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ag-gesundheit-solidarier - [Ag-gesundheit-solidarier] Wichtigstes Thema: Abschaffung der PKV!

ag-gesundheit-solidarier AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Sub-AG der AG Gesundheit der Piratenpartei Deutschland

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[Ag-gesundheit-solidarier] Wichtigstes Thema: Abschaffung der PKV!


Chronologisch Thread 
  • From: syna <syna AT news.piratenpartei.de>
  • To: ag-gesundheit-solidarier AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: [Ag-gesundheit-solidarier] Wichtigstes Thema: Abschaffung der PKV!
  • Date: Thu, 15 Dec 2011 02:47:28 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheit-solidarier>
  • List-id: Sub-AG der AG Gesundheit der Piratenpartei Deutschland <ag-gesundheit-solidarier.lists.piratenpartei.de>
  • Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver


Ja, es hört sich radikal an. Ist es aber nicht.

Ich möchte in diesem "*Eröffnungsthread der Solidarier der Piratenpartei*"
gerne das wichtigste Anliegen des Gesundheitswesens - im Sinne eines
demokratischen egalitären Gemeinwesens - kurz zusammenfassen:

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Die Abschaffung der PKV!
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Bei jeder Leistung des Gemeinwesens, also des Staates für den Einzelnen,
stellt sich die Frage, wie diese bezahlt werden soll. Wie also Lasten verteilt
werden: Je nachdem, ob man einem hochherrschaftlichen Feudalsystem
zugewandt ist oder ob man ein egalitär demokratisches System bevorzugt,
wird die Antwort unterschiedlich ausfallen.

Im Gesundheitssystem wird diese Frage *besonders pikant*, denn es geht ja um
die Gesundheit des Einzelnen. Im Ernstfall geht es um Leben und Tod - um die
Frage, wieviel ein Leben oder ein Mensch wert ist. Soll das Leben oder der
Wert eines Menschen von seinem Einkommen abhängen? Wäre so eine
Abhängigkeit überhaupt mit dem Eid des Hippokrates vereinbar?

Bezüglich des Gütermarktes gibt große Unterschiede gibt. Der Begüterte kann sich
eine Motoryacht leisten, der andere gerade mal einen klapprigen Golf. Das mag ja
auch o.k. sein. Aber wenn es um Gesundheit, um Lebenserwartung, um *Leben oder Tod*
geht: Soll auch hier die Brieftasche entscheidend sein? Was für eine Gesellschaft, was
für einen Staat wollen wir?

Im Gesundheitssystem Deutschlands finden wir heutzutage ein *Feudalsystem* vor:
Wir haben ein typisches 2-Klassensystem: Die Richtig-Gut-Verdiener sind
privatversichert in der PKV und die übrigen sind gesetztlich versichert (GKV).
Die Auswirkungen des 2-Klassensystems durch die PKV sind im Wesentlichen
die folgenden Vier:

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1. Ungerechte Feudalstruktur durch die PKV
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Alleine die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten muss die Behandlung derer
bezahlen, die selbst kein ausreichendes Einkommen haben. Dazu zählen mitversicherte
Ehefrauen, Kinder, Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger. Privat Versicherte beteiligen sich nicht
an diesem Sozialtransfer, sie bezahlen lediglich ihr in der Regel niedriges Krankheitsrisiko. Der
minimale Steuertransfer, den es gibt, ändert an dieser Tatsache nichts.

*Das sieht konkret dann so aus: *Ein Arbeitnehmer mit 3800 € Einkommen zahlt 550 € Beitrag
(einschließlich Arbeitgeberanteil). Von diesen 550 € werden etwa 250 € verwendet, um damit
die medizinische Versorgung von Einkommensschwachen zu finanzieren. Dagegen bringt ein
privat Versicherter mit genau dem gleichen Einkommen nicht einen einzigen Euro für die
Solidargemeinschaft auf! Er kann sein Geld ganz dafür ausgeben, sich selbst eine bessere
medizinische Behandlung zu kaufen! Er kauft sich damit geringere Wartezeiten und wichtiger
noch: Den im Ernstfall entscheidenden Zugang zu den Spezialisten!

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Nicht genug damit. Durch die Nichtbeteiligung der PKV-Versicherten an der Solidarität kann die
PKV pro Versichertem mehr bezahlen - und genau das weckt Begehrlichkeiten und führt zu
einer drastischen Verzerrung im Gesundheitswesen:

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2. Erhebliche Fehlallokationen in fast jedem Fachbereich.
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*Fehlallokation:* Gut ausgebildete Spezialisten werden nicht in ihrem Spezialbereich, für den sie
bestens ausgebildet wurden, eingesetzt, sondern für Trivialeinsätze von PKV-Patienten
verschwendet. Das passiert genau deshalb, weil für diese Trivial-OPs besser bezahlt wird. Die
Situation hat sich noch verschlechtert, seit die privaten Krankenversicherungen verlangen, dass
der liquidierende Spezialist die Leistung auch selbst erbracht haben muss, um abzurechnen,
während in der Vergangenheit oft die Arbeit von weniger qualifizierten Ärzten durchgeführt
werden konnte, und der Spezialist sie nur abgerechnet hat.

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3. Forschungsleistungen sind viel schlechter.
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Hohe Gehälter hängen in deutschen medizinischen Fakultäten zu wenig von der
Forschungsleistung und der Qualität der Behandlung aller Patienten und zu stark von den
*Nebeneinnahmen durch die Privatpatienten* ab. D.h. ein hochdotierter Wissenschaftler wird von
der kaufm. Leitung gezwungen, Trivial-Erkrankungen von PKV-Patienten zu behandeln, weil
diese "so gut" bezahlt werden, statt sich wirklich der Forschung und schweren Krankheiten zu
widmen. Ethisch ist dieses System fragwürdig, weil es die Versorgungsqualität indirekt vom
Einkommen des Patienten abhängig macht (Siehe Rothmund, M, Die Stellung der klinischen
Forschung in Deutschland im internationalen Vergleich, 1997, Dtsch. Med. Wschr. 122,
1358-1362.)

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4. Uneffiziente duale Strukturen
(doppelte Facharztschiene, Drehtürmedizin) - nur zum Wohle der Privatversicherten.
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Die ambulante Behandlung steht in Deutschland ausschließlich dem privat Versicherten zur
Verfügung, weil sie die Ärzte frei auswählen können und die Fachleute sie gerne behandeln. Im
Fall von Komplikationen können sie daher auch nach dem Eingriff von dem Arzt ambulant
weiterbetreut werden, der sie operiert hat. Der gesetzlich Versicherte Patient wird dagegen nach
Auftreten einer Komplikation „durch das System gereicht“. Dabei gerät er an Ärzte, die mit
Fällen wie seinem keine oder wenig Erfahrung haben.

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Aus (1), (2), (3) und (4) folgt zwangsläufig - wenn wir auch nur ansatzweise "soziale" Wesen
sind: *Wir müssen die PKV* (für medizinische Leistungen!) *abschaffen* zugunsten einer reinen,
egalitären Bürgerversicherung. Dabei müssen bereits erworbene Ansprüche und geschlossene
Verträge berücksichtigt werden.

*Dabei sollten wir bedenken: *Eine gerechte Gesellschaft setzt Chancengleichheit voraus, für die
der einkommensunabhängige Zugang zu einer optimalen Gesundheitsversorgung und zum
kompletten Bildungsangebot kennzeichnend sind. Gesundheit und Bildung dürfen daher nicht
nur als Kostenfaktor für unsere Gesellschaft gesehen werden, sondern als Voraussetzungen für
Produktivität und Wachstum.

In einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft wie Deutschland können Wachstum und Produktivitätsgewinne nur erreicht werden, wenn wir in die Ressourcen aller Bürger investieren,
damit diese länger gesund und lernfähig bleiben. Somit ist die Abschaffung der PKV zugunsten
einer Bürgerversicherung nicht nur die gerechtere Lösung, sondern *auch die ökonomisch* bessere.

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Noch kürzer - Zusammenfassung
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Die 2-Klassengesellschaft durch die PKV hat folgende, schwerwiegende Auswirkungen:

*1.* Ungerechte Feudalstruktur durch die PKV
*2. *Erhebliche Fehlallokationen in fast jedem Fachbereich.
*3.* Forschungsleistungen sind viel schlechter.
*4.* Uneffiziente duale Strukturen (doppelte Facharztschiene, Drehtürmedizin)
- nur zum Wohle der Privatversicherten.

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