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ag-meinungsfindungstool - [Ag Meinungsfindungstool] Anforderung "Politik-Defizite überwinden!"

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Betreff: Ag-meinungsfindungstool mailing list

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[Ag Meinungsfindungstool] Anforderung "Politik-Defizite überwinden!"


Chronologisch Thread 
  • From: WSchallehn <WSchallehn AT news.piratenpartei.de>
  • To: ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: [Ag Meinungsfindungstool] Anforderung "Politik-Defizite überwinden!"
  • Date: Sun, 22 Apr 2012 20:22:06 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-meinungsfindungstool>
  • List-id: <ag-meinungsfindungstool.lists.piratenpartei.de>
  • Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver


Hier nun der oben angekündigte Diskussionsansatz für Anforderungen an ein zukunftsträchtiges Meinungs- und Willensbildungstool.

/Problemsituation/
Frage im ARD-Presseclub am 22.4.: „Woher soll das Geld kommen, wenn alle hoch verschuldet sind?“ So, wie die Frage gestellt ist, schließt sie eine grundsätzliche Lösung von vornherein aus. Die eigentliche Frage ist doch: *Wie können wir Europäer mit dem Vorhandenen Leben?* Wir haben einen ungeheuren Überschuss an Gütern und an Arbeitskraft. Das generelle Problem ist, dass wir ungeheure Schulden bei Kapitaleignern haben, deren „Guthaben“ um ein Vielfaches größer ist als die Leistung, die sie der Gesellschaft als Gegenleistung erbracht haben. Das ist zwar alles legal historisch begründet. Und alle bisherigen Versuche, diesen Zustand zu verbessern, haben eher Verschlechterungen gebracht. Aber die Relation zwischen Real- und Finanzwirtschaft muss wohl grundlegend neu gestaltet werden.

/Problematik bisheriger Versuche/
Zunächst wurde festgestellt, dass hier „der Markt“ nicht hilft. In der Wirtschaft gilt als durchaus gesund, dass unrentable Unternehmen vom Markt verschwinden. Das wurde übrigens mit Hilfe der Ratingagenturen beschleunigt, indem die Schwächsten die höchsten Zinssätze bezahlen sollten. Nur: wenn Griechenland u.a.m. aus Europa „verschwinden“ (und ebenso die Solarindustrie aus Deutschland), dann ist das wohl überhaupt nicht mehr „gesund“.

Daran schließt sich die Erkenntnis an, dass eine "Darwinsche" Lösung dieser Problematik nicht zu erwarten ist. Wenn eine Gesellschaft hochentwickelten Individuen größtmögliche Freiheiten gewährleisten soll, dann muss wohl zuerst diese Gesellschaft subtil organisiert sein. Und das ist gewiss alles andere als einfach. Die bisherigen "lokalen" Prototypen" solcher Gesellschaften haben aus verschiedenen Gründen nicht überlebt.

Machen wir einen großen Sprung. *„Sebastian Nerz erklärt das politische Betriebssystem“.* Kennt ihr alle. Hoppla! Jeder Pirat weiß, dass das Betriebssystem selbst für den kleinsten Computer aus einem Set von Hunderten wohldefinierten Strukturen und Prozessen besteht. Für einen modernen Staat müssen das gewiss einige Tausend sein. Das konnte Sebastian Nerz beim besten Willen nicht mal ansatzweise entwickeln. Aus gewissem Abstand betrachtet steht er da in einer Reihe mit prominenten Persönlichkeiten. Philipp Rösler mit seinem neuen Wachstum, das eigentlich nur eine Art Krebswachstum sein kann. Gesine Lötzsch mit dem Ausprobieren verschiedener Wege zum Kommunismus – von denen keiner auch nur ansatzweise vorstellbar ist. Das sind drei Persönlichkeiten, vor deren Lebensleistung ich großen Respekt habe. Die jedoch alle drei hoffnungslos(!) überfordert sind, wenn sie nolens volens die Meinungsführerschaft für den Weg aus den heutigen Problemsituationen übernehmen.

*Ich halte es deshalb für unabdingbar, alle aus bisherigen Gebräuchen abgeleiteten Anforderungen absolut in Frage zu stellen.*(Übrigens Pkt.1 der „Methode“ von Descartes!) Leider ist abzusehen, dass keine der in der bisherigen Anforderungsanalyse erfassten „personae“ meine nachfolgend skizzierte (an anderer Stelle schon mehrfach explizierte) Anforderung stellen wird. Aber ich gebe zu bedenken, dass viele unserer heutigen Selbstverständlichkeiten (z.B. Penicillin, Eisenbahn, Internet(!), usw. usf.) niemals zustande gekommen wären, wenn ihre Entwicklung einer Volksabstimmung bedurft hätte.

/Anforderung „Kristallisationspunkt“/
Mein Vorschlag „qualifizierter Konsens“(qKonsens) kann natürlich diese Probleme nicht lösen. Genausowenig wie ein Strickmuster einen Pullover strickt oder eine Zimmermannsaxt ein Haus baut. Aber er soll als Kristallisationspunkt und Verhaltensweise zur Lösung der Probleme beitragen. *Der Grundgedanke ist, politische Argumentationen in etwa gleicher Weise wie ökonomische und technische Probleme zu strukturieren und zu gestalten. * Dahinter steckt die Hoffnung, dass die politisch handelnden Menschen dies als unausweichlich erkennen und zielführend einsetzen.

Kein Mensch würde auf die Idee kommen, in ein Auto oder in ein Handy oder in ein Bauwerk mal gerade das einzubauen, was ihm eben (oder in der letzten Nacht) spontan eingefallen ist. Noch abstruser wäre die Vorstellung, dass jemand(vielleicht ein kleines Team) in ein paar Tagen ein Auto oder Handy zusammenschraubt und dann nur noch Stimmen eingesammelt werden, die diese Kreation gut finden.* Aber genau das sind die heutigen politischen „Arbeitsmuster“: *den Gesamtzusammenhang ignorierende Einzelideen, und komplett zur Abstimmung gestellte „Papiere“, wo dann nur noch die lautstärksten Einsprüche eine Chance auf Berücksichtigung haben.

Demgegenüber wird in technischen Projekten jedes Detail genau dokumentiert. Der Gesamtzusammenhang wird durch subtile Regelungen gesichert. Und jede Änderung eines Details wird erst technisch, ökonomisch und ggf. juristisch bewertet, ehe sie in den Plan aufgenommen wird! Klar ist: die „Details“ sind in politischen Diskussionen nicht „bis zur letzten Schraube“ definiert. *Deshalb ist das kleinste Detail im qKonsens eine „eindeutig formulierte Aussage“.*

Wohlgemerkt: auch der qualifizierte Konsens geht von „Entwürfen“ aus, die Einzelpersonen oder Teams vorbereitet haben. Der qKonsens ist keine Ideenquelle. Aber er unterstützt diejenigen Ideengeber, die ihre Entwürfe in einer handhabbaren („operationalen“) Form zur Weiterbearbeitung bereitstellen.* Das bedeutet vor allem, dass die substanziellen Kernaussagen deutlich herausgestellt werden.* Erläuternde Kontexte sollen auf das wirklich notwendige beschränkt werden. Es mag ja sein, dass ich darin irre. Aber ich bin überzeugt, dass dieses Prinzip für echt kreative Autoren sehr hilfreich ist – und dass andererseits sowohl hohles Gelaber wie auch demagogische Konstrukte relativ leicht zu entlarven und zu eliminieren sind.

*Der eigentliche Zweck des qKonsens ist das Ausreifen der Entwürfe. *Durch Diskussion und Bewertung aller einzelnen (das ist der Knackpunkt!) Kernaussagen soll sowohl die Reife des Konzeptes selbst wie auch die Reife der Übereinkunft erreicht werden. Ergebnis kann ein „Standpunkt“ sein – durchaus mit all seinem FÜR und WIDER zu den Einzelaussagen. Ergebnis kann auch ein Aktionsplan sein. In beiden Situationen kann ein „Beschluss“ als Willenserklärung integriert sein. Dazu muss nur eine der Kernaussagen lauten: „Dieses Dokument soll am __.__.__ in Kraft gesetzt werden“. In den zugehörigen Spielregeln (z.B. Geschäftsordnung) könnte und sollte eine Trennung der Phasen „Diskussion“ und „Beschlussfassung“ geregelt sein. Die Inkraftsetzungsklausel kann natürlich in der Diskussionsphase als unverbindlich mitgeführt werden. Echt wirksam wird sie erst, wenn per Spielregel ein beschlussrelevanter Teilnehmerkreis sowie Quorum und Termin für die Gültigkeit vereinbart sind.

Eine Zweigleisigkeit von Diskussions- und Entscheidungstool würde nach meiner heutigen Sicht einen schwerwiegenden Geburtsfehler bedeuten. Zumindest sollte bei konkurrierender Entwicklung die Option bleiben, dass ein Diskussionstool bis zur Entscheidung benutzt werden kann, und/oder ein Entscheidungstool die vorangehende Diskussion einbindet. *MMn ist es höchst wichtig, dass auch die „leisen Stimmen“ über die Bewertung der Kernaussagen mit erfasst werden.* Erst wenn „die Weisheit der Vielen“ dokumentiert wird, kann von partizipativer Basisdemokratie die Rede sein. Insofern ist der qKonsens auch gegen lautstarke, aber eben missverstandene Basisdemokratie gerichtet. Jeder Diskussionsbeitrag soll sich ja auch wieder der Bewertung „+ soll berücksichtigt werden“ oder „- soll nicht berücksichtigt werden“ stellen. Da wird sich hohles Geschwurbsel hoffentlich in Grenzen halten...

/Schlusswort/
MMn liegt die Zukunftsfähigkeit der Piraten im Verhältnis zu dem eingangs genannten Problem.* Also ist die wichtigste Anforderung an ein Meinungs-/Willensbildungstool die Eignung für eine partizipative Behandlung und Lösung solcher komplexer Probleme.*
Ganz nebenbei gesagt: Hier sind die „Kernaussagen“ in Fettdruck hervorgehoben. Ich bitte also, die Diskussion auf diese zu konzentrieren.

Gruß!
Wolfgang




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