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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Probleme der 2 Klassen-Krankenkassen und folgenden 2Klassen-Medizin

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

Listenarchiv

Re: [AG-Gesundheit] Probleme der 2 Klassen-Krankenkassen und folgenden 2Klassen-Medizin


Chronologisch Thread 
  • From: haarbrandt <haarbrandt AT googlemail.com>
  • To: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Probleme der 2 Klassen-Krankenkassen und folgenden 2Klassen-Medizin
  • Date: Fri, 30 Sep 2011 09:46:02 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Ohne jetzt groß auf den Inhalt einzugehen:

aber solch ein Kampfvokabular (Feudalstruktur, parsitär, zum Wohle der wenigen
Privatversicherten) ist dem Sachverhalt nicht angemessen. Irgendwie
vergeht mir dann auch die Lust mich mit weiteren Punkten deiner
Ausführungen auseinander zu setzen, da ich keine abwägenden,
analytischen Gedanken erwarte. Ich werde das nachher trotzdem machen,
aber ich würde dir raten das ganze objektiv zu schildern.

Nur zwei Punkt, der mir spontan aufgefallen sind:

Den Punkt mit der Forschung kann ich nicht nachvollziehen. Für wen
soll das gelten? Der forschende Arzt ist an nicht-Universitätskliniken
nach meinen Erfahrungen eher die Ausnahme, wenn es sich denn nicht um
gesponsorte Forschung für CROs oder pharmazeutische Unternehmen
handelt. Und solche Ärzte, die daran teilnehmen, bekommen in den
meisten Fällen schon eine gute Aufwandsentschädigung.

Auch der Punkt 4 irritiert mich. Ist es denn tatsächlich notwendig,
dass mich derselbe Arzt, der mich operiert hat, auch nachversorgt? In
den meisten Fällen kann dein Hausarzt die Nachversorgung
gewährleisten. Viele Krankenhäuser bieten auch Case-Management an,
d.h. dein Krankenhaus koordiniert die Nachversorgung. Ich sehe das
Problem nicht in diesem Ausmaß.




Am 30. September 2011 03:23 schrieb syna <syna AT news.piratenpartei.de>:
>
> @Albert Karschti: Eine Menge Themen, die Du hier anschneidest ...
>
>
> Albert Karschti schrieb:
>> ... Deshalb ist es sehr wichtig die Fragen Gesamtpolitisch anzugehen.
>> Damit meine ich, dass eine ständige Rückkopplung zu den Grundfragen
>> vorhanden sein muss. Z.B. die Einnahmenseite, also Finanzierung des
>> Gesundheitswesens.
>
>
>  Ganz genau!
>
> Dazu gehört, dass man sich klar macht, wer was bezahlen soll. Was
> Solidarität ist usw.
>
>
> Denn bei jeder Leistung des Gemeinwesens, also des Staates für den
> Einzelnen, stellt sich die Frage, wie diese bezahlt werden soll. Wie also
> Lasten verteilt werden: Je nachdem, ob man einem hochherrschaftlichen
> Feudalsystem zugewandt ist oder ob man ein egalitär demokratisches
> System bevorzugt, wird die Antwort unterschiedlich ausfallen.
>
>
>
> Albert Karschti schrieb:
>> Zumindest sollte man zuerst strikt die GKV von PKV trennen oder
>> ineinander auflösen! (das Verfassungsrechtliche Gejammer ist mir
>> bekannt). Es sollten wie es eigentlich rechtlich vorgesehen ist Private
>> Leistungen Private Ärzte anbieten dürfen und GKV-Leistungen nur GKV-
>> Ärzte keine Vermischung.
>
>
>  Das würde gründlich schief laufen.
>
> Wenn jeder Arzt oder jede Klinik entweder nur gesetzlich Versicherte oder
> nur privat Versicherte behandeln dürfte, wäre das private System in
> kürzester Zeit am Ende. In einem solchen System wäre jede
> Quersubvention ausgeschlossen, und schnell würde klar, in wie vielen
> Bereichen das private System parasitär vom gesetzlichen lebt.
>
>
> In den Krankenhäusern werden fast alle Geräte, die gesamte
> Infrastruktur der Klinik und der größte Teil des betreuenden Personals
> von den Kassenpatienten beziehungsweise durch Steuergelder bezahlt. Die
> Privatpatienten werden in diesem System mitbehandelt. Ihr Honorar fließt
> dabei zum größten Teil den Ärzten zu, die oft auch noch von
> dringenderer Arbeit abgehalten werden.
>
>
> Wenn man - wie Du vorschlägst - die Systeme trennen würde, ständen
> alle Chefärzte den Privatpatienten zu. Aber alle Spezialisten, alle
> medizinischen Großgeräte sind ja durch den Steuerzahler und durch die
> GKVen bezahlt - da ständen die PKV-Patienten dann vor der Tür.
>
>
>
> 'syna' schrieb:
>>
>> 'juergenj' schrieb:
>>>  NUR WENN DIE PKV erst einmal aus der Grundversorgung
>>> ausgeschaltet ist, kann das System genesen.
>>   +1. Vollkommen korrekt!
>>
>> Das hatten wir zwar schon zur Genüge dargelegt ... aber offenbar muss
>> man das immer immer wieder in allen Facetten beschreiben.
>
>
>  Hier die Zusammenfassung:
>
> Wir sehen uns ja als moderne, aufgeklärte demokratische Menschen des
> 21. Jahrhunderts, da passt solch eine feudalistische Lastenerhebung nicht
>
>
> hinein. Es gibt dafür 4 Argumente:
>
>
> ----------------------------------------------------------------------------------
>
>  1. Ungerechte Feudalstruktur durch die PKV
>
> ----------------------------------------------------------------------------------
>
> Es ist aus es aus reinen Gerechtigkeitsgründen längst überfällig, die
> PKV
>
> abzuschaffen. Denn die PKV spielt im Gesundheitssystem ein parasitäre,
> feudale Rolle: Denn alleine die Solidargemeinschaft der gesetzlich
> Versicherten muss die Behandlung derer bezahlen, die selbst kein
> ausreichendes Einkommen haben. Dazu zählen mitversicherte Ehefrauen,
> Kinder, Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger. Privat Versicherte
> beteiligen
>
> sich nicht an diesem Sozialtransfer, sie bezahlen lediglich ihr in der
> Regel
>
> niedriges Krankheitsrisiko. Der minimale Steuertransfer, den es gibt,
> ändert
>
> an dieser Tatsache nichts.
>
>  *Das sieht konkret dann so aus:*  Ein Arbeitnehmer mit 3800 €
> Einkommen
>
> zahlt 550 € Beitrag (einschließlich Arbeitgeberanteil). Von diesen 550
>
>
> werden etwa 250 € verwendet, um damit die medizinische Versorgung von
> Einkommensschwachen zu finanzieren. Dagegen bringt ein privat
> Versicherter mit genau dem gleichen Einkommen nicht einen einzigen Euro
> für die Solidargemeinschaft auf! Er kann sein Geld ganz dafür ausgeben,
>
>
> sich selbst eine bessere medizinische Behandlung zu kaufen! Er kauft sich
>
>
> damit geringere Wartezeiten und wichtiger noch: Den im Ernstfall
> entscheidenden Zugang zu den Spezialisten!
>
> ==========================================================
>
> Nicht genug damit. Durch die Nichtbeteiligung der PKV-Versicherten an der
>
>
> Solidarität kann die PKV pro Versichertem mehr bezahlen - und genau das
> weckt Begehrlichkeiten und führt zu einer drastischen Verzerrung im
> Gesundheitswesen:
>
>
> ----------------------------------------------------------------------------------
>
>  2. Erhebliche Fehlallokationen in fast jedem Fachbereich.
>
> ----------------------------------------------------------------------------------
>
> Fehlallokation: Gut ausgebildete Spezialisten werden nicht in ihrem
> Spezialbereich, für den sie bestens ausgebildet wurden, eingesetzt,
> sondern für Trivialeinsätze von PKV-Patienten verschwendet. Das
> passiert
>
> genau deshalb, weil für diese Trivial-OPs besser bezahlt wird. Die
> Situation
>
> hat sich noch verschlechtert, seit die privaten Krankenversicherungen
> verlangen, dass der liquidierende Spezialist die Leistung auch selbst
> erbracht haben muss, um abzurechnen, während in der Vergangenheit oft
> die Arbeit von weniger qualifizierten Ärzten durchgeführt werden
> konnte,
>
> und der Spezialist sie nur abgerechnet hat.
>
>
> ----------------------------------------------------------------------------------
>
>  3. Forschungsleistungen sind viel schlechter.
>
> ----------------------------------------------------------------------------------
>
> Hohe Gehälter hängen in deutschen medizinischen Fakultäten zu wenig
> von
>
> der Forschungsleistung und der Qualität der Behandlung aller Patienten
> und
>
> zu stark von den Nebeneinnahmen durch die Privatpatienten ab. Ethisch ist
>
>
> dieses System fragwürdig, weil es die Versorgungsqualität indirekt vom
> Einkommen des Patienten abhängig macht (Siehe Rothmund, M, Die
> Stellung der klinischen Forschung in Deutschland im internationalen
> Vergleich, 1997, Dtsch. Med. Wschr. 122, 1358-1362.)
>
>
> ----------------------------------------------------------------------------------
>
>  4. Uneffiziente duale Strukturen (doppelte Facharztschiene,
> Drehtürmedizin) - nur zum Wohle der Privatversicherten.
>
>
> ----------------------------------------------------------------------------------
>
> Die ambulante Behandlung steht in Deutschland ausschließlich dem privat
> Versicherten zur Verfügung, weil sie die Ärzte frei auswählen können
> und
>
> die Fachleute sie gerne behandeln. Im Fall von Komplikationen können sie
>
>
> daher auch nach dem Eingriff von dem Arzt ambulant weiterbetreut
> werden, der sie operiert hat.Der gesetzlich Versicherte Patient wird
> dagegen nach Auftreten einer Komplikation „durch das System
> gereicht“.
>
> Dabei gerät er an Ärzte, die mit Fällen wie seinem keine oder wenig
> Erfahrung haben.
>
> ==========================================================
>
> Aus (1), (2), (3) und (4) folgt zwangsläufig - wenn wir auch nur
> ansatzweise "soziale" Wesen sind: Wir müssen die PKV (für medizinische
> Leistungen!) abschaffen zugunsten einer reinen, egalitären
> Bürgerversicherung. Dabei müssen bereits erworbene Ansprüche und
> geschlossene Verträge berücksichtigt werden.
>
> Dabei sollten wir bedenken: Eine  *gerechte Gesellschaft*  setzt
> Chancengleichheit voraus, für die der einkommensunabhängige Zugang zu
> einer optimalen Gesundheitsversorgung und zum kompletten
> Bildungsangebot kennzeichnend sind. Gesundheit und Bildung dürfen daher
> nicht nur als Kostenfaktor für unsere Gesellschaft gesehen werden,
> sondern als Voraussetzungen für Produktivität und Wachstum.
>
> In einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft wie Deutschland
> können Wachstum und Produktivitätsgewinne nur erreicht werden, wenn
> wir  *in die Ressourcen aller Bürger investieren* , damit diese länger
> gesund
>
> und lernfähig bleiben. Somit ist die Abschaffung der PKV zugunsten einer
>
>
> Bürgerversicherung nicht nur die gerechtere Lösung, sondern auch die
> ökonomisch bessere.
>
> ==========================================================
>  Nochmal die Punkte:
>
> 1. Ungerechte Feudalstruktur durch die PKV
> 2. Erhebliche Fehlallokationen in fast jedem Fachbereich.
> 3. Forschungsleistungen sind viel schlechter.
> 4. Uneffiziente duale Strukturen (doppelte Facharztschiene,
> Drehtürmedizin) - nur zum Wohle der Privatversicherten.
>
>
> ==========================================================
>
>  *Hauptargument ist, * dass die PKV in ihrem Geschäftsmodell den Anteil
> Solidarität vollkommen ausblendet und alleine der GKV anlastet. Und
> stattdessen für ihre Mitglieder erhebliche Privilegien bezahlt. Im
> Gesundheitsbereich haben wir daher noch eine echte, fast mittelalterliche
>
>
> Feudalstruktur.
>
> Das Gebaren der PKV führt darüberhinaus zu erheblichen Fehlallokationen
> in
>
> fast jedem Fachbereich, welche insgesamt erhebliche Kosten bzw.
> Ineffizienzien verursacht. Und welche die Forschungsleistungen stark
> dezimieren. Das Gebaren führt zudem zu ineffizienten dualen Strukturen
> (doppelte Facharztschiene, Drehtürmedizin) - nur zum Wohle der wenigen
> Privatversicherten.
>
>
> --
> AG-Gesundheitswesen mailing list
> AG-Gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
> https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-gesundheitswesen




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