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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Verbot von Anwendungsbeobachtungen

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Verbot von Anwendungsbeobachtungen


Chronologisch Thread 
  • From: "Jörg H" <joergdr24 AT googlemail.com>
  • To: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Verbot von Anwendungsbeobachtungen
  • Date: Sun, 05 Dec 2010 00:13:49 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Am 03.12.2010 23:58, schrieb Sayyadina:
> Ein herzliches Hallo von einem Neuling in der Gruppe!
>
> Da sich da draußen im Augenblick alles um AMNOG und seine Folgen zu
> drehen scheint, ist die Forderung von Transparency Deutschland nach
> einem Verbot von Anwendungsbeobachtungen ziemlich in den Hintergrund
> gerutscht.
>
Das ist auch gut so. (Dummen Ideen keine Chance)
> Originalwortlaut der Pressemitteilung:
> Berlin, 04.11.2010 - Die Antikorruptionsorganisation Transparency
> International Deutschland fordert das Verbot von
> "Anwendungsbeobachtungen". "Anwendungsbeobachtungen" bezeichnen die
> Honorierung von Ärzten für die Verordnung von zugelassenen Produkten
> durch Arzneimittelhersteller. Sie haben nichts mit klinischen
> Prüfungen von Arzneimitteln zu tun. Pharmavertreter bieten
> Anwendungsbeobachtungen vor allem niedergelassenen Ärzten an, um
> diesen - gegen Entgelt - die Verschreibung von Medikamenten ihres
> Auftraggebers nahezulegen. Bisher wurden sie aufgrund des Drucks der
> Arzneimittelhersteller noch nicht verboten.
> Wolfgang Wodarg, Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland:
Der Mann will etwas von medizinischer Forschung verstehen, wovon den
noch alles...

> Anwendungsbeobachtungen gewährleisten keinen wissenschaftlichen
> Erkenntnisgewinn und sind eine *Gefahr für Patienten.*
Da dabei nur zugelassene Arzneimittel eingesetzt werden, deren Qualität,
Sicherheit und Wirksamkeit durch die Zulassung belegt sind, kann die
proklamierte *Gefahr für den Patienten* nur Humbug einer eines besonders
Ahnungslosen, oder eines diabolischen Propangadisten sein. Der
Erkenntnisgewinn hängt vom Studienplan ab.
> Sie belasten die Beitragszahler der Krankenkassen mit nutzlosen
> Arzneimittelkosten in Milliardenhöhe und sind für mehr als 0,1
> Beitragspunkte der Versicherten verantwortlich.
> (http://www.transparency.de/2010-11-04-Anwendungsbeobachtu.1757.0.html)
Da die Patienten immer mit zugelassenen Arzneimittel behandelt werden
müssen, können die Kosten nicht nutzlos sein. (Die Wirksamkeit ist ja
belegt.) Der arme Mann verwechselt wie so viele Leute wirtschaftlich
oder billiger mit nützlich. Folgerichtig kann auch seine
Kostenbelastungsrechnung nur Unsinn sein
>
> Der VfA hat selbstverständlich sofort dagegengehalten, wie
> unverzichtbar AWBs doch sind.
> http://www.vfa.de/embed/pm-060-2010.pdf
>
Kann ich Ihm nicht mal verdenken.
>
> Meine persönliche Erfahrung dazu ist, dass man mit AWBs bestimmte
> Fragestellungen aus der Versorgungspraxis sehr gut untersuchen könnte,
> die aus RCTs (randomisierten kontrollierten Studien) nicht ermittelbar
> sind. In der Praxis muss man die guten AWBs aber mit der Lupe suchen.
> Bei den vom Sponsor selbst initiierten (nicht behördlich angeordneten)
> AWBs ist es doch eher so, dass wenn sich die Forschungsabteilung das
> Budget von oben absegenen lassen muss, die Frage nach dem durch die
> AWB generierten Umsatz / Verordnungsvolumen doch wieder in den
> Mittelpunkt rückt. (Oft genug ist nicht einmal das der Fall, da werden
> die AWBs direkt aus der Marketingabteilung lanciert....)
>
Das ist was wahres dran.

- Zur wissenschaftlichen Seite:
Die Regelungen für die AWB's machen es nicht leicht aussage-starken AWB
durchzuführen.
Zudem gibt es kaum brauchbare Regeln, die es den Firmen ermöglichen
würden, für die Kosten einer non-inventionalen Studie, wie man AWB ja
heute auch nennt anderen Nutzen zu ziehen.
Ein Verbot von AWB ist auch deshalb Schwachsinn, weil die Untersuchung
neuer Arzneimittel in der realen Anwendung ( d.h. bei der ganzen
Vielfalt der Menschen) eher zu schwach ausgeprägt ist.

Echte Besonderheiten, Probleme und Gefahren werden durch das immer
teurer werdende, völlig überdrehte Pharmakovigilanz-System wohl kaum
gefunden. Vorallen Dingen ist es nicht darauf angelegt, Vorteile und
Stärken von neuen Arzneien und Behandelungen im Vergleich zu alten
finden. Damit werden auch keine neuen Nutzen oder
Wirtschaftlichkeitspotentiale gefunden.
(Zur Erläuterung ein Gedankenmodel: Wenn ein Arzneimittel eine selten
Nebenwirkung, die in 1:10000 Anwendungen zu einem Krankenhausaufenthalt
führt vermeidet. Spart sie die das Geld was das kostet. Setzt man 10000
Euro für das Krankenhaus an, ist das Sparpotential 1 Euro pro
Behandelung bei gleichem Preis. ) Gleiches gilt natürlich in umso
stärkerem Maße, wenn eine AWB für ein altes, billige Arzneimittel seine
Überlegenheit in einem Teilgebiet der Indikation aufzeigt. Solche AWB
sind als Reaktion auf den Markteintritt von Konkurrenten denkbar. ( Ich
rede von Teilgebiet, weil i.d.R. neue Arzneimittel in einer Indikation
besser sind, das muss aber nicht in allen Indikationen sein, in denen
Sie wirksam sind.

- Zur Umsatzsteigerung
Für den Absatz erfolgreiche AWB's für bewirken aber primär nur eine
Umverteilung der Ausgaben von einem Arzneimittel zu einem Anderen. Der
Umsatz wird verlagert.
Bei Patentgeschützen Arzneimittel gehen die neueren Arzneimittel häufig
billiger in der Markt. Die AWB dient dem Marketing doch häufig einen
Anreiz zu schaffen auch die eigene "Innovation" auszuprobieren. Das kann
sogar die Kosten für die Krankenkasse positiv beeinflussen, wenn das
neue Arzneimittel bei gleicher Wirkung billiger ist, oder weniger
Kostentreibende Nebenwirkungen hat. (s. Beispiel.)


> Wie man damit umgehen sollte? Ich denke, das ein komplettes Verbot von
> AWBs über's Ziel hinausschießt und auch gegen die bekannten
> Lobbykräfte nicht durchsetzbar wäre.
Das Verbot würde dem Erkenntnisgewinn schaden!
Das muss mal sauber geregelt werden. Dabei sollte man sich aber hüten
der Forschung noch mehr Bürokratie auf zu laden.
> Warum nicht für AWBs eine Genehmigung des Beobachtungsplans durch die
> lokalen Ethikkommissionen zur Verpflichtung machen? Die
> Ethikkommissionen sind für diese Aufgabe hervorragend geeignet. Sie
> sind fest etabliert und damit ergeben sich keine großen
> Umsetzungskosten für den Gesetzgeber. Die reinen Marketing-AWBs
> könnten so abgeschossen werden. Der zusätzliche Zeitaufwand für das
> Genehmigunsverfahren beträgt wenige Wochen und ist mit schätzungsweise
> zwei- bis dreitausend € Mehrkosten für den Sponsor absolut
> überschaubar. Damit wäre es auch schwer für die Verbände, dagegen zu
> wettern...
>
> Viele Grüße
>
> Sayyadina
>
Gruß
Jörg





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