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ag-meinungsfindungstool - [Ag Meinungsfindungstool] Nachtrag zu " Vehement für qKonsens?!"

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[Ag Meinungsfindungstool] Nachtrag zu " Vehement für qKonsens?!"


Chronologisch Thread 
  • From: WSchallehn <WSchallehn AT news.piratenpartei.de>
  • To: ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: [Ag Meinungsfindungstool] Nachtrag zu " Vehement für qKonsens?!"
  • Date: Tue, 09 Oct 2012 09:44:19 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-meinungsfindungstool>
  • List-id: <ag-meinungsfindungstool.lists.piratenpartei.de>
  • Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver


Hallo Dinu,
ich danke Dir für Deine auch in der Kritik sachlichen Anmerkungen. Sie sind gewiss für viele interessant.

Offenbar gehen wir zumindest teilweise von unterschiedlichen *Selbstverständlichkeiten *aus. Das kann erfahrungsgemäß ein größeres Hindernis sein als deutliche Meinungsverschienheiten. Deshalb will ich ein paar Punkte versuchen “aufzuhellen”, wo Du mMn gerade das ausgelassen hast, was mir wesentlich erscheint...

Zunächst zum Erdmännchen-Buch http://www.engelsdorfer-verlag.de/db/werkdetail.php?autor_id=699&werk_id=1190%20: Ich habe es nur (und erstmals!) erwähnt, um eine gedankliche Vorgeschichte nachzuweisen. Der Inhalt ist durch die aktuellen Diskussionen erheblich weiterentwickelt – und insofern für den qKonsens nicht mehr repräsentativ. Ist das nach 5 Jahren nicht selbstverständlich?? Und kommerziell ist es uninteressant – die Startinvestition wird voraussichtlich nie amortisiert...daran würden 2 oder 20 Verkäufe überhaupt nichts ändern. Wer sich für den qKonsens interessiert, sollte das Buch nicht kaufen...

Zur *Systemumgebung*: Ich “glaube” eigentlich, dass der qKonsens an die Systemumgebung überhaupt nicht besondere Ansprüche stellt. Ich habe nur erlebt, dass zwei “professionelle” Softwareentwickler zugesagt hatten, eine solche nebenbei (deswegen “semi-”) zu erzeugen – und nach einem Vierteljahr “das Handtuch geworfen” haben. Mit ein paar wenigen tausend Euro wäre das Ganze gewiss längst realisiert, aber die habe ich leider gerade nicht übrig.

Das Thema *Skalierung *betrifft zwei Dimensionen: Den Umfang der behandelten Themen und die Anzahl der Diskussionsbeiträge. Betreffs der Themen bezieht sich der qKonsens stets auf ein überschaubares Blickfeld. Die “Konsenskiste” als Standardcontainer je Debatte ist wie mit einer Taucherbrille auf etwa zwei Dutzend Kernaussagen beschränkt. Die bis jetzt von mir genannte “harte Grenze 32” ist mMn für eine sachliche Diskussion schon ziemlich hoch – sollte aber in der Realisierung flexibel gehalten sein.

Diese Taucherbrille soll natürlich über Links zu über-, neben- und untergeordneten Blickfeldern geschwenkt werden können. Ich habe freilich nur geschrieben, dass für die Navigation eine *Themensystematik *hilfreich wäre. Eine solche könnte entstehen, wenn jedes neu gestartete Thema von den Autoren logisch mit den schon vorhandenen Themen verlinkt würde. Ich schließe mich aber lieber der Argumentation von Ronald Grindle an, dass eine Themenhierarchie als Orientierungshilfe verwendet werden soll – möglichst eine schon vorhandene. Darin kann dann beliebig vernetzt/verlinkt werden. (Auch HASH hat bekanntlich klare Vor- und Nachteile)

Die problematischere Seite ist die Vielfalt der Diskussionbeiträge. Dafür ist zuerst die *Authentifikation *der Teilnehmer relevant. Aber diesbezüglich sind generelle Entwicklungen im Gange (z.B. per Piraten-ID).

Das eigentliche Skalierungsproblem liegt in der zu erwartenden "Unmenge" ;-) von Diskussionsbeiträgen. Automatisierbar ist deren Verarbeitung/Beantwortung nicht - siehe unten. Moderatoren in genügender Anzahl hat man auch nicht. Und alle bisher propagierten Ansätze laufen auf einen mehr oder weniger frommen Selbstbetrug hinaus. (Bitte überprüfen!!). Deshalb sehe ich nur ein Verfahren aus zwei Hoffnungen und einem "break":

* Wenn die im Entwurf angebotenen Kernaussagen aussagekräftig formuliert sind, geben sie großen Anreiz zu einer Bewertung, und geringsten Anreiz zu einer Diskussion.

* Wenn die Diskussionsbeiträge aussagekräftig formuliert sind, geben sie Anreiz zu Unterstützung oder Ablehnung, aber geringsten Anreiz zur Diskussion.

* Wenn es dem Moderator nicht mehr gelingt, die relevant "aussagekräftigen" Beiträge von den irrelevanten Beiträgen zu "befreien"(!), dann soll er einen "break" machen können: Folgen("Passagen"?!) von "nichtmoderierbaren" Beiträgen werden insgesamt in die History verschoben. Und alle davon betroffenen Diskutanten werden (per eMail) aufgefordert,_ ihren Beitrag unter Berücksichtigung der anderen Beiträge(!!)_ erneut einzubringen.

Zum Thema *Strukturierung*:
WS: Deshalb ist eine tiefere Strukturierung der Argumentation hilfreich - und mMn unverzichtbar.
DG: Ich glaube, das wird nicht ernsthaft bezweifelt oder? …

Lieber Dinu, Deine ganze nachfolgende Argumentation zeigt, dass die Rolle der qKonsens-Kernaussagen bei Dir noch nicht recht angekommen ist.

* Nur die Kernaussagen sollen bewertet werden. Damit sollen die Autoren sanft, aber unausweichlich gezwungen werden, von sich aus das eigentlich wesentliche hervorzuheben. Mag sein, dass so mancher Politiker damit ein Problem hat – aber das ist doch dann sein Problem und keinesfalls eine Rechtfertigung, „seinem Volk“ irgendwelches Geschwurbsel zuzumuten!

* Die zugehörigen Kontexte sollen Missdeutungen vermeiden, die durch die Kürze der Kernaussagen entstehen könnten. Natürlich können auch die Kontexte in der Diskussion kritisiert werden, aber „zählbar bewertet“ werden sie nicht!
Ich bin der festen Überzeugung, dass durch dir strukturelle Trennung zwischen Kernaussagen und Kontexten eine *Entschlackung *der Dokumente wie auch der Debatten möglich ist. Das könnte sich als Irrtum erweisen – aber wohl nur, wenn man es mit Personen zu tun hat, die eh nicht konstruktiv diskutieren wollen.

* Die Kernaussagen innerhalb eines Dokumentes werden erfahrungsgemäß differenziert bewertet. Aber diese unterschiedlichen Bewertungen werden erst im qKonsens augenfällig dokumentiert. Ich halte dies aus mehreren Gründen für einen über vieles entscheidenden Schritt nach vorn:

3.1 *Übereinstimmend *bewertete Kernaussagen aus verschiedenen Debatten bzw. Gruppen können leicht(er) kumuliert(gemergt!) werden. Dies könnte aus dem Dilemma herausführen, dass heute die Standpunkte vieler Gruppen in den wesentlichen Punkten übereinstimmen - was aber keine Wirkung hat, weil nur über die wenigen(!) unterschiedlichen Punkte diskutiert wird.

3.2 Populistische *Mogelpackungen*, wo kritische Punkte in einem Schwall von unstrittigen Aussagen versteckt „verkauft“ werden, können leichter entlarvt werden, bzw. entlarven sich selbst.

3.3 Wirklich interessant wird es dann dort, wo im Gegensatz zu 3.1 *Dissens über Kernaussagen* deutlich wird. Das kann natürlich unterschiedliche Gründe und unterschiedliche Folgen haben. Ethische Grundhaltung des qKonsens ist, _dass jede Position ihre Berechtigung hat_.

Natürlich soll immer die _erste Frage_ sein, ob es sich um ein ein /Missverständnis /handelt, das durch Verständigung über Begriffe oder Fakten aufgeklärt werden kann. Das wird mMn nicht selten möglich sein.

_Zweite Frage_: Beziehen sich die konträren Positionen auf den selben /Zeithorizont/? Nach meiner Beobachtung entstehen die meisten(!) unversöhnlichen Diskurse zwischen Pragmatikern, wenn diese ausschließlich an aktuell konkretes Handeln denken, - und andererseits Visionären, die die Orientierung auf hehre Fernziele über alles stellen. Dort würde ich als Moderator die strittige Kernaussage in zwei Kernaussagen aufgespaltet zur Diskussion stellen und dann interessiert abwarten, ob diese von den Teilnehmern unterschiedlich oder vielleicht sogar gleich bewertet werden...

_Dritte Frage:_ Haben die konträren Positionen einen unterschiedlichen „/Neuheitswert/“. Jede wirklich neue Idee „tritt als fremder Gast in die Erscheinung“! Und das führt sofort zur _vierten Frage_: Wie soll mit dem Minderheitsvotum umgegangen werden?

Hier springe ich nun gleich zum Thema *Moderation*.
*Keine der vorstehenden vier Fragen kann durch einen Algorithmus beantwortet werden!* Bitte überprüfen! Wer dafür eine theoretische Begründung sucht, findet diese in der Komplexitätstheorie. Was dort allerdings als Selbstverständlichkeit gilt: Algorithmische Lösungen gelten natürlich nur im Rahmen von „Modellen“. Im akademischen Lehrbetrieb kriegt man gezeigt, wie die Hinzunahme einer neuen Bedingung in ein Modell die zuvor noch optimale Lösung völlig verändern kann. Von daher ist es nur noch ein kleiner Schritt zu der Erkenntnis, dass Modelle „über die Zukunft“ niemals vollständig sein können. Hinzu kommt, dass es weitgehend zufallsabhängig ist, welche Argumente überhaupt in eine algorithmisch erfassbare Form gebracht werden.

Deshalb ist mMn eine* inhaltliche Moderation bei politischen Diskussionen unstrittig(!) unverzichtbar*, wenn diese ein Ergebnis haben sollen (besser „Debatte“ statt „Diskussion“ !?!). Dies allerdings nicht, wie mir mehrfach unterstellt wurde, aus Spaß an der Moderation, sondern eher als unerfreulich belastende Verpflichtung. Übrigens sollte die durchaus rigide Moderation bei Wikipedia, wo es ja eigentlich um unstrittig objektive Sachverhalte geht, schon genügend Begründung für eine Moderation der grundsätzlich strittigen politischen Diskussionen sein...

In meinen frühen Texten über den qualifizierten Konsens kommt zwar tatsächlich kein Moderator vor. Anfangs hatte ich die Vorstellung, dass der qKonsens zu jedem Thema eine *„Konsenskiste“*, also eine strukturierte Dokumentation mit bewerteten Kernaussagen nebst Kontexten liefert. Diese Konsenskiste sollte dann hilfreich für politisches Agieren sein - also außerhalb des qKonsens-Tools verwendet werden. Aber es zeigt sich inzwischen, dass der qKonsens ohne Moderation eigentlich nicht funktionieren kann. Sodann war meine Vorstellung, dass der Moderator mit gewissen Rechten und Pflichten (Dokumentation zur Verhinderung von Machtmissbrauch!) auszustatten ist - und seine Aktionen textlich erklären soll. Aber auch das wird wohl im echten Leben nicht ausreichen. Letzter Stand: Den Moderatoren muss gewiss eine komfortables Moderatorentool http://meinungsfindungstool.piratenpad.de/Moderatorentool%20zur Hand gegeben werden, damit sie eine lebendige Diskussion überhaupt bewältigen können.

Ob und wie damit eine vertrauenswürdige Moderation gestaltet werden kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab: zumindest vom Tool _und _von den Akteuren. Auf jeden Fall werden dazu Praxistests nötig sein - und etwas Geduld. Man beachte: auch mit einem idealen Tool werden die Ergebnisse nicht immer den Erwartungen entsprechen!

Nochmals meine Vorstellung: Die *Moderatoraktionen *sollen primär die "hochgevoteten" Diskussionbeiträge "einarbeiten". Alle Moderatoraktionen werden dokumentiert und damit auch zur Diskussion gestellt. Deinen Alternativvorschlag, dass „der Moderator jederzeit austauschbar ist“ halte ich für völlig unrealistisch - denn wer sollte denn die Macht zu diesem Austausch haben? Und wie sollte ein Missbrauch dieser Macht ausgeschlossen werden?

Für den vorraussichtlich gar nicht so seltenen*[b]GAU *[/b], dass ein Diskutant auch mit "völliger Ablehnung" einer Kernaussage nicht zufrieden ist und ganz anders formulierte Kernaussagen will,sehe ich wirklich nur einen Weg. Dann muss die Debatte geforkt werden. Unterstützt wird das, indem der Diskutant den aktuellen Arbeitsentwurf exportieren und als Startentwurf für eine parallele Debatte importieren kann. Ansonsten kann er eine neue Debatte separat starten. Sobald eine solche parallele Debatte existiert, sollte diese über einen Marker im Kopf der Primärdebatte verlinkt werden. Das wäre freilich wieder ein Feature, über das bisher noch nicht gesprochen wurde.

Schließlich zurück zur vierten Frage. Ob ein *Minderheitsvotum *substanziell neu oder doch nur „alter Wein in neuen Schläuchen“ ist, kann ganz bestimmt kein Algorithmus entscheiden. Es sei denn, es würde für alle Kernaussagen neben Zustimmung/Ablehnung eine zweite Bewertungsdimension „Neuheitswert“ (neu/alt) mitgeführt. Das wäre aber nur selten relevant, und würde die usability schon erheblich beeinträchtigen. Mit gleichem Recht könnten noch weitere Bewertungsdimensionen eingeführt werden – mir liegt ein Vorschlag mit 5(!) Bewertungsdimensionen vor.(Nicht zu verwechseln mit der 5-wertigen Skala innerhalb jeder Dimension!) Ich halte dies aus der Sicht der Teilnehmer für völlig unzumutbar – für den Prototyp also für undiskutabel. Was ja nicht ausschließt, solche Funktionalität für den Expertenmodus einer späteren Version vorzumerken...

Und nochmal zurück zur Frage nach den Minderheitsvoten. Eines der größten Hindernisse für eine wirksame Basisdemokratie scheint mir, dass sich viele Einzelkämpfer und Grüppchen an einem oder wenigen Lieblingsargumenten festbeißen. Dem wird kaum offen widersprochen – weil alle anderen ihre eigenen Steckenpferde reiten. Und so bleiben die gemeinsamen Interessen, *die eigentlich viel wichtiger sind*, außen vor...

Deshalb finde ich es so überaus wichtig, dass alle diese Minderheitsvoten durch eine „demokratische“ Bewertung auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden. Zugegeben: Ich erwarte schon, dass sich die meisten dieser exotischen Minderheitspositionen gar nicht bereit finden werden, ihre Kernaussagen zur Diskussion zu stellen. Aber das wäre ja schon als Selbsterkenntnis deutbar. Auf jeden Fall finde ich einen klaren Ausweis des Zustimmungsgrades auch für Minderheitsvoten hilfreich für den /fairen Umgang von Mehrheiten und Minderheiten /miteinander - d.h. also in beiden Richtungen!

Soviel zu einigen Fragen von Dinu und Alex.
Wer über den qKonsens etwas in einem Wiki lesen möchte, findet dies hier:
http://www.leipzig-netz.de/index.php5/Konsenskiste
Bisher einzige Wiki-Darstellung; entstanden 2010, bis 10/2012 12614-mal abgerufen.

Ist wohl wieder ein bisschen viel geworden. Bitte vorm "Einhaken" an Einzelpunkten nochmal den Gesamtzusammenhang erfassen. Allerdings sehe ich auch mich selbst in der Pflicht, baldmöglichst ;-) eine Gesamtdarstellung des Konzeptes qKonsens zu liefern...

Gruß!
Wolfgang

PS
Auf Alex Konglomerat von "Fluch und Segen"(seine eigenen Worte!) vermag ich nicht salonfähig zu antworten. Will dies also per PM tun, sobald ich dazu komme.




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