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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Finanzspekulationen

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ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Finanzspekulationen


Chronologisch Thread 
  • From: Thomas Weiß <Weiss-Tom AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Finanzspekulationen
  • Date: Thu, 16 Jan 2014 22:19:51 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Sehr lesenswerter Text, auch wenn er etwas komplex ist.

Am besten fand ich 1.
Diese ganze Sache mit den Kreditausfallversicherungen (CDS) ermöglicht also den Banken, die Eigenkapitalunterlegung von Krediten loszuwerden während sie aber das Risiko weiter behalten. Die CDS ist (anscheinend) nicht unterlegungspflichtig und der Käufer des Kredits ist eine Nichtbank, die diese Eigenkapitalvorschriften gar nicht hat.

Volles Risiko - Null Eigenkapital.

Am 16.01.2014 21:56, schrieb Rolf Müller:
Jenseits der Spekulationskrise – Finanzmarktgetriebener Kapitalismus und
Perspektiven der Gegensteuerung, Prof. Jörg Huffschmid, Blätter für
deutsche und internationale Politik Nr. 11 2007

In den letzten Jahren haben die Banken ihre Kreditpolitik um drei
strategische Varianten bereichert, deren Wirkungen sehr problematisch
sind. Die erste ist die Technik des Verkaufs von Krediten, die zu diesem
Zweck in handelbare Schuldscheine (meist Anleihen) umgewandelt oder
„verbrieft“ werden. Dahinter steckt die Absicht, gesetzliche
Bestimmungen zu unterlaufen, die vorschreiben, dass Banken für alle
Kredite eine Reserve an eigenen Mitteln bereithalten müssen. Das soll
verhindern, dass der Ausfall von Krediten zur Illiquidität der
Gläubigerbank führt. Wenn Kredite aber verkauft werden, stehen sie nicht
mehr in den Büchern der
Bank, brauchen also nicht mehr mit Eigenkapital unterlegt zu werden –
obwohl sich an der Höhe und am Risiko des Kredites nichts geändert hat.
Dies gilt für den Fall, dass die Bank den Kredit mitsamt dem daran
hängenden Risiko verkauft. Es gilt aber auch dann, wenn sie dem Käufer
gegenüber für das Risiko des Kreditausfalls haftet! Der Verkauf
verschafft der Bank Spielraum für neue Kreditgeschäfte. Das Unternehmen,
das die in Wertpapiere verwandelten Kredite kauft, ist ein extra zu
diesem Zweck in der Regel von den Banken selbst gegründetes
Handelsunternehmen, („Special purpose vehicle“ oder „conduit“) also eine
Nichtbank. Hier gelten die Eigenkapitalvorschriften nicht. Im Ergebnis
nimmt die Menge an Krediten – und der Risiken – in der Wirtschaft zu,
nicht aber das für Problemfälle zu bildende Eigenkapital der Banken. Die
Kreditkäufer leihen sich ihrerseits das Geld, das sie zum Kauf der
Kreditpakete benötigen, entweder direkt bei den Banken, oder als (mit
eben jenen Krediten besicherte) Schuldscheine (collateralized debt
obligations, CDO) auf dem Kapitalmarkt. Dann verkaufen sie die
erworbenen Kreditpakete weiter an Investoren. Insgesamt handelt es sich
um eine hochkomplizierte Konstruktion, deren einziger Zweck es ist,
bestehende Gesetze zur Kreditvergabe- und Risikobeschränkung der Banken
legal zu unterlaufen und undurchschaubar zu machen.
Die zweite strategische Neuerung ist das Zusammenspiel der Banken und
der Finanzinvestoren beim Bau dieser einsturzgefährdeten Pyramiden.
Käufer der „verbrieften“ Kredite sind überwiegend Finanzinvestoren und
– Banken selbst, die sich mit derartigen Transaktionen nicht als
Kreditinstitute, sondern als Wertpapierhändler betätigen. Das war z.B.
der Fall bei der Sachsen LB, deren irische Niederlassung massenhaft
Kreditpakete gekauft hat, von deren
Bonität sie keine Ahnung hatte und haben konnte. Diese Institute
bezahlen in der Regel den Kaufpreis für die übernommenen Kreditpakete
nur zu einem Bruchteil mit eigenen Mitteln, sondern finanzieren ihn
überwiegend mit Krediten. Dies geschieht nicht aus Geldmangel, sondern
deshalb, weil durch die Aufnahme billiger Kredite die Rendite auf die
eingesetzten Eigenmittel drastisch gesteigert werden kann. Eine weitere
Drehung der absurden Spirale:
Finanzinvestoren nehmen Kredite auf, um als Wertpapiere verpackte
Kredite zu kaufen. Die dritte Strategie der Kreditausweitung besteht
darin, den ab 2005 einsetzenden neuen Boom bei Fusionen und Übernahmen
zu einem erheblichen Teil durch Kredite zu finanzieren, im Unterschied
zur vorangegangen Hausse, in dem die Finanzierung großer Fusionen
überwiegend durch Aktientausch erfolgt war. Das Angebot an reichlichen
und billigen Krediten ist nicht nur die Antwort auf die Kreditnachfrage
von Unternehmenskäufern, sondern selbst eine starke Schubkraft für die
jüngste Fusionswelle, die bis Mitte 2007 neue Rekordwerte erreicht
hatte.
Kredite tauchen in diesem Gebäude also an mindestens vier verschiedenen
Stellen auf, die alle verschiedenen Risiken ausgesetzt sind:
- Die Kredite an Bauherren, Autokäufer, Kreditkarteninhaber etc.; ihr
„normales“ Risiko besteht darin, dass die Schuldner zahlungsunfähig
werden, und dieses Risiko wird umso höher, je mehr die Banken versuchen,
auch denjenigen z.B. Immobilienkredite zu geben, die sich diese
eigentlich gar nicht leisten können.
- Die in den Handel gebrachten verbrieften Kreditpakete, deren Risiko
darin liegt, dass die
Nachfrage austrocknet und die Preise fallen.
- Die Kredite, die die Käufer der Kreditpakete aufnehmen um den Kauf zu
finanzieren; ihr
Risiko liegt darin, dass die Preise und Erträge der Pakete fallen oder
die Kreditkosten steigen
- Die Kreditzusagen für die Finanzierung von Übernahmen; ihr Risiko
liegt darin, dass sie
nicht einzuhalten sind, wenn die Banken ihre früher ausgereichten
Kredite nicht mehr verkau-
fen können.





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