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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Das Kind im Bade: zur Mathematik des Wachstums

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Das Kind im Bade: zur Mathematik des Wachstums


Chronologisch Thread 
  • From: Patrik Pekrul <patrik.pekrul AT hotmail.de>
  • To: Gerhard <listmember AT rinnberger.de>
  • Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Das Kind im Bade: zur Mathematik des Wachstums
  • Date: Wed, 5 Nov 2014 21:39:22 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>


Am 05.11.2014 um 04:55 schrieb Gerhard <listmember AT rinnberger.de>:

> Am 03.11.14 um 22:56 schrieb Patrik Pekrul:
>> Und wieso der Schwachsinn? Spieltheorie! (wie meistens, wenn es unsinnig
>> wird):
>
> Kannst du den Gedankengang zur Spieltheorie in diesem Zusammenhang näher
> erläutern?

Ich würde das Spiel als "The winner takes it all!"-Spiel bezeichnen, selbiges
wurde auch in der "New Economy" gespielt. Es geht am Ende um die Annahme,
dass derjenige, der am meisten investiert, am Ende den Markt erobert und der
(einzige) Sieger ist.

Die Spieler haben also folgende Handlungsoptionen: Investieren oder nicht
Investieren.

A. Wenn sie investieren, dann profitieren sie von Größenvorteilen, also
geringeren Durchschnittskosten und kaufen sich außerdem eine sog. Realoption,
sprich die Möglichkeit im Bedarfsfall (Markt zieht wieder an) ihre Produktion
schnell auszudehnen und jede sich bietende Marktchance zu nutzen. Niedrige
Preise + Schnelle Bedienung des Marktes führt zu Gewinn von Marktanteilen.
Nachteil: Ein komplexes technisches System wie eine Autofabrik muss permanent
betrieben werden, damit alle Beteiligten es nicht "verlernen", das ist eben
keine Frittenbude, bei der man nach 6 Monaten Schließung den Heizer wieder
anstellt, die Pommes aus dem Tiefkühler holt und dort weitermacht, wo man
aufgehört hat. Im weiteren muss man auch die Lieferkette sichern - und dazu
muss man eben auch kaufen. Denn die schönste und größte und modernste Fabrik
bringt nichts, wenn den Nachschub fehlt. Also muss der Laden am laufen
gehalten werden (koste es, was es wolle).

Wenn sie nicht investieren, sparen sie sich zwar viel Geld, aber man nimmt
alle oben genannten Nachteile in Kauf: Keine Realoption, Marktchancen können
nicht genutzt werden, Verlust der Lieferkette an Konkurrenten, die für die
Lieferanten attraktiver sind, technologischer Rückfall hinter die Konkurrenz,
die in neueste Technologie investieren.

Es gibt sicher noch vieles mehr, was erwähnenswert wäre; für das Spiel reicht
die Kombination:

Hohe Investition: Hohe Kosten, aber potentiell hoher Gewinn
Keine Investition: Geringe Kosten, aber geringe Gewinnaussichten

Nun gibt es folgende Kombinationen:

Einer investiert, der anderen nicht. Ergebnis: Wer zuletzt lacht, lacht am
besten (der Investor bedient die neue Nachfrage alleine, und gewinnt
obendrein Marktanteile wegen billiger und besserer Produkte)
beide investieren. Ergebnis: Doof, die Kohle in den Sand gesetzt, beide
gewinnen nur wenig (Marktchance wird zwar von beiden genutzt aber geteilt)
Keiner investiert. Ergebnis: OK, die Kohle gespart, und keiner gewinnt etwas
(Beide können die Marktchance nicht nutzen)

Welche Strategie ist nun optimal? Nun, wenn wir davon ausgehen, dass der
andere investiert, dann stellt sich die Situation für uns wie folgt dar: wir
investieren und gewinnen wenig, wir investieren nicht und verlieren. Also
sollten wir investieren.

Wenn sich also irgendeiner entscheidet zu investieren (und davon darf man
ausgehen), investieren alle - und produzieren auf Halde.

Mehr hierzu:
http://www.wiso.tu-dortmund.de/wiso/mik/Medienpool/de/materialien/spieltheorie_1/spiele1_ws07_08_skript.pdf

> Aus systemdynamischer Sicht dürfte Steve Keen den Unsinn der
> Gleichgewichtsesoteriker in der orthodoxen Ökonomie bewiesen haben.

Obwohl ich für Keen viel übrig habe, halte ich jegliche Modellierung
(menschlicher) sozialer Systeme für aussichtslos, DGL hin, Dynamik her.

Das Dumme am Menschen ist eben, dass er sich entwickelt und sich nicht an
Regeln hält. Schlimmer noch, er ist sich der Existenz solcher Modelle
bewusst, und sobald ein solches erst eine gewisse Verbreitung findet, passt
er sein Verhalten darauf an. Und um wieder mit der Spieltheorie zu kommen:
Man kann das so auffassen, dass die Spieler, die ja das Verhalten ihres
Gegenübers antizipieren, bevor sie eine Entscheidung treffen, davon ausgehen,
dass sie sich gemäß der Modellierung verhalten (wenn diese für plausibel
gehalten wird) und handeln entsprechend anders als sie vormals getan hätten,
als besagtes Modell - aus der Beobachtung des damaligen Verhaltens - erst
erstellt wurde. Aufgrund dieser sozialen Rückkopplung ist es aussichtslos,
Wirtschaft durch Modelle abbilden zu wollen.



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