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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen


Chronologisch Thread 
  • From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen
  • Date: Mon, 16 Feb 2015 22:03:38 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hi David,

die Institutionen Eigentum/Vertrag/Zivilrecht hab ich in dem Beispiel als gegeben vorausgesetzt.

Ich meinte nur: was konkret als Geldstandard benutzt wird, ist für die kreditären Prozesse sekundär.

Es ist sogar sekundär, ob als "letzendliches Zahlungsmittel" eine forderungsloses Gut (im Beispiel Gold, das für die kreditären Transaktionen gar nicht gebraucht wurde) oder eben wie im Fall heutigen Zentralbankgelds ebenfalls wieder eine Forderung darstellt - das wollte ich zeigen.

Das Beispiel hätte genauso in Euro dargestellt werden können - auch dann hätte man für die beschriebenen Transaktionen keine einzige Zentralbanknote benötigt.

Sekundär ist dabei auch, ob die Kontraktparteien das money of account festsetzen oder ein Souverän, solange sich die Kontraktparteien nur zueinander per Vertrag als Rechtssubjekte in Beziehung treten.

Mein Punkt war: Nominalforderungen können erfüllt werden durch einfache Verrechnung von Nominalforderungen, und dann entsteht gar kein Bedarf an dem, worauf die Forderung "eigentlich" lautet oder ausgestellt ist (ob das nun Gerste, Gold oder Zentralbankgeld ist). Im Beispiel gab es nur bilaterale Verrechnung. Banken sind multilaterale Verrechnungstellen/Clearingstellen (Liated postet dazu im DGF immer schöne Diagramme, hier z.B. http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=343154 ).

Real finden solche Verrechnungsprozesse auf der Ebene der Nichtbanken statt, die verbleibenden Restsalden (im Extremfall, wie in meinem Beispiel: Null) werden dann überwiegend im "Kreditgeld" der nächsthöheren Ebene der Kredithierarchie beglichen (Giralgeld der Geschäftsbanken). Die Banken untereinander wiederum saldieren (verrechnen) IHRE gegenseitigen Forderungen, und begleichen nur den Restsaldo in Zentralbankgeld. Zentralbanken wiederum saldieren ebenfalls ihre Forderungen untereinander und begleichen den Restsaldo im internationalen Zahlungsmittel - im Goldstandard war das Gold, seit 1944 (Bretton Woods) ist es vorrangig Dollar, im Keynes-System wäre es die Verrechnungseinheit der internationalen Clearingstelle ("bancor").

Das beschreibt die "Hierarchy of Credit" der real ablaufenden Prozesse und erlaubt es m.E., den scheinbaren Widerspruch zwischen banking-theorie und currency-theorie bzw. endogenen und exogenen Zahlungsmitteln aufzulösen. Außerdem wird diese Sicht m.E. den verschiedenen historischen Geldformen gerecht.

Auch ein System OHNE Eigentumsordnung und Zivilrecht, in dem Goldmünzen tatsächlich als allgemeine Tauschmittel genutzt werden, übertragbares Kreditgeld mangels Vertragssicherheit aber nicht existiert, ist so denkbar. Man kommt so auch weg von der m.E. irreführenden dichotomen Frage: "ist Geld nun ein Gut/eine Ware oder ist es Kredit/eine Forderung?"

Wo Zivilrecht existiert, werden auch Kreditzahlungsmittel entstehen (der Wechsel gilt als ältestes Kreditzahlungsmittel, dabei wird eine Forderung gegen einen Dritten zu Zahlungszwecken weitergereicht (Gläubigerwechsel), wie im Beispiel beschrieben. Es kann aber ein Warengeldstandard weiterbestehen, und Warengeld kann zur begleichung der Restsalden nach Verrechnung der auf Warengeld lautenden Forderungen genutzt werden (war z.B. im Goldstandard auf der obersten Ebene - zwischen Zentralbanken - ja der Fall).

Gut beschrieben ist das z.B. in Randall Wray: "Modern Money Theory" oder auch bei Perry Mehrling: What is Monetary Economics About?

Download-Link hier:
http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Quellen/sortiert_nach_person#Mehrling.2C_Perry

Mehrling schreibt:

/"Much of the ink spilled on the vexed question of whether money is exogenous or endogenous could have been saved by greater clarity about the level of analysis. Everyone accepts that credit is endogenous, so the question of whether money is endogenous depends on whether the assets covered under the operative definition of money are more nearly promises to pay, or means of payment. The fact that what appears as credit and money depends on one’s point of view implies that what appears as endogenous and exogenous is equally context-specific. Taking the entire hierarchy of money as the object of analysis, rather than just money or just credit, allows one to place the insights of competing schools in their proper context. *Not currency school or banking school, but both, each in its proper place. "*/

Das halte ich für direkt relevant für die Punkte, die auch Patrik angesprochen hat, und auch fürs Vollgeldkonzept.

Ich hoffe, das ist halbwegs nachvollziehbar - falls nicht, bitte nachfragen!

Gruß
Wolfgang

David Finsterwalder schrieb:

Hey Wolfgang,

Du machst imo einen großen Fehler. Du implizierst, dass "money of acccount" einfach vom Himmel fällt. Kleiner Wink mit dem Zaunpfahl: Sahlins?!

Ohne Institution entwickelt sich aus einer Ware keine Geldware. Prinzipiell hast du mit deiner Argumentation ja Recht. Es gab ja auch in der Geschichte "money of account" ohne Banken, etwa wenn der Souverän vorgibt was die Verrechnungseinheit sein soll, aber auch hier handelt es sich dann um eine *notwendige Institution*.

Oder hast du mittlerweile Heinsohn/Steiger komplett verworfen?

Grüße
David

David Finsterwalder schrieb:
Hey Wolfgang,

Du machst imo einen großen Fehler. Du implizierst, dass "money of acccount" einfach vom Himmel fällt. Kleiner Wink mit dem Zaunpfahl: Sahlins?!

Ohne Institution entwickelt sich aus einer Ware keine Geldware. Prinzipiell hast du mit deiner Argumentation ja Recht. Es gab ja auch in der Geschichte "money of account" ohne Banken, etwa wenn der Souverän vorgibt was die Verrechnungseinheit sein soll, aber auch hier handelt es sich dann um eine *notwendige Institution*.

Oder hast du mittlerweile Heinsohn/Steiger komplett verworfen?

Grüße
David

moneymind schrieb:
Hi David,

um zu zeigen, daß auch ohne Bankkredit, der ja gern als Paradebeispiel für "Geldschöpfung" hergenommen wird, die Prinzpien von Kreditwirtschaft und Kreditgeld einfach verdeutlicht werden können, ein Beispiel:

"Geld", d.h. Wertaufbewahrungs-, Zahlungs- und Tauschmittel sei Gold.

1) Direkter Tausch: A kauft bei B Weizen im Wert von 100 g Gold, B gleichzeitig bei A Gerste im Wert von 100 g Gold. Direkter Gütertausch,
Kreditbedarf = 0, Geldbedarf = 0.

2) A kauft bei B Weizen für 100 g Gold. Bilanzverlängerung für A, Aktivtausch für B. Dabei entsteht eine Forderung des B gegen den A in Höhe von 100 g Gold. Gegenbuchung: Verbindlichkeit des A beim B in Höhe von 100 g Gold. Summe Schulden (brutto): 100 g Gold. Summe Forderungen = Finanzvermögen (brutto) = 100 g Gold. Geldvermögen gesamtwirtschaftlich = Schulden + Verbindlichkeiten = 0.

NB:

*-Das Gold hat hier ausschließlich als Wertstandard (money of account) fungiert. *

*-Die in diesem Kauf entstandene Forderung erfüllt für B nun die Geldfunktion des "Wertaufbewahrungsmittels".
*

3) Die Forderung sei fällig in t1. Kauft nun in t1 (oder vorher) B bei A Gerste im Wert von100 g Gold, entsteht eine Forderung des A gegen den B in Höhe von 100 g Gold. Diese kann mit der Forderung des B gegen den A in Höhe von 100 /verrechnet / und damit erfüllt werden. Damit sind beide Forderungen vernichtet (**und haben beide als schuldbefreiendes (bilaterales) Zahlungsmittel fungiert**). Bilaterales Clearing/Netting also.

Es wurden also 2 Forderungen erfüllt, OHNE daß dafür "Geld" (Gold) benötigt wurde. Vielmehr wurde die gesamte Transaktion allein mithilfe von "Kreditgeld" und der Verrechnung von Forderungen über die Bühne gebracht. Grundprinzip: eine Forderung wurde dabei benutzt, um eine andere Forderung zu erfüllen und damit zu vernichten, d.h. sie hat eine Zahlungsmittelfunktion übernommen.

Kreditbedarf: 200 (Gesamt). Geldbedarf: 0.

4) Will nun B aber in t1 (Zeitpunkt der Fälligkeit seiner Forderung gegen a) keine Güter kaufen, sondern weiterhin Finanzvermögen (Forderungen) halten, muß B einen Dritten C finden, der ihm Gerste für 100 abkauft. B hält nun eine Verbindlichkeit gegen den C, fällig in t2 (später als t1). Diese kann er nun zu Zahlungszwecken an seinen Gläubiger A weiterreichen, um dessen Forderung auf 100 g Gold aus dem Weizenverkauf zu erfüllen (Gläubigerwechsel: "Wechsel" fungiert als Zahlungsmittel). Weil B über den Fälligkeitstermin seiner Forderung hinaus Finanzvermögen halten ("sparen") will, braucht A einen "Nachschuldner" © - oder "lender of next resort" (wenn Du so willst).

Im Ergebnis hat A eine Forderung (gegen den C, fällig in t2) an den B weitergereicht, um damit eine ANDERE Forderung (die des B gegen den A) zu erfüllen.

Kreditbedarf also = 200, Geld(Gold)-Bedarf: 0.

Auch hier wurde keinerlei "Geld" (hier: Gold) benötigt, sondern wiederum fungierte eine "Forderung auf Geld" selbst als schuldbefreiendes Zahlungmittel, d.h. wurde benutzt, um eine ANDERE Forderung zu erfüllen und damit zu vernichten. Die "Forderungen auf Geld" haben alle Geldfunktionen erfüllt und wurden dabei auch wieder vernichtet, ohne dabei je selbst "in Geld" (Gold) erfüllt worden sein zu müssen.

"Geld" ist für kreditäre Prozesse also absolut sekundär. Was wir verstehen müssen, sind die kreditären Prozesse des Clearing/Netting.

Die "Zahlung" war hier eine Transaktion zwischen DREI beteiligten Personen, an der ZWEI Forderungen beteiligt waren. Eine davon fungierte als Zahlungsmittel ("Kreditgeld"), die andere wurde erfüllt und vernichtet. Die Zahlung hatte nicht die Form einer Übereignung eines forderungslosen Vermögenswerts (das wäre der Fall gewesen, wenn in Gold gezahlt worden wäre), sondern die Form eines simplen Gläubigerwechsels.

DIESE kreditären Transaktionen bilden die Basis des auf Eigentum und Vertrag basierenden Kreditsystems, und auf DEREN Basis sind - wie noch zu zeigen wäre - Booms/Busts und Konjunktur - die typischen Erscheinungen. Um das zu zeigen, müßte man aber die Bewertungs- und Preisbildungsentscheidungen der Subjekte in die Betrachtung einbeziehen, was ich hier nicht will.

Was ich damit zeigen wollte: für all diese kreditären Prozesse hat es weder "Geld" (Gold) noch Banken gebraucht. Die Keen'sche Vorstellung, für kreditäre Prozesse seien Banken eine notwendige Voraussetzung, stimmt nicht. [Damit wäre - aber das nur nebenher - auch die Vorstellung, wenn man Banken abschaffen würde (oder "Vollgeld" einführen würde, "schuldfreies Zentralbankgeld" nutzen würde etc. etc.) würden damit die grundlegenden Prozesse eines Kreditsystems beeinflußt, gegenstandslos.]

Ob Krugman das ebenso sieht, weiß ich natürlich nicht - ich bezweifle es eher, das müßte ich aber nachprüfen. Ich wollte nur darauf hinaus, daß ich Keens Vorstellung, man könne die grundlegenden Prozesse des Kapitalismus ohne Banken nicht verstehen, für gegenstandslos halte.

Zum Thema Banken, Geschäftsbankengeld, Zentralbankgeld und der "Kreditgeldpyramide" dann ggf. ein andermal, das würde für die grundlegenden Prozesse zu weit ins Detail gehen.

Gruß
Wolfgang

David Finsterwalder schrieb:
Hey Wolfgang,

moneymind schrieb:
Keen schreibt:

/Imagine that you want to buy a new iPhone 6, but you don’t have the $299 Apple wants for it. There are two ways you can get the money: you can borrow from a friend—who transfers money from her bank account to yours—which we can call “Peer to Peer” lending. Or you can add to your credit card debt with your bank—which obviously is “Bank Lending”.
/

Ich fürchte, Keen kapiert es selber nicht. Die dritte, einfachste Möglichkeit ist:

- Du kaufst das IPhone
- Apple bucht eine Forderung gegen Dich ($299)
- Du erbringst für Apple eine Güter- oder Dienstleistung (z.B. als Putzfrau) und schickst ihnen eine Rechnung über $299
- Beide Forderungen werden verrechnet, damit erfüllt und vernichtet.

Für Kredit in der einfachsten Form braucht es keine fucking banks. Die entstehen als clearingstelle für MULTIlaterale Verrechnung. Zwischenform: Wechsel als Zahlungsmittel (Verrechnung / clearing mit 3 Beteiligten Parteien).
Ich finde nicht, dass man aus dem Text rauslesen kann, dass Keen das nicht verseht. Ich würde die Geldschöpfung selbst auch mit einem Bankbeispiel kommen, bevor ich die jemand die Geldschöpfung erkläre, die bei einer zeitlich versetzen Begleichung passiert, da der Zugang hier typischerweise leichter fällt. Ich müsste mir das aber erstmal im Kontext zu Krugmanns Aussagen genauer ansehen. Find ich eigentlich auch irrelevant. Ich fand es einfach nur drollig, dass er einem Nobelpreisträger doppelte Buchführung zeigt, als sei er ein BWL Erstsemester ... ;-)

Grüße
David

--
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