schrieb Bernd <bernd.schreiner AT piraten-thueringen.de>:

> Wir sehen den zukünftigen Rückgang der globalen Ölförderung als
> ernsthaftes ökonomisches, ökologisches und sicherheitspolitisches
> Risiko an (01)(02)(03) und fordern angemessene energiepolitische
> Maßnahmen hierzu.
>
>
> weshalb?

Um es in einem Satz zu sagen: Weil wir, wenn wir nicht
frühzeitig selber vom Öl als Hauptenergiequelle Abschied nehmen,
Gefahr laufen, durch Verknappung und astronomisch hohe Energiepreise
aus seiner Benutzung regelrecht herausgequetscht zu werden.

In dem (mit - wow ! - 74 % Zustimmung angenommenen) Positionspapier
https://lqfb.piratenpartei.de/pp/initiative/show/3545.html
steht ja im zweiten Teil eine ausführliche Begründung mit
Quellenangaben.


Aber vielleicht hilft es, wenn ich stichwortartig meine
Argumentationskette wiedergebe und Du schreibst, an welcher
Stelle du sie evtl. nicht nachvollziehst:

- Konventionelles Erdöl ist endlich und seine Förderung
wird weltweit zurückgehen, sobald etwa die Hälfte der nutzbaren
Ressourcen gefördert wurden.

- Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen legen nahe, dass wir
recht nah an diesem Punkt sind oder ihn sogar schon seit 2005
überschritten haben. Der bevorstehende Rückgang könnte langsam sein
oder auch laut Internationaler Energieagentur bis zu 6.8 % jährlich
betragen. Genau voraussagen kann man aber weder Zeitpunkt noch
Verlauf des Rückgangs. In vielen Regionen wie den USA, Mexiko,
Norwegen, Großbritannien ist ein solcher schneller Förderrückgang
trotz begleitender starker Preisanstiege schon passiert.

Das sieht etwa so aus (_Daten_, nicht Prognosen!):
http://en.wikipedia.org/wiki/Export_Land_Model#Real-world_examples
http://en.wikipedia.org/wiki/File:US_Crude_Oil_Production_and_Imports.png

- Die wichtigste Ursache für den dann vergleichsweise rapiden zu
erwartenden Schwund dieser Ressource ist, dass der Löwenanteil der
Weltförderung aus wenigen sehr großen und leicht ausbeutbaren
Ölfeldern herrührt und ein wachsender Rest aus kleineren, viel
schneller erschöpften und _sehr_ viel aufwendiger zu fördernden
Ölfeldern kommt. Das gilt zB für die Tiefwasserförderung im Golf von
Mexiko mit Gesamttiefen von bis zu 10 Kilometern. Die Nutzung so
teurer Quellen zeigt deutlich die einsetzende Verknappung auf.

- Erdöl wird dann wegen der weltweit weiter steigenden Nachfrage
drastisch teurer werden. Wegen der geologischen Grenzen wird das aber
nicht dazu führen, dass mehr Öl gefördert wird. Es wird ein
Ausweichen auf andere Energieträger geben, Fracking, Ölsande, Shale
Gas, Kohle, aber die werden Erdöl mittelfristig nicht umfassend
ersetzen können. Fracking (Gewinnung von Erdgas mit Hydraulic
Fracturing) ist ein Teil dieser Ersatzkomponente und schon die
Ausweitung des Frackings ist ein Krisensymptom.


- Die Versorgung unserer Zivilisation mit Primärenergie hängt jedoch
zu einem ganz maßgeblichen Teil von _billigem_ Erdöl ab, besonders
bei Transport, Verkehr und Gebäudeheizung. Das mit der Heizung kann
man relativ leicht umstellen, wenn ausreichend Zeit von ca. 15 Jahren
zur Verfügung steht. Im Gütertransport ist das viel schwieriger.

- Die Kombination aus "Nichtwissen" und "Risiko" resultiert in einer
Art Blindflug im Gebirge. Wenn man eine krisenhafte Situation
vermeiden will, in der es keine guten Handlungsoptionen mehr gibt,
muss man deswegen vorsorgende Maßnahmen treffen und sich - so schnell
es geht - aus der Nutzung von Erdöl und anderer fossiler
Energieträger verabschieden. Und dies nicht nur bei der
Stromerzeugung sondern gerade in den Bereichen, in denen Erdöl als
Energieträger und Treibstoff dominant ist.



>
> und ist dir
>
> Wir wollen eine langfristig sichere und umweltschonende Energie-
> Infrastruktur. Dies bedeutet eine Umstellung von endlichen
> Energieträgern auf generative und regenerative Energiequellen.
[ ... ]
>
> http://www.piratenpartei.de/politik/lebenswerte-umwelt/energiepolitik/
>
> bekannt?
>


Klar. Das ist aus unserm Grundsatzprogramm. Ich weiß
schon warum ich bei den Piraten Mitglied geworden
bin und nicht beim Ku Klux Klan.

Nur macht das Energieprogramm bisher keine Aussage zu dem sehr
fundamentalen Thema Peak Oil. Eine Umstellung bis 2050 wird vermutlich
viel zu lange dauern. Elektroautos werden das Problem des
Gütertransports nicht lösen, und haben auch noch den Nachteil dass sie
aufgrund ihrer Beschränkung auf den Nahbereich tendenziell dem ÖPNV
Konkurrenz machen.

Und politikstrategisch... das Kabinett Merkel ist gerade dabei
der als Tiger abgesprungenen Energiewende die Zähne zu ziehen und sie
für RWE & Co zu harmonisieren.... die Atompirouetten und Abwrackprämie
erzeugen ja nicht nur bei Piraten Kopf-Tisch-Kollisionen und können
uns weit in wertkonservative Klientel hinein Interesse bescheren.

Die SPD wiederum hat ihr Führungspersonal dermaßen ausgebeutet, dass es
nicht anders konnte als bei Gasprom anzuheuern. Die haben wohl zuviel
Angst vor solchen Themen. Eigentlich müssen wir auch den Grünen dankbar
sein, dass sie uns dieses Feld so großzügig überlassen.

Wenn wir uns jetzt diesem "unaussprechlichen" Thema Peak Oil
offensiv widmen haben wir nette Chancen, dem Umweltministerium ein wenig
Dampf zu machen und ein eigenständiges Energie-Kompetenzprofil
aufzubauen. Das ist cool, weil die Kanzlerin genau das als
Kernthema definiert hat.


Viele Grüße.

Johannes


P.S.

Schließlich, noch eine Frage... sollen wir evtl. nur auf der Energie-
und Infrastrukturliste weiter diskutieren anstatt auf mehreren
Maillisten parallel?





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