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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Vorgehensweise Arbeitsgruppe

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

Listenarchiv

Re: [AG-Gesundheit] Vorgehensweise Arbeitsgruppe


Chronologisch Thread 
  • From: "Dr. Christian Haffner" <christian AT drhaffner.com>
  • To: 'AG Gesundheit' <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Vorgehensweise Arbeitsgruppe
  • Date: Wed, 28 Mar 2012 23:27:15 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Hallo Dietmar Brinkmann,

Das stimmt so nicht. Im System der gesetzlichen Krankenkasse kann sich
jeder Patient selbst aussuchen, zu welchem Spezialisten er geht und zwar
OHNE Überweisung vom Facharzt für Allgemeinmedizin. Er zahlt lediglich die
10 Euro (, sofern er nicht befreit ist,) beim ersten Arzt, den er im
Quartal aufsucht und braucht dann von diesem eine Überweisung zu allen
anderen Ärzten, um die 10 Euro nicht erneut bezahlen zu müssen. Doch muss
der erste Arzt nicht zwangsläufig der Hausarzt sein, sondern kann eben
auch der Neurologe sein. Dieser stellt dann in betreffenden Quartal alle
weiteren Überweisungen aus - und das kann auch nur zu weiteren
Spezialisten sein. Dass die 10 Euro keine Steuerungsfunktion haben, haben
Studien längst bewiesen.

Für die PKV gilt das analog, nur dass hier keine 10 Euro fällig werden und
keine Überweisungsscheine notwendig sind.

Die einzige Ausnahme gilt für die wenigen Bundesländer, wie
Baden-Württemberg, wo eine Hausarztzentrierte Versorgung nach SGBV §73b
umgesetzt ist und der Patient sich festlegt, zuerst zum Hausarzt zu gehen.
Das spielt aktuell aber kaum eine Rolle, da Rösler im Juli 2010 festgelegt
hat, dass die Hausärzte zwar die Bedingungen der Hausarztzentrierten
Versorgung mit deutlich längeren Berufstätigensprechstunden,
Qualitätsmanagement usw. umsetzen dürfen, aber dafür kein höheres Honorar
kassieren, wie z.B. heute nur noch in Baden-Württemberg, das die Verträge
vor dem Stichtag bereits umgesetzt hatte. Damals bestehende Verträge in
Bayern sind von den Kassen gekündigt worden.

Übrigens gibt es auch Tarife der PKV in denen man sich festlegt, erst zum
Hausarzt zu gehen.

Wir sehen selbst schon an dieser Diskussion, wie intransparent und komplex
unser Gesundheitssystem ist.

Viele Grüße

Christian Haffner
(Facharzt für Allgemeinmedizin)

Am 28.03.12 21:52 schrieb "Dietmar Brinkmann" unter
<dietmar.brinkmann AT piraten-hh.de>:

>Hallo Dr. Haffner,
>
>nur Privatpatienten können nach Gutdünken einen Facharzt direkt
>aufsuchen. Soweit ich weiß, geht es bei gesetzlich Versicherten
>grundsätzlich nur per Überweisung vom Allgemeinarzt. Es mag da
>Allemeinärzte geben, die auf Wunsch des Patienten eine beliebige
>Überweisung an einen Facharzt irgendeiner Richtung ausstellen. Das halte
>ich aber für gering wahrscheinlich, oder trifft nur in wenigen
>Ausnahmefällen zu.
>
>Ob die PKV so einen Vorschlag gut heißt, weiß ich nicht, glaube ich aber
>eher nicht.
>
>Viele Grüße aus Hamburg, seit einigen Jahren im IT-Bereich im
>Gesundheitswesen tätig, genauer IT für gesetzliche Krankenkassen, nicht
>Krankenhäuser, Ärzte oder sonstige Teilnehmer am Gesundheitswesen
>
>Dietmar Brinkmann
>
>Am 28.03.2012 16:34, schrieb Dr. Christian Haffner:
>> Hallo Mitpiraten,
>>
>> den Vorschlag finde ich gut, alles was gut läuft hervorzuheben und eine
>> Vision für ein neues Gesundheitssystem zu entwickeln.
>>
>> Was die *freie Arztwahl *angeht, so diskutieren wir hier auf
>> verschiedenen Ebenen und sollten erst einmal definieren, was wir jeweils
>> darunter verstehen. Klar sollte die Möglichkeit bestehen, einen Arzt
>> frei auszusuchen, wenn ein anderer nicht weiterkommt und sich z.B.
>> weiterhin die Spezialisten selbst aussuchen zu können und kann dann
>> natürlich Ärzte mit einer hohen Kunstfehlerquote meiden. Das ist die
>> /eine/ Ebene.
>>
>> Die /andere/ Ebene aber ist der meines Erachtens politisch verbogene
>> Begriff einer sogenannten freien Arztwahl, der jegliche sinnvolle
>> Steuerungsfunktion im Gesundheitssystem unterbindet und damit unnötig
>> Kosten verursacht. Hat ein Patient zum Beispiel Schwindel und kann
>> selbst entscheiden, welche Fachrichtung er zuerst aufsucht, ohne je
>> einen Generalisten gesehen zu haben, passiert gewöhnlich folgendes:
>>
>> Der Patient entscheidet sich nach Gutdünken z.B. Zu einem
>> Hals-Nasen-Ohrenarzt zu gehen, der die gesamte Palette SEINES
>> Fachgebietes durchzieht, das Gleichgewichtsorgan überprüft, Hörtests
>> macht usw. Er findet nichts, was den Schwindel erklärt, was häufig ist.
>> Er empfiehlt dem Patienten zum Neurologen zu gehen und schreibt eine
>> Überweisung. Der Neurologe zieht nun wiederum seine Diagnostik durch:
>> Nervenleitgeschwindigkeitsmessung zum Ausschluss einer Polyneuropathie,
>> verschiedene evozierte Potentiale zum Ausschluss einer entzündlichen
>> Erkrankung des zentralen Nervensystems, wie z.B. Multiple Sklerose. Da
>> er auch noch einen Hirntumor und eine Entzündung definitiv ausschließen
>> will empfiehlt er entweder ein Computertomogramm des Schädels oder
>> gleich eine Kernspintomographie. Dummerweise ist auch hier oft alles in
>> Ordnung. Dann erhält der Patient eine Überweisung zum Kardiologen, der
>> eine Herzerkrankung als Schwindelursache ausschließen will und nun sein
>> Programm fährt vom Belastungs-EKG über Langzeit-EKG und
>> Langzeit-Blutdruck, Herzultraschall. Wenn es wieder kein verwertbares
>> Ergebnis gibt bleibt noch der Orthopäde: Es könnte ja die
>> Halswirbelsäule schuld sein. Nicht selten wird in diesem Zusammenhang
>> dann auch die Halswirbelsäule geröntgt, selten gibt es Ergebnisse, die
>> weiterbringen. Hier werden vier Pauschalen plus Zusatzleistungen plus
>> zweimal Radiologie ausgelöst.
>>
>> Ein verpflichtender anfänglicher Besuch bei einem Generalisten hätte
>> womöglich die richtige Richtung gleich bahnen können, da hier der Fokus
>> patientenzentriert und nicht fachgebiets- und damit krankheitszentriert
>> ist, sprich: eine allgemeine, fachgebietsübergreifende Untersuchung und
>> ein Gespräch mit dem Patienten stattfindet. Bei Verdacht hätten mehrere
>> Untersuchungen, wie Belastungs-EKG, Langzeit-EKG, Langzeit-Blutdruck und
>> normale Schwindeltests auch in einer Hausarztpraxis stattfinden können.
>> Und das für (je nach Bundesland unterschiedlich) Pauschalen von 33-40
>> Euro pro Quartal plus z.B. 7 Euro für das Langzeit-EKG. HIER können
>> Kosten gespart werden, wir uns die Niederlande vormachen. HIERVON können
>> wir lernen, da dort 96% der Patienten zu 4% der Gesamtbudgets des
>> Gesundheitssystems behandelt werden. Davon sind wir weit entfernt.
>>
>> Daher mein Vorschlag: Gutes aus unserem und dem Gesundheitssystem
>> unserer europäischen Nachbarn übernehmen und in unsere eigene Vision
>> integrieren. Meiner Meinung nach kommen wir ohne eine mehr oder minder
>> starke steuernde Primärarztfunktion hoher Qualität nicht aus.
>>
>> Viele Grüße aus dem Bereitschaftsdienst in Bad Münster am Stein in
>> Rheinland-Pfalz
>>
>> Christian
>>
>>
>>
>> Von: Ethan Conaway <conaway AT gmx.de <mailto:conaway AT gmx.de>>
>> Antworten an: 'AG Gesundheit'
>> <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
>> <mailto:ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>>
>> Datum: Wed, 28 Mar 2012 14:19:43 +0200
>> An: 'AG Gesundheit' <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
>> <mailto:ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>>
>> Betreff: Re: [AG-Gesundheit] Vorgehensweise Arbeitsgruppe
>>
>>
>>>
>>> Ist es sinnvoller,
>>>
>>> a) die Probleme des derzeitigen Gesundheitswesens aufzuzeigen und
>>> Lösungsmöglichkeiten daür zu erarbeiten (also am Bestehenden
>>> aufsetzen) oder
>>>
>>> b) das Gesundheitswesen am grünen Tisch völlig neu zu gestalten ?
>>
>> Eine Vision zu haben (b) ist gut. Da dies jedoch lange Zeit in ansprucht
>> nimmt und über die momentanen Möglichkeiten (%te) der Piraten (noch)
>> hinausgeht, bin ich dafür auch auf Korrekturen zu setzen.
>>
>> Die Sicht (nur) auf Probleme, bringt Schwerigkeiten. Es geht nicht um
>> die Kosten sondern um die Effektivität des Gesundheitssystems (Kosten
>> vs. Nutzen). Alles was gut läuft im Gesundheitsystem gehört
>> hervorgehoben Alles was kurzfrißtig Kosten verursacht, langfrißtig aber
>> einen hohen Nutzen bewirkt, gilt es zu bewaren.
>>
>> Z. B. die Möglichkeit der freien Arztwahl bei der, wenn ein Arzt nicht
>> weiterkommt ein anderer das Problem löst und damit Kosten durch den
>> anderern erpart. Meiden Patienten Ärzte die unnatürlich viele
>> Kunstfehler fabrizieren führt das auch zu einem hohen Nutzten für die
>> Gesundheit der Bürger.
>>
>>
>>
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>> -- AG-Gesundheitswesen mailing list
>> AG-Gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
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>> https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-gesundheitswesen
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