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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Verbot von Anwendungsbeobachtungen

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Verbot von Anwendungsbeobachtungen


Chronologisch Thread 
  • From: Morgan le Fay <input.output AT freenet.de>
  • To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Verbot von Anwendungsbeobachtungen
  • Date: Tue, 07 Dec 2010 12:04:24 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Am 05.12.2010 00:13, schrieb Jörg H:
Am 03.12.2010 23:58, schrieb Sayyadina:
Ein herzliches Hallo von einem Neuling in der Gruppe!

Da sich da draußen im Augenblick alles um AMNOG und seine Folgen zu
drehen scheint, ist die Forderung von Transparency Deutschland nach
einem Verbot von Anwendungsbeobachtungen ziemlich in den Hintergrund
gerutscht.

Das ist auch gut so. (Dummen Ideen keine Chance)
Ob das eine "dumme Idee" ist, wird sich noch herausstellen. Wenn eine Anwendung ergebnisoffen ist (und nur dann macht eine "Beobachtung" Sinn), dann ist der Patient ein Stück weit ein Versuchskaninchen. Dies halte ich für gesetzeswidrig gemäß SGB V.
Zulassungen für Medikamente, die nicht so weitgehend wie möglich getestet worden sind - meinetwegen auch an freiwilligen Patienten oder bezahlten Probanten -, gehören nicht erteilt.
Ggf. muss man die Zulassungskriterien verschärfen, die m. W. die EMA festlegt. Ganze Nationen benützen Wirkstoffe, die offiziell für bestimmte Indikationen zugelassen und in einem bestimmten Umfang getestet sein müssten, deren Anwendung aber ein einzelner Arzt "beobachten" soll? Lächerlich!
Gerade die "Saubermänner" der EU können es sich eigentlich nicht leisten, Medikamente zuzulassen, die womöglich schädlicher sind als das Passivrauchen, siehe Mediator-Thema in Frankreich.

Ein einzelner Arzt wird bei seiner vglw. überschaubaren Anzahl an Patienten mit vergleichbaren Krankheitsbildern und deshalb gleichartigen Therapien wohl kaum wissenschaftlich erhärtet dokumentieren können, warum eine Medikation in einem Falle so und im anderen Falle anders verläuft. Allein schon die Einhaltung der vorgegebenen Dosierung und des Anwendungszeitpunktes der Medikation durch den Patienten selbst sind nicht verlässlich dokumentierbar.

Wofür genau erhält der Arzt sein Geld, wenn er AWBs durchführt? Nur für Verwertbares? Für jede "Bemühung" und sei sie noch so trivial? Oder halt doch nur als Belohnung, dass er Medikament X angewendet hat und nicht Y?

In Strukturen, die ein Interesse daran haben, preisgünstigen Medikamenten wie Avastin die Zulassung als Medikament gegen AMD zugunsten von Lucentis zu entziehen (obwohl evident), die Hunderte Medikamente ohne Neuerungen bei Wirkstoffen zulassen usw., bei denen trotz Anspruchs "sündhaft teurer Forschungsreihen" immer wieder Medikamente auftauchen, die nicht nur nicht helfen, sondern sogar schaden, braucht man sich nicht darüber zu wundern, dass man als Patient sehr genau hinsieht, wofür die Beiträge verplempert werden. Über die Medikamentenpreise bezahlt nämlich er diese ganzen Schmierorgien.
Originalwortlaut der Pressemitteilung:
Berlin, 04.11.2010 - Die Antikorruptionsorganisation Transparency
International Deutschland fordert das Verbot von
"Anwendungsbeobachtungen". "Anwendungsbeobachtungen" bezeichnen die
Honorierung von Ärzten für die Verordnung von zugelassenen Produkten
durch Arzneimittelhersteller. Sie haben nichts mit klinischen
Prüfungen von Arzneimitteln zu tun. Pharmavertreter bieten
Anwendungsbeobachtungen vor allem niedergelassenen Ärzten an, um
diesen - gegen Entgelt - die Verschreibung von Medikamenten ihres
Auftraggebers nahezulegen. Bisher wurden sie aufgrund des Drucks der
Arzneimittelhersteller noch nicht verboten.
Wolfgang Wodarg, Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland:
Der Mann will etwas von medizinischer Forschung verstehen, wovon den
noch alles...

Anwendungsbeobachtungen gewährleisten keinen wissenschaftlichen
Erkenntnisgewinn und sind eine *Gefahr für Patienten.*
Da dabei nur zugelassene Arzneimittel eingesetzt werden, deren Qualität,
Sicherheit und Wirksamkeit durch die Zulassung belegt sind, kann die
proklamierte *Gefahr für den Patienten* nur Humbug einer eines besonders
Ahnungslosen, oder eines diabolischen Propangadisten sein. Der
Erkenntnisgewinn hängt vom Studienplan ab.
Die Gefahr für den Patienten ergibt sich womöglich aus dem Interessenkonflikt, ein "zweitbestes" Medikament zu geben, an dessen Verordnung man aber partizipieren kann.
Im Übrigen: Wenn überhaupt eine AWB sinnvoll sein kann, dann für solche Erkenntnisse wie die, dass ein 70Jahre alter Darm ein Medikament anders resorbiert als ein 20jähriger Darm u.ä.

Sie belasten die Beitragszahler der Krankenkassen mit nutzlosen
Arzneimittelkosten in Milliardenhöhe und sind für mehr als 0,1
Beitragspunkte der Versicherten verantwortlich.
(http://www.transparency.de/2010-11-04-Anwendungsbeobachtu.1757.0.html)
Da die Patienten immer mit zugelassenen Arzneimittel behandelt werden
müssen, können die Kosten nicht nutzlos sein. (Die Wirksamkeit ist ja
belegt.) Der arme Mann verwechselt wie so viele Leute wirtschaftlich
oder billiger mit nützlich. Folgerichtig kann auch seine
Kostenbelastungsrechnung nur Unsinn sein

siehe oben! Was durch die Zulassung als "belegt" gilt, ist häufig genug fragwürdig. Aktuelles Beispiel: Mediator

...................
- Zur wissenschaftlichen Seite:
Die Regelungen für die AWB's machen es nicht leicht aussage-starken AWB
durchzuführen.
Zudem gibt es kaum brauchbare Regeln, die es den Firmen ermöglichen
würden, für die Kosten einer non-inventionalen Studie, wie man AWB ja
heute auch nennt anderen Nutzen zu ziehen.
Ein Verbot von AWB ist auch deshalb Schwachsinn, weil die Untersuchung
neuer Arzneimittel in der realen Anwendung ( d.h. bei der ganzen
Vielfalt der Menschen) eher zu schwach ausgeprägt ist.

Eben! Gerade deshalb braucht man sie nicht.
Echte Besonderheiten, Probleme und Gefahren werden durch das immer
teurer werdende, völlig überdrehte Pharmakovigilanz-System wohl kaum
gefunden. Vorallen Dingen ist es nicht darauf angelegt, Vorteile und
Stärken von neuen Arzneien und Behandelungen im Vergleich zu alten
finden. Damit werden auch keine neuen Nutzen oder
Wirtschaftlichkeitspotentiale gefunden.
(Zur Erläuterung ein Gedankenmodel: Wenn ein Arzneimittel eine selten
Nebenwirkung, die in 1:10000 Anwendungen zu einem Krankenhausaufenthalt
führt vermeidet. Spart sie die das Geld was das kostet. Setzt man 10000
Euro für das Krankenhaus an, ist das Sparpotential 1 Euro pro
Behandelung bei gleichem Preis. ) Gleiches gilt natürlich in umso
stärkerem Maße, wenn eine AWB für ein altes, billige Arzneimittel seine
Überlegenheit in einem Teilgebiet der Indikation aufzeigt. Solche AWB
sind als Reaktion auf den Markteintritt von Konkurrenten denkbar. ( Ich
rede von Teilgebiet, weil i.d.R. neue Arzneimittel in einer Indikation
besser sind, das muss aber nicht in allen Indikationen sein, in denen
Sie wirksam sind.
Wenn es so sein sollte, dass nicht jede Eventualität getestet werden kann, dann kann das ein Arzt in seiner Praxis erst recht nicht nachholen.
Und warum ist dann immer noch Avastin für AMD off-label?

- Zur Umsatzsteigerung
Für den Absatz erfolgreiche AWB's für bewirken aber primär nur eine
Umverteilung der Ausgaben von einem Arzneimittel zu einem Anderen. Der
Umsatz wird verlagert.
Bei Patentgeschützen Arzneimittel gehen die neueren Arzneimittel häufig
billiger in der Markt. Die AWB dient dem Marketing doch häufig einen
Anreiz zu schaffen auch die eigene "Innovation" auszuprobieren. Das kann
sogar die Kosten für die Krankenkasse positiv beeinflussen, wenn das
neue Arzneimittel bei gleicher Wirkung billiger ist, oder weniger
Kostentreibende Nebenwirkungen hat. (s. Beispiel.)


Wie man damit umgehen sollte? Ich denke, das ein komplettes Verbot von
AWBs über's Ziel hinausschießt und auch gegen die bekannten
Lobbykräfte nicht durchsetzbar wäre.
Das Verbot würde dem Erkenntnisgewinn schaden!
Das muss mal sauber geregelt werden. Dabei sollte man sich aber hüten
der Forschung noch mehr Bürokratie auf zu laden.

Wie TI schon festgestellt hat, sind keine ernstzunehmenden Erkenntnisse zu erwarten.
Zu guter Letzt:
Wie erklären Sie es sich, dass die Pharmabranche mit all ihren Kontaktlinsen und Pflegemitteln für Kontaktlinsen nicht an uns Optiker herangeht und auch hier AWBs auslobt?
Gäbe es ein ernsthaften Bedarf an solchen Feedbacks, dann wären wir als potentielle Anpasser ja wohl "mit von der Partie". Aber ich bin jetzt seit 1973 im Beruf und seit fast 30 Jahren Optikermeister, aber ein Honorar für AWBs hat mir noch niemand angeboten.

Grüße
Harry aka Morgan le Fay




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