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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vollgeld Kritik im Wirtschaftsdienst erschienen

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vollgeld Kritik im Wirtschaftsdienst erschienen


Chronologisch Thread 
  • From: Arne Pfeilsticker <Arne.Pfeilsticker AT piratenpartei-hessen.de>
  • To: Rudolf Müller <muellerrudolf AT on22.de>
  • Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vollgeld Kritik im Wirtschaftsdienst erschienen
  • Date: Wed, 28 Jan 2015 12:17:27 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>



Am 28.01.2015 um 10:04 schrieb Rudolf Müller <muellerrudolf AT on22.de>:

Guten Morgen Arne und Egge.

Deinen Ausführungen, Arne, fehlt m. E. eine Abbildung der beschriebenen Bilanzen. Die Voraussetzung im ersten Satz Deiner Antwort, dass die Zentralbank und nicht die Geschäftsbanken kontoführende Stelle für Girokonten sind, verwirrt mich. Wenn dem so ist, wird eigentlich nur noch bei der Zentralbank gebucht?
Hallo Rudi,
nein. Jeder Akteur bucht einen Geschäftsvorfall aus seiner Sicht in seiner Buchhaltung. Beispielsweise sieht eine Zinszahlung über 1.000 Euro eines Unternehmens U an eine Bank B in einem Vollgeldsystem wie folgt aus:

  1. Buchhaltung Zentralbank: Girokonto U an Girokonto B 1.000 Euro. (Überweisung von Konto U an Konto B)
  2. Buchhaltung Unternehmen: Zinsaufwand an Girokonto U 1.000 Euro. (Aufwandsbuchung)
  3. Buchhaltung Bank: Girokonto B an Zinsertrag 1.000 Euro (Ertragsbuchung)

Kontoführende Stelle ist der Treuhänder, der die vermögensrechtlichen Verfügungen durchführt und dokumentiert. Im obigen Beispiel ist das die Überweisung von 1.000 Euro vom Girokonto des Unternehmens auf das Girokonto der Bank.
Die nicht kontoführende Stelle bucht anhand der Kontoauszüge die Buchungen aus seiner Sicht in seiner Buchhaltung nach. Wenn eine Falschbuchung erfolgt sein sollte, dann ist diese Falschbuchung erst dann erledigt, wenn sie bei der Kontoführenden Stelle korrigiert wurde und per Kontoauszug der nicht kontoführenden Stelle mitgeteilt wurde.

Konten bei Geschäftsbanken und auch die Bilanz der Nichtbanken sind nur noch Spiegelbilder.
Es wird Spiegelbilder genannt, weil eine Sollbuchung bei der kontoführenden Stelle zur Habenbuchung bei der nicht kontoführenden Stelle wird. 

Aber wie mein Beispiel zeigt ist der zugrunde liegende Sachverhalt mehr als nur ein Spiegelbild; die einzelnen Buchungen zeigen den vermögensrechlichen Sachverhalt aus der jeweiligen Sicht des Akteurs. Siehe Anmerkung in Klammer.

Kann das Wesentliche nicht auch einfacher erklärt werden? Ich stelle mir den Vorgang etwa so vor:

Bei einem Vollgeldsystem funktioniert Deine Finanzierung, Egge, wie bei einer Hypothekenbank.

Der Schein trügt. Auch wenn auf den ersten Blick der Vorgang wie bei einer Hypothekenbank aussieht, ist er von der Sache her in wesentlichen Punkten anders.

Die Hypothekenbank muss sich refinanzieren, weil sie kein eigenes bzw. kein genügend großes Geldterritorium hat. Das bedeutet, wenn sie mittels Geldschöpfung (= Bilanzverlängerung) Kredite gewährt hat, dann fliesen diese Gelder per Überweisung zu anderen Banken. Das bedeutet die Geldschöpfung findet im Ergebnis dort statt, wo das Geldterritorium ist und der Refinanzierungszins ist zu einem hohen Anteil der von der Hypothekenbank abgeführte Geldschöpfungsgewinn.

In unserem heutigen Geldsystem findet die Geldschöpfung bei der Kreditvergabe an Nichtbanken teilweise verteilt im Geschäftsbankensektor statt; im Vollgeldsystem nur bei der Zentralbank.

Kredite können von dieser erst vergeben werden, wenn über Pfandbriefe Zahlungsmittel eingenommen wurden.

Der Vorgang ist genau umgekehrt: Erst Hypothekenkredit, dann Hypothekenpfandbrief. Siehe Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Hypothekenbank 

Viele Grüße
Arne
 
Zum Start einer Hypothekenbank müssen die ersten Kredite mit Eigenkapital hinterlegt sein, da erst auf Grundlage der dann eingenommenen Grundschuldverschreibungen Pfandbriefe ausgegeben werden können. Sauber/Bene führen hierzu aus:
"Bei Benes und Kumhof werden kurzfristige Kredite ausschließlich
mittels eigenkapitalbasierter Fonds vergeben.
Die langfristige Kreditvergabe erfolgt hingegen
durchaus fremdfinanziert, jedoch mit strikter Fristenkongruenz,
um Geldsubstitute zu verhindern."
Mit strikter Fristenkongruenz bedeutet streng nach der "goldnen Bankregel". Sie besagt, dass langfristig verliehenes Geld auch durch langfristig angelegte Spargelder und kurzfristig verliehenes Geld auch durch kurzfristig angelegte Spargelder finanziert sein muss. Ob jetzt Spargeld, Pfandbrief, Fonds oder andere Sparformen, spielt dabei keine Rolle.

Hypothekenbanken arbeiteten mit durchschnittlichen Zinsmargen zwischen 0,5 und 1 %, sagte mir ein ehemaliger Mitarbeiter der "Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank AG". Wurden Pfandbriefe, welche durch Grundschuldverschreibungen abgedeckt waren, zu einem Zinssatz von z. B. 5 % herausgegeben, so konnte mit diesem "Geld" eine Kredit mit 6 % Zinsen ausgereicht werden.
Durch die Integration des Hypothekengeschäftes in den Universalbankenbetrieb (das Hypothekenbankgesetz ist seit dem 19. Juli 2005 außer Kraft gesetzt), erhielten die Banken eine bedeutend größere Jongliermasse zum Erhalt ihrer Zahlungsfähigkeit und für sonstige Geschäfte.

Beste Grüße
Rudi2

Am 28.01.2015 um 01:10 schrieb Arne Pfeilsticker:


Am 27.01.2015 um 17:23 schrieb Eckhard Rülke <ERuelke AT gmx.de>:

Hallo Arne,
 
wichtigste Diskussionsvoraussetzung ist ja wohl die Kenntnis der Ausgangslage.
Beispiel: Wegen herrschenden Wohnungsmangels entschließt sich jemand, ein Miethaus bauen zu wollen. Grundstück und Eigenkapitalanteil hat er und geht mit seinem Finanzierungsanliegen zu einer Bank.
 
Heute läuft es dann so:
Der Investor gewährt der Bank die Eintragung einer entsprechenden Sicherheitsbelastung seines Grundstücks im Grundbuch und bekommt dafür den praktisch risikofreien Kredit zu zwei-komma-nochwas Prozent. Die Bank schreibt dem Konto des Investors den Kreditbetrag gut.
Dann baut der Investor das Haus und bezahlt den Kredit incl. vereinbarten Zins aus den Mieteinnahmen zurück, womit die Kreditsumme wieder verschwunden und der Zins als Einnahme der Bank verbucht ist.
 
Die Frage ist: Wer kann die Abwicklung eines solchen typischen Geschäftsvorganges im Vollgeldsystem erklären bzw. wo kann man sowas sachlich und umfänglich überschaubar nachlesen?

Hallo Egge,
hier die vollständige Antwort und Erklärung auf deine Frage:
In einem Vollgeldsystem ist nur die Zentralbank und nicht die Geschäftsbanken kontoführende Stelle für Girokonten.

Im derzeitigen System vergeben Geschäftsbanken, wie von dir beschrieben, mittels Bilanzverlängerung, d.h. Geldschöpfung, Kredite. Der Buchungssatz lautet: Darlehenskonto an Girokonto X Euro. Das Darlehenskonto ist eine Forderung der Bank gegen den Darlehensnehmer und steht somit auf der Aktiva-Seite der Bankbilanz. Die Kunden-Girokonten sind aus der Sicht der Bank Verbindlichkeiten und stehen deshalb auf der Passiva-Seite der Bankbilanz.

In einem Vollgeldsystem kann eine Geschäftsbank kein Geld schöpfen, sondern sie muss es sich von anderen Banken, der Zentralbank oder Nichtbanken vorher leihen, wenn sie einen Kredit vergeben will. Bei einer Kreditvergabe wird also vom Girokonto der Geschäftsbank auf das Girokonto des Kreditnehmers die vereinbarte Kreditsumme überwiesen. Der Buchungssatz bei der Geschäftsbank ist in diesem Fall keine Bilanzverlängerung, sondern ein sog. Aktiva-Tausch und lautet: Darlehenskonto an Barreserve X Euro. Zur Barreserve werden u.a. die Girokonten einer Bank bei der Zentralbank gezählt. Beide Konten stehen auf der Aktiva-Seite der Bankbilanz. Das Darlehenskonto wird im Soll und das Barreservekonto im Haben gebucht.

In der Buchhaltung der Zentralbank lautet der Buchungssatz: Girokonto Bank an Girokonto Darlehensnehmer X Euro. Dieser Buchungssatz ist auf der Zentralbankbilanz ein Passiva-Tausch.

Im Falle der Tilgung des Darlehens lautet im Vollgeldsystem der Buchungssatz genau umgekehrt: Barreserve an Darlehenskonto Y Euro. Das Barreservekonto wird im Soll und das Darlehenskonto im Haben gebucht.

In der Buchhaltung der Zentralbank lautet der Buchungssatz für die Tilgung: Girokonto Darlehensnehmer an Girokonto Bank Y Euro. Dieser Buchungssatz ist auf der Zentralbankbilanz ein Passiva-Tausch.

Der Buchungssatz für die Zinszahlungen des Darlehensnehmer lauten in der Bankbuchhaltung: Barreserve an Zinsertrag Z Euro.

Viele Grüße
Arne

 
gruß, Egge
 
 
Gesendet: Montag, 26. Januar 2015 um 15:32 Uhr
Von: "Arne Pfeilsticker" <Arne.Pfeilsticker AT piratenpartei-hessen.de>
An: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vollgeld Kritik im Wirtschaftsdienst erschienen
 
Am 04.01.2015 um 13:21 schrieb Benedikt Weihmayr <benedikt AT weihmayr.de>:
 
Liebe AG,
 
das Thema Vollgeld und auch Fragen von Wachstumszwängen innerhalb der Geldwirtschaft waren früher immer wieder mal Themen der AG. Dazu konnte ich nun einen kritischen Beitrag in einem anerkannten Journal publizieren.

Lieber Bene,
 
Die Einleitung zum Fazit euers Beitrags lautet: 
Die Analyse zeigt, dass die von den Reformern geübte
Kritik am heutigen Kreditgeldsystem fehlgeleitet ist und
daher auch zu falschen Schlussfolgerungen hinsicht-
lich der erwarteten makroökonomischen Implikationen
führt.
 
Bei einer sachlichen und logisch geführten Diskussion lassen sich  die Kernaussagen eures Beitrags nicht aufrecht erhalten. (Meine These)  
Es sind die Argumente und Tatsachen, die die Qualität eines Beitrags ausmachen. In welchem Journal sie veröffentlicht werden ist logisch gesehen irrelevant und psychologisch eher ein Hinweis zu welchem Meinungslager man sich hingezogen fühlt.
 
Meine Anregung ist, dass du und Herr Sauber eure Thesen in einer Mumblesitzung in der AG Geldordnung verteidigt. - Ich bin mir sicher, das wird für alle Beteiligte eine interessante und gewinnbringende Diskussion.
 
Viele Grüße
Arne
 
 
 
Die Ergebnisse des Forschungsprojektes zur Evaluierung der Geldreformideen Vollgeld und Full Reserve Banking im Rahmen der Forschungsagenda der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe nachhaltiges Geld konnte Ich in dankbarer Zusammenarbeit mit Dr. Martin Sauber im Dezemberheft 2014 des Wirtschaftsdienstes veröffentlichen. Die ausführliche Studie dazu wird in Kürze in der ZÖSS Discussion Paper Series Hamburg erscheinen.AbstractDas heutige Kreditgeldsystem wird von Kritikern zunehmend infrage gestellt. Vertreter von Vollgeld und Full Reserve Banking postulieren, dass die dezentrale Giralgeldschöpfung der Banken destruktive Boom-Bust-Zyklen, finanzielle Instabilitäten sowie strukturelle Verschuldungs- und Wachstumszwänge verursacht. Als Lösung schlagen sie eine staatliche Geldmengenemission und -steuerung vor. Die Autoren analysieren die makroökonomischen Auswirkungen und zeigen die mangelnde theoretische Fundierung dieser Reformvorschläge auf. Sie argumentieren, dass die Implementierung der geforderten Maßnahmen die Währungsqualität mindert und damit sozialökonomische Missstände verschlimmert.http://link.springer.com/article/10.1007/s10273-014-1766-7Unter folgendem Link könnt ihr eine Kopie des Artikels herunterladen. Bitte wahrt den Umständen entsprechend die Rechte. https://www.dropbox.com/s/jr2t1kb10anlt9u/2014_Sauber-Weihmayr-Wirtschaftsdienst_Vollgeld.pdf?dl=0       mehr unter: https://benediktweihmayr.wordpress.com/2015/01/04/vollgeld-kritik-im-wirtschaftsdienst-erschienen/     Liebe Grüße Bene   --  AG-Wirtschaft mailing list AG-Wirtschaft AT lists.piratenpartei.de https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-wirtschaft
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