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ag-meinungsfindungstool - [Ag Meinungsfindungstool] Vehement für qKonsens?!

ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Ag-meinungsfindungstool mailing list

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[Ag Meinungsfindungstool] Vehement für qKonsens?!


Chronologisch Thread 
  • From: WSchallehn <WSchallehn AT news.piratenpartei.de>
  • To: ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: [Ag Meinungsfindungstool] Vehement für qKonsens?!
  • Date: Wed, 03 Oct 2012 09:01:22 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-meinungsfindungstool>
  • List-id: <ag-meinungsfindungstool.lists.piratenpartei.de>
  • Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver


Dinu Gherman hatte unter dem Thema "Schwarmintelligenz" einige wichtige Fragen gestellt. Da eine gründliche Antwort darauf nicht unter das Stichwort "Schwarmintelligenz" passt - nun also hier als neues Thema.

Hallo Dinu,
als kritischer Mitleser brauchst Du Deine grundsätzlichen Fragen nicht als "Rant" abqualifizieren.

Ganz im Gegenteil: Diese Fragen stellen sich gewiss auch viele andere. Und deshalb greife ich die Gelegenheit gern auf, Grundsätzliches zum qKonsens nachzuliefern. Zumal der qKonsens als erstes Plugin des Meinungsfindungstools (MFT) realisiert werden soll...

Die Frage nach bisherigen überzeugenden Anwendungen berührt eine alte Wunde. Die Grundidee hatte ich im Jahr 2007 in dem Büchlein "Das Erdmännchen-Projekt" http://www.engelsdorfer-verlag.de/db/werkdetail.php?autor_id=699&werk_id=1190 publiziert. In den Jahren 2008/2009 gab es eine hoffnungsvolle Entwicklung mit dem Internet-Portal "Trupoli". Dort waren die für den qKonsens benötigten Funktionalitäten Bewertung, Diskussion, Gruppen u.a.m. implementiert. Durch intensiven Kontakt zu den Entwicklern war es auch gelungen, das für den qKonsens typische enge Zusammenspiel von Bewertung und Diskussion nahezu ideal zu realisieren.

Als erste Anwendung war das Programm der LINKEN zur Leipziger Kommunalwahl 2009 in Form von Kernaussagen und Kommentaren eingestellt. Ich muss vielleicht einflechten, dass ich zur Partei DIE LINKE ein sehr kritisches Verhältnis habe, aber dort ein paar Leute kenne, die ich für sehr vernünftig halte.

Großer Schock: der Trupoli-Server wurde über Nacht abgeschaltet. Meine Kontaktpersonen waren weder per eMail noch telefonisch zu erreichen. (Das heutige Trupoli.com hat augenscheinlich mit dem damaligen absolut nichts zu tun!) Ich habe bis heute keine Begründung für dieses Ende. Lediglich die Vermutung, dass die Geldgeber von Trupoli eine gesellschaftskritische Kompetenzentwicklung gesehen haben, die Anlass zu dem abrupten Abbruch gab.

Danach meine naive Hoffnung: nicht nur, dass es bei Trupoli schon funktioniert hatte. Die benötigten Kernfunktionen Bewerten und Diskutieren gibt es in unzähligen Implementierungen. So schien es mir ein Leichtes, bald den qKonsens neu zu realisieren. Einer meiner größten Irrtümer...

Von mehreren Versuchen mit semiprofessionellen Systementwicklern hat es dann nur udeci bis ins Internet geschafft. Die eigentlich ziemlich einfache Funktionalität des qKonsens erfordert eben doch eine Systemumgebung, die nicht so einfach aus dem Ärmel zu schütteln ist. Dabei wäre diese vermutlich für einen Systemexperten ziemlich leicht anzupassen. Aber wer da soeben "das beste Meinungsfindungstool" implementiert hat, ist leider schwer für eine alternative Methodik zu gewinnen...

Warum kämpfe ich nun so "vehement" für den qKonsens? Grob gesagt: weil die heutige abgrundtiefe Misere des Politikbetriebs durch keine der derzeit implementierten Methoden überwunden werden kann. Ich versuche nachfolgend zu erklären, warum die einzelnen Methoden keine Lösung bringen, meist sogar von einer Lösung wegführen.

Erster Knackpunkt ist die Ganzheitlichkeit. Kein Politikfeld oder Problemkreis lässt sich auf ein einziges Statement reduzieren. Wer Atomstrom oder Beschneidung oder Grundeinkommen oder Basisdemokratie oderoderoder mit einem Satz abtun will, vernachlässigt Wesentliches(!). Jedes Politikfeld, und natürlich auch jedes detailliertere Unterthema ist mit seinem FÜR und WIDER nur durch eine gewisse Menge von Aussagen darstellbar. Deshalb ist eine tiefere Strukturierung der Argumentation hilfreich - und mMn unverzichtbar. Und eine darauf aufbauende unmittelbare Verbindung von Bewertung und Diskussion ermöglicht ein völlig neues Niveau von *Effizienz und letztlich auch Effektivität* politischer Arbeit.

Dadurch können folgende Hauptprobleme aktueller Implementierungen überwunden werden:

* Meist wird bisher ein Dokument als Ganzes zur Diskussion gestellt. Wenn es gut geht, werden die am häufigsten kritisierten Stellen "korrigiert". Es wird aber bisher nie gezählt, wieviele Teilnehmer gerade diese "Stellen" zustimmend akzeptiert haben. 5 Kritiker werden berücksichtigt - 5000 Zustimmer werden ignoriert...
Das ist aber nur ein grobes Beispiel. Die Behandlung von Dokumenten "im Ganzen" hat generell das Problem, dass Mogelpackungen und faule Kompromisse entstehen.

* Im Gegenbeispiel BasDem werden nur die Zustimmungen gezählt. Gegenstimmen werden generell ignoriert, ich würde sagen "weggebügelt". Halte ich für grundgefährlich: erstens, weil Entwicklungspotenziale verschenkt werden, und zweitens, weil solche unfaire Behandlung von Minderheitsvoten potenzielle Partner verprellt.
Demgegenüber: Eine deutliche Feststellung "Dieses Votum erhielt 5%" sehe ich als durchaus hilfreich fair an!

* Die Vielfalt der relevanten Aussagen ist objektiv problematisch. Meist werden die inhaltlich wichtigsten Aussagen öffentlichkeitswirksam verpackt - oder gar versteckt. Das deutliche Herausstellen der wesentlichen Aussagen ist ein Merkmal kompetenter Autoren - aber solche Aussagen verpuffen meist wirkungslos, weil sie praktisch nie(!) zur Bewertung und Diskussion gestellt werden.
Deshalb bedeutet es eine völlig neue Qualität, wenn im qKonsens alle Kernaussagen einzeln zu Bewertung und Diskussion gestellt werden! Dabei ist vielleicht der wichtigste Unterschied zu herkömmlichen Implementierungen, dass die Kernaussagen im Zusammenhang erscheinen und "lesebegleitend" bewertet werden können (während der Zusammenhang bisher durch mehrere Klicks mit "Fenster auf und zu" zerstört wurde).
Die Trennung von Kernaussagen und Kontexten ist mMn unbedingt notwendig, um den Diskussionsprozess wie auch als wichtigstes dessen Ergebnis überschaubar zu halten und auf das Wesentliche zu fokussieren.

* Die meisten Diskussionen (Beispiel Sync-Forum) liefern "selbstverständlich"(!) kein greifbares Ergebnis. Mal abgesehen von den Beiträgen, die schon ohne jeglichen Gebrauchswert, also als Müll im Thread ankommen. Auch substanziell Wichtiges ist im Nachhinein kaum noch zu finden.
Deshalb startet der qKonsens grundsätzlich mit einem Entwurf, der durch die Bewertungen gewichtet und durch die Diskussion verbessert werden kann. Der aktuelle Stand des "Arbeitsentwurfs" ist jederzeit sichtbar und wird schließlich als Dokument weiterverwendet, i.d.R. als Input für ein Beschluss(fassungs-)System.

* Die meisten Diskussionen laufen eh am Wesentlichen vorbei.
Beim qKonsens ist das so gedacht: Kernaussagen mit hoher Zustimmung oder klarer Ablehnung (auch das soll es geben!) brauchen nicht mehr diskutiert werden. Kernaussagen mit "gespaltener" Bewertung geben Anlass zu Diskussion! Und anders herum: Heftig diskutierte Kernaussagen fordern zur Bewertung auf. So entsteht eine feedforward-Kopplung zwischen Bewertung und Diskussion, die zur Wirksamkeit des Ergebnisses durch Gewichtung und Verbesserung beiträgt.

* Viele Konzepte glauben ohne Moderation auszukommen. Sie meinen, dass Partizipation ("der Vielen") gesichert sei, wenn alle ihre Beiträge einbringen, vielleicht noch gegenseitig voneinander "übernehmen" können - dann werde die "kollektive Intelligenz" sich schon irgendwie algorithmisch formieren und durchsetzen.

Ich halte das für einen katastrophalen Irrtum. Ich sehe zwar durchaus auch die Grenzen der Moderation, die durch die Versuchung zu Machtmissbrauch und die Endlichkeit der Kompetenz selbst der besten Moderatoren bedingt sind. Dies ist gewiss nicht absolut ausschließbar, aber weitgehend einschränkbar.
Deshalb ist beim qKonsens vorgesehen, dass jede Moderatorenaktion dokumentiert und damit zur Diskussion gestellt wird. Der E-Fall, dass Moderator und Diskutant nicht "unter einen Hut kommen", ist nicht auszuschließen. Dann soll der Diskutant eine parallele Debatte zum selben Thema eröffnen können.
Aber der Normalfall ist, dass der Moderator gemäß Diskussion und Bewertung die Kernaussagen vervollkommnet. Dieser Weg führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zur aktuell bestmöglichen Lösung. (Damit kann man mMn gut leben, wenn man eingesteht, dass eine "ideale" Lösung praktisch eh nicht erreichbar ist!)

Zusammenfassung: Der qKonsens will eigentlich weiter nichts, als die Urfunktionalitäten Diskussion und Bewertung auf "handlich" strukturierte(!) Dokumente anwenden - und dies in maximal teilnehmerorientierter Form! Soviel zu den Knackpunkten und Alleinstellungsmerkmalen des qKonsens.

Hoffentlich ist nun verständlich, dass man in Wikipedia dazu (noch) nichts findet. Ist nicht gerade das ein Grund, sich intensiv mit dem qKonsens zu beschäftigen?! Wenn inzwischen die Überzeugung herangereift ist, dass dringendst ein "neues politisches Betriebssystem" gebraucht wird, dann muss man schon mal über den Tellerrand hinausschauen - odrrr?

Gruß!
Wolfgang

PS
Dies ist als Diskussionsgrundlage gedacht. Etwa ebenso fände ich eine Vorstellung der bereits implementierten MF-Tools hilfreich, eigentlich sogar notwendig.




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