ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Arne Pfeilsticker <Arne.Pfeilsticker AT piratenpartei-hessen.de>
- To: moneymind <moneymind AT gmx.de>
- Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Juristische Diskussion zum Geldsystem.
- Date: Sat, 5 Apr 2014 03:54:38 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Am 04.04.2014 um 12:27 schrieb moneymind <moneymind AT gmx.de>:
Hallo Arne,staunen ist die Vorstufe zur Erkenntnis.
Hoffentlich!Für mich sind die Begriffe glas klar:
Ein Kredit ist ein schuldrechtlicher Vertrag, in dem wechselseitige Zahlungen in unterschiedlicher Höhe und zu unterschiedlichen Zeitpunkten vereinbart werden.
Die Leistungen, in der die Zahlungsansprüche erfüllt werden, nennen wir Geld. Und in einem Kreditgeldsystem sind diese Leistungen selbst wieder die Forderungsseite von Kreditbeziehungen.
Geld ist ein Anspruch auf Geld. Und ein Anspruch auf Geld nennt man auch Kredit.
Prinzipiell hab ich da nichts einzuwenden, wobei der letzte Satz dann nur für ein reines Kreditgeldsystem gelten würde (und nicht z.B. für den Goldstandard),
Wie ich ausdrücklich darauf hingewiesen habe.
also keine "allgemeine" Definition von "Geld" wäre.
Deswegen würde ich ihn eher so formulieren: "Kreditgeld ist ein Anspruch auf Geld“.
Ich sehe bisher nur noch nicht recht, zu welchen neuen Erkenntnissen das führt - aber das kann ja noch kommen.
Das ist ein bisschen analog zu den diversen Produkten, wie Benzin, Heizöl, Kunststoffe, Schmieröle, Bitumen, etc., die aus Erdöl gewonnen werden können. Erst als man die Erkenntnis hatte, dass es sich dabei um unterschiedlich zusammengesetzte Kohlenwasserstoffverbindungen handelte, konnte sich die chemische Industrie richtig entwickeln.
Ich sehe es eher so:Hierzu hätte ich gerne eine Begründung.
* Banken schöpfen Kredit, nicht Geld
Hintergedanke war: für den Ausgleich ihrer Verbindlichkeiten untereinander (nach Saldierung) brauchen Geschäftsbanken ein Zahlungsmittel, das sie selbst nicht schaffen können (Zentralbankgeld).
Daher ist das Giralgeld, das sie selbst schöpfen, zwar Zahlungsmittel für die Nichtbanken, aber nicht für die Geschäftsbanken selbst. In other words, aus Sicht der Geschäftsbanken ist das Giralgeld, das sie schöpfen, Kredit.Banken gewähren Kredite und bezahlen sie mit selbst gemachtem (geschöpftem) Geld.
Du meinst sicher, sie "zahlen die Kredite aus“.
Weil so die intendierte Architektur unseres Währungssystems ist. Aber auch diese Absicht wurde weitgehend durch Geldmarktpapiere unterlaufen.Beweis: Der Buchungssatz bei der Auszahlung eines Kredits lautet: Darlehenskonto Kreditnehmer an Girokonto Kreditnehmer.
Die Soll-Buchung auf dem Darlehenskonto ist die Kreditforderung und die Haben-Buchung auf dem Girokonto ist die Geldschöpfung in Höhe des Kredits.
Das Geld für die Gutschrift auf dem Girokonto des Kreditnehmer musste sich die Bank von niemandem leihen; sie hat es mit und durch den Buchungssatz selbst gemacht.
Das ist unstrittig. Strittig ist nur, aus wessen Perspektive die Gutschrift auf dem Girokonto "Geld" ist (also uneingeschränkt als Zahlungsmittel genutzt werden kann), und aus wessen Perspektive nicht. Ich meinte oben: aus Sicht der Nichtbank (Kreditnehmer) ist es Zahlungsmittel, er kann es als solches nutzen. Aus Sicht der Geschäftsbank dagegen nicht, denn sie braucht im Zahlungsverkehr mit anderen GBen ZB-Geld. Für Sie stellt ZB-Geld das einzige uneingeschränkt verwendbare Zahlungsmittel dar.
Aber ich denke, wir sollten uns weniger um Begriffe streiten, als wirkliche Handlungszusammenhänge (samt der in der institutionellen und rechtlichen Struktur begründeten Motive der Handelnden) zwischen Nichtbanken, Geschäftsbanken, Zentralbank und Staat klären. Den Staat bitte nicht vergesssen - er ist wegen seiner Steuergewalt der potenteste Akteur bei der Geldschöpfung und -Vernichtung.* Kredit kann und konnte immer auch als Zahlungsmittel dienenEs ist nicht der Kredit, sondern die Forderungen auf Rückzahlung des ausbezahlten Kredits, die als Zahlungsmittel verwendet werden.
Das ist so bei der Form von Kredit, die Du ansprichst. Bei Wechseln - Urform kreditärer Zahlungsmittel - dagegen nicht.* will man daher Geldschöpfung der Privaten abschaffen, muß man Kredit (und damit Eigentum und Vertragsfreiheit) verbieten.Starker Tobak! Da fällt mir eigentlich nur noch Kant ein: Was ist Aufklärung?
Ok, ich müßte natürlich ausführen, wie ich das gemeint habe. Ich denke ganz einfach, wenn man die Geldschöpfung direkt komplett in die öffentliche Hand legt (oder verstehe ich die Intention der Vollgeldbefürworter da falsch?), würde ich damit rechnen, daß - wenn die Privaten Kreditbedarf haben, der von der Zentralstelle nicht oder nicht schnell genug bewilligt wird - sie einfach wieder auf Formen gegenseitiger direkter Kreditvergabe ausweichen werden (wie Lieferantenkredit, Wechsel etc.). Wahrscheinlich würden sogar private Parallelwährungen zur zentral kontrollierten öffentlichen Währung hinzukommen - notfalls auch unter der Hand (ähnliche Prozesse liefen im Realsozialismus ab, wenn auch nicht auf monetärer Ebene).
Wie siehst Du das?
Auch in einem Vollgeldsystem ist nicht an eine Kreditbewirtschaftung gedacht. Niemand, außer der kreditgebenden Bank selbst entscheidet, ob sie einen Kredit vergibt oder nicht. Die Zentralbank bzw. Monetative hat hier nichts zu bewilligen.
Und die Bank selbst würde auch nie Schwierigkeiten der Refinanzierung haben, wenn sie bereit ist, den jeweiligen Marktpreis (= Zins ) zu zahlen und die gewünschten Sicherheiten bereit zu stellen.
Angebot und Nachfrage sind keine diskreten Werte, sondern Funktionen des Preises und der Konditionen.
In einem marktwirtschaftlichen System wird Angebot und Nachfrage über den Preis und die Konditionen ausgeglichen. Daran würde sich auch in einem Vollgeldsystem nichts ändern.
Auch heute, mit einer Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken, könnte man einen „Kreditmangel“ bitter beklagen. Die Kreditabschlüsse wäre um ein zig-faches höher, wenn der Staat die Risiken der Banken übernehmen würden.
Würden alle Girokonten nicht bei den Geschäftsbanken, sondern ausschließlich bei der Zentralbank geführt werden, dann wäre das im Wesentlichen das Ende der privaten Geldschöpfung. Dadurch würde weder das Eigentumsrecht noch die Vertragsfreiheit tangiert, sondern lediglich das Nachmachen und in Verkehr bringen von Geld (= Geldfälschung) durch den Bankensektor unterbunden.
Siehe oben.Schon immer konnte auch Kredit als Zahlungsmittel dienen - egal, ob es nun einen Gerstengeld- oder Edelmetallgeldstandard gab.Richtig! - Aber das ist nicht der Punkt. Es ist eine Frage des Ausmaßes und wessen Kredite als Zahlungsmittel in einem Wirtschaftssystem de facto verwendet werden.
Ja, de facto. Ich meine eben, bei zentralisierter Geldschöpfung würden die Privaten bei Bedarf "de facto" auf privat generierte Zahlungsmittel ausweichen, notfalls unter der Hand (auch das würde die accountability der Wirtschaft enorm einschränken und zu eine parallelen "Geheimbuchführung" führen, die vor dem Staat ja geheimgehalten werden müßte; damit wäre die Vollstreckbarkeit in Frage gestellt; damit wären solche Transaktionen eigentlich keine Markttransaktionen mehr, sondern durch das staatliche Geldsystem erzeugte "Schwarzmarkt"-Transaktionen).
Warum sollte sich überhaupt was ändern, wenn 99% aller Menschen sowieso glauben, dass das Geld durch die Zentralbank und nicht durch die Geschäftsbanken bereitgestellt wird.
Durch ein Vollgeldsystem würde das Währungssystem den Vorstellungen der Menschen über das Währungssystem angeglichen werden.
Bei einer zentralisierten Geldschöpfung wird primär die Geldmenge - aber nicht die Kreditmenge bestimmt.
Theoretisch kann aus jeder beliebig kleinen Zentralbankgeldmenge jede beliebig große Kreditmenge generiert werden. Rein praktisch werden dieser Entwicklung durch die Schranken bei der Umlaufgeschwindigkeit, den Zahlungsgröße und Zahlungsgewohnheiten Grenzen gesetzt.
Ich glaube weder an rein öffentlich kontrollierte noch rein privat kontrollierte Kredit-/Geldschöpfung, sondern an ein flexibles Zusammenspiel beider Gegenpole.
Die private Giralgeldschöpfung macht verbuchtes Geld nach und bringt es in den Verkehr. Die private „Blütenschöpfung“ - besser bekannt als Falschgeld - macht verbrieftes Geld (= Banknoten, Münzen) nach und bringt es in den Verkehr. Der Unterschied zwischen verbucht und verbrieft ist eine Frage der Verpackung und nicht des Inhalts. Und wenn ich Geldfälschung als nicht OK betrachte, dann muss ich zwangsläufig das fälschen von Buchgeld ebenfalls als nicht OK betrachten.
Erst aus diesem Zusammenspiel der Gegenpole - der prozyklisch wirkenden privaten und der potentiell antizyklisch wirkenden öffentlichen Kreditnahme/-vergabe - entsteht (für mich) eine dynamische, freie Marktwirtschaft.
Ich möchte dir nicht zu nahe treten, aber nach meinem Verständnis wurde der Begriff „freie“ Marktwirtschaft eingeführt, um zu desinformieren.
Begriffe wie freie Marktwirtschaft gehören für mich in die gleiche Kategorie wie die Jungfrauengeburt und die Unfehlbarkeit der kath. Kirche. Man muss dran glauben. - Und selbst dann sind sie nur schwer verdaulich.
Es kann keine freie Marktwirtschaft geben, sondern allenfalls eine mehr oder weniger geregelte Marktwirtschaft.
Was als Freiheit verkauft wird, ist bei näherer Betrachtung die Macht der Stärkeren, die im Schein des Rechtes die wirtschaftlich Schwächeren bzw. nicht Skrupellosen bis zur Sittenwidrigkeit unter und über den Tisch ziehen. - Und dann auch noch die Frechheit haben, so zu tun als gäbe es keine Alternative und ihr Verhalten in Wahrheit den Schwächeren zu gute kommen würde.
Aber ich muß zugeben, daß ich mich mit dem Vollgeldvorschlag bisher nicht im Detail beschäftigt habe. Was würdest Du mir zum einlesen empfehlen? Huber? Gocht? Kannst Du was konkretes empfehlen? Danke.Und immer entstand dabei natürlich die Möglichkeit, Zahlungen im Extremfall rein über Kreditverhältnisse und Verrechnung abzuwickeln, ohne daß das "eigentliche Geld" (Gerste, Edelmetall, whatever) verwendet werden mußte (außer als rein gedachter Wertstandard - money of account). Der andere Extremfall wäre, daß alle Zahlungen in Geld abgewickelt wurden.Richtig. Das eine würde ich Ausgleich auf der Leistungsebene und das andere Ausgleich auf der Anspruchsebene nennen.
Ok.Die Praxis lag meist irgendwo dazwischen, aber immer bestand die Möglichkeit, daß die Kreditsummen über den physischen Geldvorräten lagen und bei "runs" dann nicht für alle Zahlungen ausreichten (Problem jedes Goldstandard).Ja, gerne.
Dies provozierte den Lernschritt hin zu einem Papiergeldsystem, in dem die ZB unbegrenzt durch physische Gütervorräte "Geld" produzieren kann.
Der entscheidende Lernschritt war aus meiner Sicht aber letztendlich der, die Probleme eines privaten Kreditgeldsystems selbst über kreditäre Strategien zu lösen, d.h. Geld- und Fiskalpolitik in einem "Papiergeldsystem" (ohne Goldstandard), in dem eben wiederum "Kredit" (Verbindlichkeit der Notenbank) als "Geld" fungiert.
Dessen letzter Verwirklichungsschritt wurde erst mit dem Ende des Systems von Bretton Woods vollzogen, wobei leider die Funktionsweise und antizyklischen Steuerungsmöglichkeiten von Geld- und Fiskalpolitik bisher nur pragmatisch genutzt, aber nicht theoretisch wirklich auf den Begriff gebracht sind, sodaß sie momentan sogar ideologisch überwuchert werden konnten.
Ein Vollgeldsystem liegt m.E. auch im Möglichkeitsbereich dieser Art von Geld- und Fiskalpolitik, ist aber m.E. weder nötig noch wirklich sinnvoll (wäre eine eigene Diskussion).
Vielleicht kannst Du mir erstmal was zum einlesen empfehlen. Am besten etwas, das auch die Entstehungsgeschichte der Vollgeld-Idee (geht auf Irving Fisher zurück, oder?) darstellt. Oder, falls Du nichts konkretes empfehlen willst, hast Du ggf. einen Link zu einer online-Literaturliste dazu, die das entsprechende von Huber, Gocht, Fisher etc. enthält?
Für Vollgeld halte ich die Seiten der Monetative für empfehlenswert: http://www.monetative.de/
Dort finden sich auch Links und Buchempfehlungen wie z.B. das 100%-Geld von Irving Fisher.
Und von Gocht kann ich dir sein Buch Kritische Betrachtungen zur nationalen und internationalen Geldordnung wärmstens empfehlen: http://www.buch.de/shop/home/rubrikartikel/ID29368071.html?ProvID=10905481&ia-pkpmtrack=9-8353835313236323131303-103-100-101#kritische-betrachtungen-zur-nationalen-und-internationalen-geldordnung
Viele Grüße
Arne
Danke + viele Grüße!
Wolfgang
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