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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Antrag Gesundheitsprogramm für den BPT12.2 im LQFB

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

Listenarchiv

Re: [AG-Gesundheit] Antrag Gesundheitsprogramm für den BPT12.2 im LQFB


Chronologisch Thread 
  • From: Wolfgang Gerstenhöfer <wolfgang.gerstenhoefer AT gmx.de>
  • To: "AG Gesundheit" <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Cc: "Nerz, Sebastian" <sebastian.nerz AT piratenpartei.de>, "Ponader, Johannes" <johannesponader AT googlemail.com>, Schlömer, Bernd <Bernd.Schloemer AT piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Antrag Gesundheitsprogramm für den BPT12.2 im LQFB
  • Date: Sat, 7 Jul 2012 17:49:51 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Ahoi zusammen,

... und ich dachte immer die Piraten seien für individuelle Freiheit - auch
deshalb die Forderung nach einem BGE - und nicht für kollektive
Zwagsbeglückung und aufgezwungene "Wohltaten".

Sicher wäre es schön, wenn eine Gesundheitsreform so einfach wäre ... dann
hätten wir sie wahrscheinlich bereits seit den 1960er Jahren ...

Im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen gab es Plakate mit dem folgenden
Text:

"Wir halten uns an das Grundgesetz, da sind wir konservativ."

Soll das für Privatpatienten und die privaten Krankenversicherer nicht
(mehr) gelten?

Sowohl die privaten Krankenversicherer als auch die Privatversicherten
stehen unter dem Schutz des Grundgesetzes. Berührt sind hier mindestens die
Grundrechte auf Eigentum, auf Berufsfreiheit und auf die freie Entfaltung
der Persönlichkeit, möglicherweise auch das Grundrecht auf
Vereinigungsfreiheit.

Nur am Rande: Es gibt private Krankenversicherer, weil es Privatpatienten
gab, und nicht etwa umgekehrt. Es wird sie auch immer geben.

Bei einer Versicherungspflicht für alle und einer Bemessung der Beiträge am
gesamten Einkommen werden sich das dann allerdings wirklich nur noch die
Superreichen leisten können. Soll das sozial sein?

Einmal ganz abgesehen davon, daß eine weitere Erhöhung der
Beitragsbemessungsgrenze - und hier ist nicht die regelmäßige Anpassung an
die Einkommensentwicklung gemeint - auch an verfassungsrechtliche Grenzen
stößt.

Begonnen hat die gesetzliche Krankenversicherung in den 1880er Jahren als
reine Krankengeld-, als reine Verdienstausfallversicherung, da war ein
einkommensabhängiger Beitrag durchaus logisch und konsequent. Das ist aber
schon sehr lange her. Auch bei der Rentenversicherung kann ein
einkommensabhängiger Beitrag rechtfertigt werden, da sich die Leistungen,
die Rente am Einkommen orientiert.

Da die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung schon lange
überwiegend nicht mehr einkommensabhängig sind (nur noch das Krankengeld),
ist es ohnehin schon bedenklich, dass die Beiträge nach wie vor
einkommensabhängig erhoben werden.

Der Solidarausgleich sollte deshalb - wie es sich für eine
Krankenversicherung gehört - zwischen Gesunden und Kranken stattfinden. Der
Ausgleich zwischen arm und reich gehört in das Steuersystem mit
entsprechenden Transferleistungen (negative Einkommensteuer, Bürgergeld,
bedingungsloses Grundeinkommen oder ...) sichergestellt werden. Da und nur
da gehört er hin.

Das ist auch gerechter, weil es tatsächlich alle Bürger - und auch die
Unternehmen - erfasst und die Last so auf wesentlich mehr und belastbarere
Schultern verteilt werden kann, ohne sie in eine Einheitskrankenversicherung
zu zwingen.

Die Piraten sollten nach meiner Überzeugung für eine Gesundheitsreform
eintreten, die zu einer generationengerechten, möglichst zukunftssicheren
und bezahlbaren Krankenversicherung führt, die größtmögliche Wahlfreiheit
mit der medizinisch notwendigen Vorsorge, Untersuchung und Behandlung
verbindet und zu angemessenen Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen führt.

Mein Konzept liegt Euch vor. Ihr findet es auch noch einmal im weiteren
Verlauf dieser E-Mail.

Klar zum Ändern?!

Freundlich-piratige Grüße und noch ein schönes Wochenende
Wolfgang

http://wiki.piratenpartei.de/Benutzer:Wolfgang_Gerstenh%C3%B6fer


----- Original Message ----- From: "sternhh" <sternhh AT news.piratenpartei.de>
To: <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
Sent: Saturday, July 07, 2012 5:28 PM
Subject: [AG-Gesundheit] Antrag Gesundheitsprogramm für den BPT12.2 im LQFB



https://lqfb.piratenpartei.de/pp/issue/show/2183.html

Vielen Dank für die vielen Rückmeldungen, konstruktiven
Verbesserungsvorschläge und das feinfühlige Lektorat. Wir freuen uns über
Eure Unterstützung im LQFB.

Liebe Grüße

Norman
--
AG-Gesundheitswesen mailing list
AG-Gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-gesundheitswesen



----- Original Message ----- From: Wolfgang Gerstenhöfer
To: 'Sub-AG der AG Gesundheit der Piratenpartei Deutschland'
Cc: AG Gesundheit
Sent: Friday, May 25, 2012 11:50 AM
Subject: [AG-Gesundheit] Vorschlag für eine Positionierung der Piraten zum
Thema Krankenversicherung


Ahoi zusammen,

hiermit mache ich einen Vorschlag für eine mögliche Positionierung der
Piratenpartei Deutschland zum Thema Krankenversicherung:

"Krankenversicherung der Zukunft

Für die Piraten ist der Sozialstaat ein Staat, der nicht selbst quasi
bevormundend für die soziale Sicherheit seiner Bürger sorgt (Zwangssystem
wie z. B. die so genannte Bürgerversicherung), sondern sicherstellen muss,
dass jeder für seine soziale Sicherheit vorsorgen kann (z. B. mithilfe des
bedingungslosen Grundeinkommens).

Die Piraten setzen sich deshalb zum einen dafür ein, dass jeder eine
möglichst große Wahlfreiheit hat, beim wem und wofür er sich versichern
möchte, und zum anderen für eine Finanzierung, die möglichst zukunftssicher,
also weitgehend unabhängig von der Bevölkerungs- und auch von der
Einkommensentwicklung ist.

Es geht darum, das Krankenversicherungssystem endlich an die demografsche
Entwicklung unserer Gesellschaft anzupassen und für die Zukunft nachhaltig
und damit generationengerecht finanzierbar zu machen und gleichzeitig die
ebenfalls nicht mehr zeitgemäße Trennung von gesetzlicher und damit
quasi-staatlicher Krankenversicherung (GKV) und privater Krankenversicherung
(PKV) aufzuheben.

Die Piraten stehen für eine Gesundheitsreform, die zu einer
generationengerechten, möglichst zukunftssicheren und bezahlbaren
Krankenversicherung führt, die größtmögliche Wahlfreiheit mit der
medizinisch notwendigen Vorsorge, Untersuchung und Behandlung verbindet und
zu angemessenen Arbeitsbedingungen
im Gesundheitswesen führt.


Kern der Reform der Piraten ist die Umstellung des Finanzierungssystems vom
nicht mehr dem Bevölkerungsaufbau (Pilz statt Pyramide) entsprechenden
Umlage- auf das versicherungsmathematische Kapitaldeckungsverfahren und
gleichzeitig die Verlagerung des Sozialausgleichs in das Steuersystem und
damit auf eine wesentlich breitere Basis (alle Bürger und Unternehmen), ohne
den Menschen eine Einheitsversicherung oder überhaupt einen bestimmten
Versicherungsschutz über eine Grundversorgung hinaus aufzuzwingen.


Die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung wird zugunsten einer
Pflicht zur Versicherung ersetzt - analog der
Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung. Demnach muss jeder einen gesetzlich
definierten Basisversicherungsschutz bei einem Träger der
Krankenversicherung abschließen. Dessen Leistungen orientieren sich an dem
derzeitigen Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.
Alternativ besteht die Möglichkeit, Tarife zu wählen, die zusätzliche,
höhere oder umfangreichere Leistungen, Beitragsrückerstattungen oder auch
gar keine, geringere oder andersartige Selbstbeteiligungen/Zuzahlungen
vorsehen.

Der Basisversicherungsschutz bzw. -tarif steht jedem offen. Bei den anderen
Tarifen kann eine Risikoprüfung vorgesehen werden, die zu einer Annahme,
einer Annahme mit einem Risikozuschlag oder einem Leistungsausschluss und
auch zu einer Ablehnung des Antrags führen kann.

Das Angebot der Träger der Krankenversicherung soll so aussehen, dass es
zwingend eine Basis-Krankheitskostenvollversicherung (Basistarif) gibt und
darüber hinaus - aber das bestimmt letztendlich der Wettbewerb -
verschiedene Krankheitskostenvollversicherungstarife z. B. auch nach wie vor
für Beihilfeberechtigte.

Dieser Versicherungsschutz ist vertraglich garantiert und kann nicht - wie
heute in der gesetzlichen Krankenversicherung möglich und üblich - jederzeit
durch den Gesetzgeber einseitig verändert und in den meisten Fällen bei
steigenden Beiträgen - durch Erhöhung der Beitragssätze und der
Beitragsbemessungsgrenze - gekürzt werden.

Ob es Zusatz- oder Ergänzungstarife - wie wir sie heute in der privaten
Krankenversicherung kennen - dann überhaupt noch geben wird, wird sich
zeigen (Wettbewerb).

Für den Basistarif gilt ein Kontrahierungs-, also ein Annahmezwang, dennoch
findet eine Risikoprüfung statt – dies gilt auch für Umwandlungen in den
Basistarif. Eine Ablehnung des Antrags ist aber nicht zulässig. Notwendige
Risikozuschläge sind für einen branchenweiten finanziellen Spitzenausgleich
„fiktiv“ zu ermitteln.

Während der Vertragsdauer nach dem Basistarif darf dieser Beitragszuschlag
nicht verlangt werden. Bei einer Umstellung aus dem Basistarif in einen
anderen Tarif wird für etwaige Mehrleistungen eine Risikoprüfung
durchgeführt sowie der bei Vertragsabschluss ermittelte Beitragszuschlag
erhoben.

Diese Risikozuschläge (versicherungsmedizinische Beitragszuschläge) können
von den Trägern der Krankenversicherung nicht willkürlich festgelegt und
erhoben werden. Ihre Höhe muss versicherungsmedizinisch, also mit der Höhe
der voraussichtlich entstehenden Kosten begründet und
versicherungsmathematisch berechnet werden.

Der Spitzenausgleich ist notwendig, um eine ungleiche Verteilung der Risiken
auf die einzelnen Träger der Krankenversicherung auszugleichen. Nur ein
solcher Ausgleich macht einen Annahmezwang gegenüber der jeweiligen
Versichertengemeinschaft vertretbar. Hierbei wird die unterschiedliche
Versicherten- und Krankheitsstruktur berücksichtigt. Träger der
Krankenversicherung mit älteren und kränkeren Versicherten erhalten über den
Spitzenausgleich mehr Mittel als Träger mit einer Vielzahl an jungen und
gesunden Versicherten.

Die Beiträge für den Basistarif werden weitgehend identisch sein, da die
Leistungen gesetzlich für alle gleich festgelegt werden. Leichte
Unterschiede kann (und sollte) es wegen der einzukalkulierenden
Verwaltungskosten geben. Diese sind richtig und wichtig, um einen Anreiz zu
einem wirtschaftlichen und kostenbewussten Umgang mit den Geldern der
Versicherten/Kunden zu gewährleisten.

Die Beiträge sowohl des Basistarifs als auch aller anderen Tarife werden
nach versicherungsmathematischen Grundsätzen kalkuliert. Sie sehen die
Bildung von Alterungsrückstellungen vor, die dazu dienen, die mit
zunehmendem Alter steigenden Krankheitskosten auszugleichen.
Beitragserhöhungen oder -senkungen müssen - allerdings höchstens einmal pro
Jahr - vorgenommen werden, wenn die kalkulierten von den tatsächlichen
Versicherungsleistungen abweichen.

Dabei gibt es einen gesetzlich festgelegten Ermessensspielraum für den
einzelnen Träger der Krankenversicherung. Dieser ermöglicht es, auf
Beitragserhöhungen ganz oder teilweise zu verzichten, wenn mittels einer
guten Kapitalanlage (Alterungsrückstellung) oder einer sparsamen Verwaltung
zusätzliche Mittel vorhanden sind.

Für die Kalkulation der Beiträge gilt das Äquivalenzprinzip, also die
Gleichwertigkeit zwischen Leistung und Beitrag. Jeder Versicherte zahlt
soviel, wie er voraussichtlich an Leistungen in Anspruch nehmen wird. Der
Beitrag setzt sich aus mehreren "Einzelposten" zusammen.

Der Risikobeitrag wird gebraucht, um das versicherte Risiko, nämlich
Krankheitskosten, abzudecken. Der Vorsorgebeitrag wird in der so genannten
Alterungsrückstellung für die Versichertengemeinschaft gesammelt und
verzinslich angelegt. Diese Rückstellung wird aufgebaut, um die
erfahrungsgemäß mit zunehmendem Alter steigenden Ausgaben für die Gesundheit
abzudecken. Der Kostenbeitrag finanziert den allgemeinen Geschäftsbetrieb
des Trägers der Krankenversicherung.

Ausgeglichen werden die im Zeitablauf steigenden Krankheitskosten durch die
Alterungsrückstellung. Während also im Laufe der Jahre der Anteil des
Risikobeitrags immer mehr steigt, nimmt der Anteil des Vorsorgebeitrags am
Gesamtbeitrag immer mehr ab. Gebe es nicht noch einige Rahmenbedingungen
(Preissteigerungen, neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, stärkere
Inanspruchnahme von Leistungen), würde der Beitrag also über die gesamte
Dauer des Vertrags gleich bleiben (Grundsatz der Beitragskonstanz).
Beitragssteigerungen aufgrund steigender Verwaltungskosten sind in diesem
Finanzierungssystem ausgeschlossen.

Über Transferleistungen (z. B. dem bedingungslosen Grundeinkommen) wird
sichergestellt, dass sich jeder mindestens den Basistarif leisten kann.
Damit hat jeder Anspruch auf alle medizinisch notwendigen Untersuchungen und
Behandlungen.

Träger der Krankenversicherung sind die bisherigen Krankenkassen nicht mehr
als Körperschaften des öffentlichen Rechts, sondern
als Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und die bisherigen privaten
Krankenversicherer entweder als Aktiengesellschaften oder ebenfalls als
Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit. Für alle Träger gelten die
gleichen Rechtsvorschriften und Rahmenbedingungen z. B. im Unternehmens-,
Steuer-, Wettbewerbs- und Tarifrecht.


Einen funktionierenden und konstruktiven Wettbewerb halten die Piraten für
äußerst wichtig, da nur Wettbewerb, also die Möglichkeit des Kunden den
Anbieter
wechseln zu können, für Service, Kundenorientierung, Produktinnovationen und
möglichst niedrige Verwaltungskosten sorgt.

Dies ist auch ein Grund für die Forderung, keine Unterscheidung mehr
zwischen gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherern
vorzunehmen, sondern für alle gleiche Rahmenbedingungen zu schaffen.

Deshalb auch die Umwandlung der Krankenkassen von Körperschaften des
öffentlichen Rechts zu Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit.
Versicherungsvereine, weil diese Unternehmensform - ähnlich wie es heute bei
den Krankenkassen der Fall ist - eine Mitwirkung der Mitglieder/Kunden quasi
als Eigentümer des Versicherungsvereins vorsieht und dies auch die
ursprüngliche privatwirtschaftliche Rechtsform zumindest der früheren
Ersatzkassen (z. B. BEK, DAK) war.

Ein anderer, vielleicht noch wichtigerer Grund liegt darin, dass es unfair
ist, Menschen aufgrund eines geringeren Einkommens eine
Krankheitskostenvollversicherung über dem Niveau der Grundversorgung zu
verweigern.

Deshalb treten die Piraten auch nicht für einen steuerfinanzierten Zuschuss
an die Träger der Krankenversicherung (Stichwort Gesundheitsfonds) ein,
sondern nach dem Prinzip "Subjekt- statt Objektförderung" für einen Zuschuss
über den steuerlichen Grundfreibetrag bzw. das staatlich garantierte
Mindesteinkommen (z. B. bedingungsloses Grundeinkommen).

Denn dann hat jeder, selbst die Möglichkeit zu entscheiden, welchen Anteil
seines Einkommens er für seine Krankenversicherung aufbringen kann und will.
Warum soll man jemanden, der zwar ein niedriges oder auch "nur" das
Mindesteinkommen hat, das Recht nehmen, auf anderes zugunsten einer
Krankheitskostenvollversicherung über dem Niveau des Basistarifs zu
verzichten? Auch das entspricht der Freiheits- und Selbstbestimmungsidee der
Piraten.

Auch auf der Leistungsseite bzw. der Seite der Erbringer medizinischer
Leistungen setzen die Piraten zum einen auf Wettbewerb - mit einer starken
staatlichen Rechts- und Fachaufsicht - und auf Vereinbarungen zwischen den
Erbringern medizinischer Leistungen und den Trägern der Krankenversicherung.

So soll es Gebührenordnungen geben, die primär ein Ergebnis von
Verhandlungen zwischen den Verbänden der jeweiligen Erbringer medizinischer
Leistungen und der Träger der Krankenversicherung bzw. der
Versicherten/Patienten sind, mit Öffnungsklauseln, die Vereinbarungen
zwischen einem, mehreren oder auch allen Trägern der Krankenversicherung und
Erbringern medizinischer Leistungen zugunsten ihrer Kunden/Versicherten
vorsehen.

Die Träger der Krankenversicherung bekommen damit Möglichkeiten für eine
wirtschaftliche und hochwertige Versorgung ihrer Versicherten/Kunden an die
Hand gegeben.
Sie können zum Beispiel mit Arzneimittelherstellern Rabattverträge
abschließen, Hilfsmittel günstiger einkaufen oder mit Heilmittelerbringern
verhandeln. Sie können Verträge mit besonders qualifizierten Ärzten
schließen oder mit Krankenhäusern die ambulante Behandlung für schwer kranke
Versicherte vereinbaren. Das sind nur einige Beispiele.

Solche Verträge sollten insofern auch im Interesse der Leistungserbringer
liegen, als sie damit ihren Kundenstamm erweitern oder besser an sich binden
können.

Die Aufsicht über die Träger der Krankenversicherung, ihre Tarife, die
notwendige Anpassung von Beiträgen an sich verändernde
Versicherungsleistungen und ihren Geschäftsbetrieb soll aufgrund der
existentiellen Bedeutung der Krankenversicherung (wieder) bei einer
staatlichen Aufsichtsbehörde im Zuständigkeitsbereich des Bundesministers
für Gesundheit (bisher ist für die private Krankenversicherung das
Bundesministerium der Finanzen zuständig) liegen und nicht nur - wie zurzeit
in der privaten Krankenversicherung - bei "unabhängigen Treuhändern".

Diese Behörde soll auch das Thema "medizinische Notwendigkeit" im Blick
haben, um einem Wettbewerb zu Lasten der medizinischen Qualität und damit
der Patienten vorzubeugen.


Zu diesem Zweck werden die für die Krankenversicherung zuständigen Bereiche
des heutigen Bundesversicherungsamts und der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht zusammen geführt.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der heute verbindlich nur für die
gesetzliche Krankenversicherung zuständig ist, besteht auf
Leistungserbringerseite heute nur aus Ärzte-, Zahnärzte- und
Krankenhausvertretern und entscheidet über die Erstattungsfähigkeit.


Dieser Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wird durch ein Gremium ersetzt, in
dem zum einen die verschiedenen Berufsgruppen auf der Seite der Erbringer
medizinischer Leistungen (nicht nur Ärzte-, Zahnärzte- und
Krankenhausvertreter) und zum anderen die Träger der Krankenversicherung,
aber auch die Versicherten/Kunden sowohl als Patienten als auch als
Beitragszahler vertreten sind.

Er repräsentiert damit alle Leistungserbringer, trifft allgemeinverbindliche
Festlegungen über die medizinische Notwendigkeit und ist damit für die
Qualität der medizinischen Versorgung verantwortlich. Erstattet wird künftig
nicht nur das, was wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig
ist, sondern alles, was medizinisch notwendig ist. Unterstützt wird er dabei
durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.

Die Leitlinienmedizin und eine ganzheitliche Medizin sollen ebenfalls durch
dieses Gremium gefordert und gefördert werden. Wenn Patienten frühzeitig
richtig behandelt werden und es eine bessere Abstimmung zwischen den an der
Therapie Beteiligten gibt, kann sehr viel Geld gespart werden. Ärzte müssten
pro Tag durchschnittlich 17 Studien lesen, um immer auf dem neuesten Stand
der medizinischen Wissenschaft zu sein. Das schafft niemand. Deshalb
befürworten die Piraten den Ausbau der Evidenzbasierten Medizin.

Die Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen würden aufgrund
dieser Reform überflüssig. Über Sinn, Zweck und Nutzen der Ärzte- und
Zahnärztekammern einerseits und der verschiedenen Berufsverbände
andererseits soll gesondert diskutiert und entschieden werden."



Begründung

Ziel der piratigen Krankenversicherungsreform ist es, das
Krankenversicherungssystem endlich an die demografische Entwicklung (immer
weniger junge und gesunde Erwerbstätige und immer mehr ältere und kranke
Rentner) unserer Gesellschaft anzupassen und für die Zukunft nachhaltig und
damit generationengerecht finanzierbar zu machen (Kapitaldeckungs- statt
Umlageverfahren) und gleichzeitig die ebenfalls nicht mehr zeitgemäße
Trennung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung und von Pflicht-
und freiwilligen Versicherten aufgrund von Einkommensunterschieden
aufzuheben.

Der Solidarausgleich findet - wie es sich für eine Krankenversicherung
gehört - zwischen Gesunden und Kranken statt. Der Ausgleich zwischen arm und
reich muss über das Steuersystem und mögliche Transferleistungen (negative
Einkommensteuer, Bürgergeld, bedingungsloses Grundeinkommen oder ...)
sichergestellt werden.

Das ist auch gerechter, weil es tatsächlich alle Bürger - und auch die
Unternehmen - erfasst und die Last so auf wesentlich mehr und belastbarere
Schultern verteilt werden kann, ohne sie in eine Einheitskrankenversicherung
zu zwingen.

Der Vorteil gegenüber der heutigen Finanzierung liegt darin, dass man
einerseits von der Bevölkerungsentwicklung deutlich unabhängiger wird und
jede Generation selbst für sich vorsorgt und nicht zu Lasten ihrer Kinder
und Enkel lebt und andererseits über das Steuersystem trotzdem das soziale
Element der Umlage auf die gesamte Gemeinschaft erhalten bleibt, ohne in
Zukunft überstrapaziert zu werden.

Die Gemeinschaft der Bürger, der Staat, würde also dafür sorgen, dass sich
jeder gegen das finanzielle Risiko, krank zu werden, versichern kann und
auch
tatsächlich versichert; er würde jedoch niemanden bevormunden und einen
bestimmten, häufig sogar bei geringeren Leistungen teureren
Versicherungsschutz aufzwingen.

Ein vergangenheitsorientiertes System wie die gesetzliche
Krankenversicherung mit ihrem Umlageverfahren wird nicht dadurch gut oder
besser bzw. generationengerecht und zukunftssicherer, wenn man es
zwangsweise auf noch mehr Menschen ausdehnt. Einmal ganz abgesehen davon,
dass man hier auch an verfassungsrechtliche Grenzen stößt - sowohl mit Blick
auf die Ausdehnung auf immer mehr Menschen als auch auf die Höhe des
Beitrags für gleiche Leistungen.

Sowohl die privaten Krankenversicherer als auch die Privatversicherten
stehen unter dem Schutz des Grundgesetzes. Berührt sind hier mindestens die
Grundrechte auf Eigentum, auf Berufsfreiheit und auf die freie Entfaltung
der Persönlichkeit, möglicherweise auch das Grundrecht auf
Vereinigungsfreiheit.

Auch und gerade die private Krankenversicherung braucht als Versicherung
immer wieder neue Kunden, denn ohne eine ständige Ergänzung der
Versichertengemeinschaft um junge und gesunde Menschen wird sie unbezahlbar.
Dank der Vorsorge durch die Alterungsrückstellung ist das Problem zwar nicht
so dramatisch wie beim Umlageverfahren der gesetzlichen Krankenversicherung,
aber selbstverständlich bedarf jede Versicherung - und nur das macht sie zu
einer Versicherung - des Risikoausgleichs.

Das Versicherungsprinzip lebt davon, dass immer wieder neue Versicherte in
die Versichertengemeinschaft kommen, ohne bereits Leistungen zu
beanspruchen. Anderenfalls zahlt jeder Versicherte irgendwann alle seine
Leistungen selbst. Dann braucht man keine Versicherung mehr.
(Versicherungsbegriff nach Farny: Versicherung ist die Deckung, eines im
Einzelnen ungewissen, insgesamt schätzbaren Geldbedarfs, auf der Grundlage
eines Risikoausgleichs im Kollektiv und in der Zeit.)

Da die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung schon lange
überwiegend nicht mehr einkommensabhängig sind (nur noch das Krankengeld),
ist es auch nicht mehr gerechtfertigt, dass die Beiträge einkommensabhängig
erhoben werden. Begonnen hat die gesetzliche Krankenversicherung als reine
Krankengeld-, als reine Verdienstausfallversicherung, da war ein
einkommensabhängiger Beitrag durchaus logisch und konsequent. Das ist aber
schon sehr lange her.

Eine Krankenversicherung mit dem Kapitaldeckungsverfahren in Kombination mit
dem Sozialausgleich über das Steuersystem (und nur dort spielt das
Einkommen, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eine Rolle), die eine
Unterteilung in Kassen- und Privatpatienten nicht mehr kennt, kann die
bestehende Situation nur verbessern.

Denn mit Blick auf die aktuelle Finanz- und Schuldenkrise mag es zwar sein,
dass es keine Nettoverzinsung von neun und mehr Prozent mehr gibt, aber dass
gar keine Zinsen irgendwo auf der Welt mehr zu erwirtschaften sind, ist
äußerst unwahrscheinlich. Das ist - bei aller berechtigten Kritik - ein
Vorteil der Globalisierung.

Gleiche Rahmenbedingungen für die Träger der Krankenversicherung sorgen für
einen Leistungswettbewerb, der sich positiv
auf den Service, die Kundenorientierung, die beitragsrelevanten
Verwaltungskosten und die alternativen Tarife (Leistungen und Beiträge)
auswirken wird.

Ebenso sorgen der Wettbewerb unter den Trägern der Krankenversicherung zum
einen und unter den Erbringern medizinischer Leistungen um Kunden bzw.
Patienten zum anderen in Verbindung mit der Möglichkeit, z. B. Preise
auszuhandeln, für marktgerechte Honorare und Gebühren. Die zuständige
Aufsichtsbehörde achtet in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Verbänden auf
das Einhalten von Mindeststandards, damit dieser Wettbewerb zugunsten der
Kunden als Beitragszahler nicht zu ihren Lasten als Patienten geht.

Die Piraten halten Vielfalt, Wettbewerb und Teilhabe aufgrund gleicher
Spielregeln für alle Beteiligten für ganz wichtige Mittel, um ein System,
auch das System Gesundheit nicht erstarren zu lassen, um Qualität bei
Medizin und Service zu fördern, Kosten, Preise und Beiträge im Blick zu
behalten und die Interessen der Versicherten als Patienten und Beitrags-
bzw. Steuerzahler und der im Gesundheitswesen Beschäftigten zu wahren.
Monopole und Kartelle, egal ob staatlich oder privat "organisiert", sehen
die Piraten skeptisch.

Sie wünschen sich deshalb in unserem Gesundheitswesen mehr Markt und weniger
Staat. Dabei bedeutet Markt nicht das freie Spiel der Kräfte, nicht Willkür,
die Macht des Stärkeren und Ellbogengesellschaft. Die soziale
Marktwirtschaft im Sinne der Piraten ist aus sich heraus dank und mit Hilfe
eines starken Staates, der die "Spielregeln" für alle Marktteilnehmer
festlegt und für die nötige Transparenz und einen konstruktiven Wettbewerb
und für die Einhaltung der Regeln sorgt, sozial und auch ökologisch und
ermöglicht "Wohlstand für alle" bei größtmöglicher Freiheit.

Die Piraten wollen die Kosten im Gesundheitswesen in Grenzen halten durch
Vereinbarungen zwischen den Beteiligten, Erbringer medizinischer Leistungen
einerseits und Kostenträger und Patienten andererseits, einen Ausbau der so
genannten Leitlinienmedizin (Evidenzbasierte Medizin/EbM) und eine
ganzheitliche Medizin, die auf Zusammenarbeit setzt und den Menschen nicht
nach Zuständigkeiten der Gesundheitsberufe, Fachrichtungen, ambulant und
stationär in Körperteile, Organe und Psyche aufteilt.

Hinzu kommen Kostentransparenz für die Versicherten/Patienten durch
Rechnungen und Kostenerstattung statt Sachleistung, individuell wählbare, in
der Höhe begrenzte und damit überschaubare Selbstbeteiligungen, mit denen
die private Krankenversicherung seit Jahrzehnten sehr gute Erfahrungen
macht, die auch versicherungsmathematisch kalkulierbar sind, und
Beitragsrückerstattungen, ebenfalls ein in der privaten Krankenversicherung
seit langer Zeit erfolgreiches Instrument.

Ärzte und auch alle anderen Angehörigen von Gesundheitsberufen müssen
angemessen bezahlt werden und vor allem müssen sie wissen, was sie an einer
erbrachten Dienstleistung verdienen. Es kann nicht sein, dass sie zum
Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht wissen, ob und ggf. was ihre Arbeit
wert ist. Und Rationierung ist schon gar nicht ihre Aufgabe.

Deshalb sollen für alle Patienten die gleichen Gebührenordnungen gelten -
mit Öffnungsklauseln für Vereinbarungen (siehe oben) - und soll es ein
Gremium geben, in dem auf der einen Seite die Erbringer medizinischer
Leistungen (nicht nur Ärzte) und auf der anderen Seite die Kostenträger und
Patienten vertreten sind und das über die medizinische Notwendigkeit von
Untersuchungen, Behandlungen, Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln grundsätzlich
entscheidet.



Ergänzend noch ein paar Hintergrundinformationen:

Die Bürgerversicherung (ein Euphemismus) würde an einem
Krankenversicherungssystem festhalten, dessen Finanzierung auf dem
Umlageverfahren beruht. Dieses Umlageverfahren der 1880er Jahre
(Reichskanzler Otto von Bismarck), das für den damals sehr kleinen Kreis der
Versicherten und angesichts des damaligen Bevölkerungsaufbaus durchaus seine
Berechtigung hatte, ist schon lange nicht mehr geeignet, die Folgen der
aktuellen demografischen Entwicklung zu bewältigen.

Fakt ist, dass das Umlageverfahren die demografischen Realitäten des 19.
Jahrhunderts spiegelt - einer Zeit starken Bevölkerungswachstums, geringer
Lebenserwartung und einfacher medizinischer Versorgung. Viele junge
Beitragszahler, die gar keine oder nur geringe Leistungen in Anspruch
nahmen, trugen die Kosten, die überwiegend von einer relativ kleinen Gruppe
älterer Versicherter verursacht wurden.

Heute im 21. Jahrhundert sehen die Rahmenbedingungen in Deutschland ganz
anders aus. Die Leistungsausgaben für immer mehr ältere Menschen müssen von
immer weniger jungen Beitragszahlern bezahlt werden - und das für immer
längere Zeitspannen, weil die Menschen immer älter werden. Aus der
Bevölkerungspyramide wird aufgrund des Geburtenrückgangs und der steigenden
Lebenserwartung mehr und mehr ein Bevölkerungspilz. Hinzu kommt,
dass der medizinische Fortschritt seinen Preis hat.

Mit der beschönigend Bürgerversicherung genannten Einheitsversicherung würde
dieses Modell, das quasi von der Hand in den Mund lebt, auf alle Menschen
ausgedehnt und damit jeder Anreiz, Leistungen und Service zu verbessern und
Kosten zu sparen, im Keim erstickt werden. Dies bedeutet: Rationierung für
alle!

Ein Modell, bei dem es einen Beitrag gibt, der sich nach den versicherten
Leistungen und dem Gesundheitsrisiko der versicherten Person richtet, und
bei dem jeder aufgrund des Kapital- bzw. Anwartschaftsdeckungsverfahrens
selbst Vorsorge für das höhere Krankheitsrisiko im Alter trifft, kann nicht
nur besser mit den Folgen der demografischen Entwicklung fertig werden,
sondern ist auch das gerechtere System. Man zahlt einen risikogerechten
Beitrag, der - soweit notwendig - an steigende Versicherungsleistungen
angepasst wird und damit den medizinischen Fortschritt mit abdeckt.

Der Beitrag ist letztendlich der Preis für die Versicherungsleistungen, für
die Erstattung der Behandlungskosten. Warum soll sich dieser Preis nach dem
Einkommen richten? Dann müsste man konsequenterweise auch die Preise für
andere Waren und Dienstleistungen einkommensabhängig gestalten. Denn wenn
man dieser Logik folgt, dann muss es auch ungerecht sein, dass der
Bankdirektor und die Kassiererin für Brot, Wurst und Käse den gleichen Preis
bezahlen.

Außerdem kann der Bankdirektor bei einem einkommensabhängigen Beitrag seine
Frau und seine Kinder beitragsfrei zu Lasten der Beitrag zahlenden
Kassiererin versichern. Auch das halte ich nicht für gerecht.

Der Solidar- bzw. Risikoausgleich findet - wie es sich für eine
Krankenversicherung gehört - zwischen Gesunden und Kranken statt. Der
Ausgleich zwischen arm und reich gehört nicht in die Krankenversicherung,
sondern muss über das Steuersystem und mögliche Transferleistungen (negative
Einkommensteuer, Bürgergeld, bedingungsloses Grundeinkommen oder ...)
sichergestellt werden.

Denn das Steuersystem dient dazu, für den notwendigen sozialen Ausgleich zu
sorgen. Das wäre auch gerechter, weil es tatsächlich alle Bürger (und
Unternehmen) erfasst und die Last so auf wesentlich mehr und belastbarere
Schultern verteilt werden kann. Außerdem braucht man dafür keine zusätzliche
Bürokratie.

Noch ein kleiner Exkurs zum Thema einkommensabhängige Beiträge: Die Beiträge
waren bzw. sind in der GKV deshalb einkommensabhängig, weil sie ursprünglich
keine Krankheitskosten-, sondern eine reine Krankengeldversicherung war. Die
Leistung bestand also nicht in der Übernahme von Kosten, sondern im
Ausgleich des Verdienstausfalls. Es war also damals nur folgerichtig, dass
sich entsprechend den Leistungen auch der Beitrag nach dem Einkommen richtet
(höheres Einkommen = höhere Leistungen und höhere Beiträge). Schon lange
steht aber nicht mehr das Krankengeld, sondern stehen die Krankheitskosten
im Vordergrund der Ausgaben der GKV.

Ein Sozialstaat ist ein Staat, der nicht selbst für die soziale Sicherheit
seiner Bürger sorgen, sondern sicherstellen muss, dass jeder für seine
soziale Sicherheit vorsorgen kann - nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Als die GKV im Jahr 1883 mit dem Ziel gegründet wurde, dem Sozialismus die
Anhänger abspenstig zu machen, war sie eine Krankenversicherung der
Arbeitnehmer und zwar der Arbeiter, die tatsächlich schutzbedürftig waren.
Ohne diese Zwangsversicherung wäre der damals versicherte Personenkreis
weder bereit noch in der Lage gewesen, sich gegen das Krankheitsrisiko
abzusichern. Darüber hinaus wurde der in der damaligen Zeit - zumindest in
den ländlichen Regionen - noch bestehende Generationenvertrag, der sich in
Großfamilien ausdrückte, in Form des Umlageverfahrens institutionalisiert.

Galten 1911 gerade 18 Prozent der Bevölkerung als schutzbedürftig im Sinne
der GKV, so sind es heute bereits über 90 Prozent. Und dies bei im Vergleich
zum Jahr 1911 erheblich gestiegenen Einkommensverhältnissen. Auch der
Generationenvertrag entspricht schon lange nicht mehr der
Lebenswirklichkeit. Die demografische Entwicklung der nächsten Jahre wird
dazu führen, dass eine auf dem Umlageverfahren basierende
Krankenversicherung entweder unbezahlbar oder leistungsunfähig wird.

Interessanterweise haben die bisher verantwortlichen Politiker dies für die
Rentenversicherung mit der Riester-Rente erkannt und haben zumindest einen
kleinen, wenn auch sehr kleinen Schritt in die richtige Richtung, nämlich in
Richtung Kapital- bzw. Anwartschaftsdeckungsverfahren gemacht.

Bis zu den Gesundheitspolitikern hat sich diese Erkenntnis noch nicht
herumgesprochen, obgleich die Krankenversicherung von der demografischen
Entwicklung viel stärker betroffen ist und noch sein wird als die
Rentenversicherung. Dort wirkt sich "nur" die längere Lebenserwartung aus,
bei der Krankenversicherung kommen aber noch zusätzliche Erkrankungen und
längere Behandlungsdauern dazu.

Eine Reform unseres Krankenversicherungssystems muss bei den Wurzeln des
heutigen Systems beginnen.

Vorbild für die Krankenkassen waren die bereits viele Jahre vor Einführung
der GKV bestehenden Hilfskassen. Sie boten Versicherungsschutz im
Krankheitsfall für die Bevölkerungskreise, deren Vermögen nicht ausreichte,
um die Kosten einer Krankheitsbehandlung selbst zu tragen, aber über ein
Einkommen verfügten, das ihnen die Beitragszahlung an eine Hilfskasse
ermöglichte. Aus diesen Hilfskassen wurden nach 1883 die so genannten
Ersatzkassen. Eine klare Trennung in
Träger der GKV und Unternehmen der PKV gab es allerdings noch nicht. Diese
Trennung wurde über mehrere Stationen hinweg erst 1937 (!) vollzogen.

So wurden die Hilfskassen 1911 dem Reichsgesetz über die privaten
Versicherungsunternehmen unterstellt und zu Versicherungsvereinen auf
Gegenseitigkeit. Gleichzeitig durften nur noch bestimmte Hilfskassen
anstelle der in der Reichsversicherungsordnung genannten Krankenkassen
gewählt werden. Sowohl diese als auch die Hilfskassen, denen man die
Ersatzkassenfunktion aberkannt hatte, waren aber rechtlich PKV-Unternehmen.

Erst 1935 (!) bestimmte die 12. Aufbauverordnung, dass bei den Ersatzkassen
nur noch gesetzlich Versicherungspflichtige oder -berechtigte (bis 1941 gab
es neben der Versicherungspflicht- auch noch eine
Versicherungsberechtigungsgrenze; wer zu viel verdiente, musste sich privat
versichern) versichert
sein durften, und führte dazu, dass verschiedene Ersatzkassen
Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit für die Versicherten gründeten, die
sie selbst nicht mehr versichern durften. Aus diesen so genannten
Nachfolgevereinen sind einige noch heute existierende PKV-Unternehmen
hervorgegangen.

Der Trennungsprozess fand 1937 (!) seinen Abschluss mit der 15.
Aufbauverordnung. Diese erst machte aus den Ersatzkassen, die bis dahin
Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit waren, also eine
privatwirtschaftliche Unternehmensform hatten, Körperschaften des
öffentlichen Rechts. Gleichzeitig wurden die Verwaltungsgemeinschaften
zwischen den Ersatzkassen und den Nachfolgevereinen aufgelöst.

Eine Reform der Krankenversicherung darf meines Erachtens nicht den Fehler
machen, das bestehende System fortzuschreiben, sondern sollte an den
Anfängen
dieses Systems anknüpfen. Weder die Pflicht- oder Zwangsversicherung noch
die "Unternehmensform" Körperschaft des öffentlichen Rechts passen in die
heutige Zeit, passen in eine soziale Marktwirtschaft.

Die Fakten, die bekannt sind, zu ignorieren, ist nach meiner Meinung ein
Verbrechen gegen unsere Kinder und Kindeskinder. Ein Verbrechen, dessen sich
die Menschen, die in den 1950er und 1960er Jahren politische
Gestaltungsmöglichkeiten hatten oder gehabt hätten, bereits schuldig gemacht
haben.

Hier ein Beispiel, das sich zwar auf die gesetzliche Rentenversicherung
bezieht, aber natürlich auf die Krankenversicherung übertragbar ist, die
übrigens nicht "nur" von der längeren Lebenserwartung, sondern dadurch
bedingt darüber hinaus durch zusätzliche Erkrankungen und längere
Behandlungsdauern gefordert wird.

"Als überzeugter Verfechter der Marktwirtschaft trug Erhard harte
Auseinandersetzungen mit dem Sozialpolitiker Adenauer aus, die 1957 im
Streit um die Rentenreform (von Adenauer letztlich durchgesetzt) gipfelten.
Das seitdem bestehende Umlageverfahren (sogenannter Generationenvertrag)
lehnte Erhard als nicht zukunftsfähig ab. Adenauer setzte sich jedoch mit
dem bekannten Ausspruch „Kinder kriegen die Leute sowieso“ über diese
Bedenken hinweg."

http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Erhard

Freundlich-piratig-liberale Grüße und ein schönes Pfingstwochenende
Wolfgang

http://wiki.piratenpartei.de/Benutzer:Wolfgang_Gerstenh%C3%B6fer

Nur am Rande und wegen der Offenheit und Transparenz:

Ja, ich bin Versicherungskaufmann und habe fast 25 Jahre für einen privaten
Krankenversicherer gearbeitet - davon fast 20 Jahre in der
Unternehmenskommunikation/Öffentlichkeitsarbeit.

Ja, ich bin ein leidenschaftlicher Verfechter der Marktwirtschaft, die aus
sich heraus dank und mit Hilfe eines starken Staates, der die "Spielregeln"
für alle Marktteilnehmer festlegt und für die nötige Transparenz und einen
konstruktiven Wettbewerb und für die Einhaltung der Regeln sorgt, sozial und
auch ökologisch ist und "Wohlstand für alle" bei größtmöglicher Freiheit
ermöglicht. Fast alle Politiker - Anhänger und Gegner der Marktwirtschaft -
behaupten immer wieder, wir würden in Deutschland in einer sozialen
Marktwirtschaft leben. Deshalb muss es doch auch nicht verwundern, wenn nun
viele Menschen glauben, dass diese Wirtschaftsordnung für die aktuelle
Situation (Banken-, Finanz-, Wirtschafts-, Schulden- und Währungskrise)
verantwortlich sei und Wachstum um jeden Preis ablehnen oder ihm zumindest
skeptisch gegenüberstehen. Richtig ist - zumindest nach meiner
Überzeugung -, dass wir schon lange nicht mehr in einer (sozialen)
Marktwirtschaft leben, wie sie von Adam Smith mit seinem Buch "Der Wohlstand
der Nationen" begründet, von Walter Eucken mit seinem Buch "Grundlagen der
Nationalökonomie", Wilhelm Röpke mit seinem Buch "Die Lehre von der
Wirtschaft" und Milton Friedman mit seinem Buch "Kapitalismus und Freiheit"
(z. B. mit dem Thema negative Einkommensteuer/Bürgergeld/bedingungsloses
Grundeinkommen) aktualisiert bzw. verfeinert und von Ludwig Erhard und
Alfred Müller-Armack versucht wurde, in Deutschland umzusetzen. Spätestens
seit der 1. Großen Koalition von 1966 bis 1969 und der Verabschiedung des
Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft
(StabG) vom 8. Juni 1967 [John Maynard Keynes lässt grüßen.] und dann der 1.
sozialliberalen Koalition ab 1969 hat sich die Politik mehr oder weniger von
der praktischen Umsetzung der sozialen Marktwirtschaft verabschiedet.
Während auf der einen Seite Politiker versuchen, die besseren Unternehmer zu
sein, haben sie ihre Aufsichtspflichten sträflich vernachlässigt und vor
allem Konzernen freie Hand gelassen, die "Spielregeln" einseitig zu ihren
Gunsten zu verändern. Von Markt, von Leistungswettbewerb, von
Chancengleichheit, Transparenz und von Haftung und Verantwortung ("Eigentum
verpflichtet") ist doch in vielen Bereichen längst nichts mehr zu sehen. Und
in manchen Bereichen hat es sie noch nie gegeben - zum Beispiel im
Gesundheitswesen, in dem das Geld in völlig falsche Bahnen gelenkt wird.
Noch ist unser Gesundheitswesen weitgehend gut, aber im Verhältnis deutlich
zu teuer und ineffektiv und gleichzeitig gibt es dort eine Menge schlecht
bezahlter und überforderter Arbeitnehmer. Deshalb möchte ich mich mit den
Piraten dafür einsetzen, die mittlerweile gern als Raubtierkapitalismus oder
auch fälschlich als Neoliberalismus bezeichneten Missstände zu beseitigen
und endlich eine (soziale) Marktwirtschaft in Deutschland einzuführen.

Ja, ich bin ein überzeugter Anhänger des Liberalismus und deshalb war seit
fast 30 Jahren die FDP meine politische Heimat - eine Alternative hatte es
für mich leider nicht gegeben. Den Liberalismus auf Wachstum, Schuldenabbau
und stabile Finanzen zu verkürzen und der Mangel an Veränderungswillen haben
mich dazu gebracht, im Oktober 2011 zu denen zu gehören, die den Grundstein
für die Rhein-Erft-Piraten gelegt haben. Papier ist geduldig. Was nutzen die
besten Programme, auch ein neues Grundsatzprogramm, wenn man noch nicht
einmal den Eindruck hat, dass man sie auch umsetzen möchte? Als Liberaler
wünsche ich mir aber, daß es irgendwann (wieder) eine Partei gibt, die den
gesamten Liberalismus mit allen Aspekten - auch die soziale Komponente -
abdeckt. Ich bin davon überzeugt, dass die Piraten gute Chancen haben, diese
Partei zu werden. Dafür setze ich mich ein. Freiheit wird oft in "gute"
Freiheiten (etwa die Meinungsfreiheit) und "schlechte" Freiheiten (vorrangig
die Wirtschaftsfreiheit) eingeteilt. Freiheit ist jedoch unteilbar. Deshalb
lehne ich auch Bindestrich-Liberalismen ab. Politische und wirtschaftliche
Freiheit sind z. B. zwei Seiten derselben Medaille. Die eine gibt es auf
längere Sicht nicht ohne die andere - wie es bisher meines Wissens alle
sozialistischen und kommunistischen Experimente gezeigt haben.






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