ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Rolf Müller <rolf.mueller9 AT t-online.de>
- To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!
- Date: Fri, 03 Jan 2014 12:04:30 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Wie schon oft in der Vergangenheit stimme ich mit Patriks Analyse
weitgehend überein, widerspreche aber entschieden seinen
Schlußfolgerungen. Was hier fehlt ist eine Aufgabe/Rolle der Zentralbank, die sich aus der Verallgemeinerung n-stufiger Geldsysteme deduktiv für das 2-stufige Geldsystem ergibt. Auch bevor es Banken gab funktionierte die arbeitsteilige Wirtschaft Kreditgetrieben. Im 0-stufigen Geldsystemen gibt es zwischen allen Wirtschaftsteilnehmern Kreditbeziehungen in Form von bilateralen Forderungs- Verbindlichkeits Tupeln. Auch hier wurden Forderungen nich nur eingelöst sondern auch übertragen (Geldfunktion). Der Nachteil bestand darin, daß sich die Beteiligten selbst über die Fähigkeit und Willigkeit des Schuldners einer Forderung bezüglich seiner Tilgung zu informieren hatten und das Risiko eines Kreditausfalles somit selbst zu bewerten hatten. Die Innovation des Übergangs zu einem 1-stufigen Geldsystem bestand vor allem darin, daß diese Bewertung Institutionalisiert wurde. Die zentrale Funktion der Innovation 'Bank' besteht eben darin. Eine Bank prüft die Solvenz, also die Fähigkeit eine Forderung fristgerecht zu erfüllen, und bewertet diese über den Zins. Was aber wenn die Bank selbst Ihre zentrale Aufgabe unzureichend erfüllt und bei der Abwägung zwischen Renditeaussicht und Ausfallrisiko längerfristig allzuoft den Verlockungen der hohen Renditeaussicht erliegt? Wer prüft die Solvenz der Bank? - Genau: Die Bank der Banken, Die Zentralbank. Das ist eine wesentliche Rolle, welche die Zentralbank früher leidlich und aktuell gar nicht mehr wahrnimmt. Merke: Wenn man wie Patrik erkennt, daß eine Institution vorgebliche Aufgaben gar nicht erfüllt und/oder erfüllen kann ist die logische Konklusion nicht die Auflösung der Institution! Am 03.01.2014 00:00, schrieb Patrik
Pekrul:
Am 31. Dezember 2013 18:30 schrieb
Piratos <piratos.aka.tobias AT egomatrix.de>:
Die
wenigsten Menschen fragen sich wahrscheinlich, warum es
überhaupt eine Zentralbank gibt. Die häufigsten Antworten
werden wohl sein:Ja schöne Story für den Blog, oder? Hast Du Lust Deine Mail noch etwas zu unterfüttern und auf den Blog zu setzen? Wie wäre es damit:
Warum sie das überhaupt tun sollte, werden vermutlich
die meisten Menschen so begründen:
Tatsächlich beruht diese Vorstellung auf einer
grundlegend falschen Annahme über die Funktionsweise
unseres Geldsystems. Die Wahrheit ist:
All dieses ist in den vergangen Jahren empirisch
umfangreich untersucht worden, und selbst die
Zentralbanken mussten einsehen, dass sie weder
maßgeblichen Einfluss auf die Geldmenge haben, noch
dass die Geldmenge wiederum entscheidend für das
Preisniveau und damit die Inflationsrate ist.
Siehe z.B. hier: http://economics.soc.uoc.gr/macro/docs/Year/2013/papers/paper_1_143.pdf
"Our paper studies the relationship between money
growth and consumer price inflation in the euro
using wavelet analysis. Wavelet analysis allows to
account for variations in the money growth -
inflation relationship both across the frequency
spectrum and across time. Our results indicate that
over the sample period 1970-2012 there was no stable
significant relationship between fluctuations in
money growth and consumer price inflation at low
frequencies. In contrast, most of the literature, by
failing to account for the effects of time
variation, estimated stable long-run relationships
between money growth and inflation well into the
2000s. We also analyze the relationship between loan
growth and inflation in the euro area, since bank
loans represent the most important counterpart to
monetary developments but find no evidence for a
stable relationships between loan growth and
inflation at any frequency."
Im Gegensatz zur breiten Öffentlichkeit haben die
Zentralbanken dieses bereits erkannt und haben es
faktisch aufgegeben, die Geldmenge steuern zu wollen
(abgesehen davon, dass "die" Geldmenge ein höchst
schwammiger Begriff ist, der sehr unterschiedlich
interpretiert werden kann und wird). Die FED hat aus
diesem Grunde auch aufgehört die Geldmenge zu
erfassen und zu veröffentlichen.
Siehe hier: http://www.federalreserve.gov/releases/h6/discm3.htm
"On March 23, 2006, the Board of Governors of the
Federal Reserve System will cease publication of the
M3 monetary aggregate. The Board will also cease
publishing the following components:
large-denomination time deposits, repurchase
agreements (RPs), and Eurodollars. The Board will
continue to publish institutional money market
mutual funds as a memorandum item in this release.
... M3 does not appear to convey any additional information about economic activity that is not already embodied in M2 and has not played a role in the monetary policy process for many years. Consequently, the Board judged that the costs of collecting the underlying data and publishing M3 outweigh the benefits."
Während die EZB immer noch vorgibt, die Inflation über die Geldmenge M3 zu kontrollieren, erklärt die FED sie für schlicht irrelevant - womit sie mehr Einsichtsfähigkeit als die europäischen Institute zeigt - dies gilt im Besonderen Maße für die Bundesbank, die immer noch autistisch dem Mythos der Quanitätstheorie nachhängt: http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Monatsberichtsaufsaetze/2005/2005_01_geldmenge.pdf?__blob=publicationFile
"Der Zusammenhang zwischen Geldmenge und Preisen bildet die Grundlage für einen der beiden Pfeiler der geldpolitischen Strategie des Eurosystems. Monetäre Aggregate dienen als wichtige Indikatoren für die Einschätzung der mittel- bis langfristigen Preisentwicklung und damit der Risiken für die Preisstabilität. Ihre besondere Rolle in der geldpolitischen Strategie des Eurosystems verdanken sie dem relativ engen empirischen Zusammenhang zwischen Geldmenge und Preisen."
Diesen "empirischen Zusammenhang" gibt es schlicht nicht - insbesondere nicht für die Eurozone: http://www.voxeu.org/sites/default/files/file/DP8049.pdf
"This paper investigates whether the quantity theory of money is still alive. We argue that it is, but that the slippage is not negligible. For countries with low inflation, the relationship between average inflation and the growth rate of money is tenuous at best. A correction for variation in output growth and the opportunity cost of money, using theory implied elasticities, helps explain the slippage. For the period since 1990, inflation targeting at low rates of inflation makes it harder to establish the long run relationship between monetary growth and inflation."
Diese Studie bestätigt die Ergebnisse der vorherigen. In Zeiten "normaler" Inflationsraten gibt es keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen Geldmengenwachstum und Preisentwicklung. Sie kommt zu dem Schluss, dass es allenfalls langfristig einen Zusammenhang geben könnte, allerdings mit sehr großen Unsicherheiten:
"Quantity theory is still alive, but there are some brown spots, which merit serious attention. The slippage between explained long run inflation rates and actual inflation rates can reasonably be as high as six percent, which should be considered dangerously high to base long-term monetary policy upon without taking into account more information. In particular, for the period since 1990, we argue that success at targeting low inflation, together with greater dispersion in deregulation and technology adoption, make it harder to establish the long run relationship between inflation and monetary growth."
Auf gut deutsch: Kaffeesatzleserei.
Aufgrund dieser Tatsache, haben sich die Zentralbanken weitestgehend auf die Beeinflussung des Zinsniveaus verlegt. Auch hier herrscht die mittlerweile weltfremde Theorie vor, dass sich die Geschäftsbanken hauptsächlich bei den Zentralbanken refinanzieren würden, und diese also durch ihre Zinsniveau-Vorgaben maßgeblichen Einfluss auf die Marktzinsen und damit die Kreditvergabe hätten. Auch diese Vorstellung ist von der Realität längst überholt, aber nichts hält sich hartnäckig wie früh erlernte Glaubenssätze.
Die Banken finanzieren sich mittlerweile weitestgehend gegenseitig über den sog. Interbankenmarkt und legen ihren Referenzzinssatz - z.B.. den Libor oder Euribor - selbst fest. Die Folgen sind bekannt: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/zinsmanipulation-die-libor-bande-12057074.html
"Die großen Banken der Welt haben in einem beispiellosen Kartell über Jahre hinweg den Zins manipuliert, die wichtigste Stellgröße der Wirtschaft. Sie haben ihn mit üblen Tricks nach unten und oben getrieben - genauso, wie es ihnen gerade passte. Und keiner konnte sich ihrer Machenschaften entziehen. Während man bei Zertifikaten oder komplizierten Finanzprodukten immer noch selbst entscheiden kann, ob man sie kauft, entkommt der Macht des Zinses keiner. … Ein wichtiger Grund dafür, dass es zu den Manipulationen überhaupt kommen konnte, war offenbar, dass man die Libor-Meldungen in den Banken nicht besonders ernst nahm. Obwohl der Zins für die Weltwirtschaft so wichtig ist, war das Risikobewusstsein gering. Entsprechend schlecht waren die Kontrollen, entsprechend wenig Überwachung gab es."
Na so ein Zufall, hat wahrscheinlich keiner gemerkt oder gewusst...
Dass den Zentralbanken aufgrund des wachsenden Interbankenmarktes die Kontrolle weitgehend entglitten ist, hat unlängst sogar Draghi bestätigt: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/ezb-chef-draghi-sieht-ermutigende-zeichen-bei-euro-rettung-a-941064.html
"Draghi wies den Vorwurf zurück, die EZB-Politik niedriger Leitzinsen gehe zu Lasten der Sparer. Dass die Rendite entsprechender Anlagen teilweise nicht einmal die Inflation ausgleiche, sei "nicht die Schuld der EZB", sagte er. "Insbesondere in den vergangenen Jahren konnten wir die langfristigen Zinsen gar nicht kontrollieren, weil die Investoren wegen der Euro-Krise hochgradig verunsichert waren." Stattdessen würden die langfristigen Kapitalrenditen auf den globalen Finanzmärkten bestimmt."
Nachdem also in der Vergangenheit die Zentralbanken schon eingeräumt haben, dass sie keinen Einfluss auf die Geldmenge haben und sich stattdessen auf die Beeinflussung der Zinsen verlegten, räumt nun Draghi ein, dass die Zentralbank auch keine Kontrolle über das Zinsniveau hat.
Frage: Wenn eine Zentralbank also weder Einfluss auf Geldmenge und Zinsen hat, aber genau das ihr Instrumentarium sein soll, um das Preisniveau zu stabilisieren - was zwar ihr Auftrag ist, aber auch empirisch widerlegt wurde - wozu brauchen wir sie dann noch?
Antwort: Die einzige sinnvolle Funktion ist die des "Lender of last resort" (für die Banken) bzw. des Hauptfinanziers des Staates (in souveränen Staaten). Und selbst diese Funktion wird ihr im Falle der EZB sogar institutionell vorenthalten.
Die Zentralbank ist heute nichts weiter als ein Relikt aus dem Zeitalter konvertibler Währungen - eine Illusion. Faktisch kontrollieren heute "die Märkte" allein sowohl das Geld-/Kreditangebot als auch das Zinsniveau - alles andere ist Schmierentheater. -- instead of focusing on our differences, we should look at what we all have in common... http://www.youtube.com/watch?v=qLci5DoZqHU |
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Thomas Irmer / ID Concept, 02.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, ukw, 03.01.2014
- <Mögliche Wiederholung(en)>
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Thomas Irmer / ID Concept, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Axel Grimm, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Rolf Müller, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Axel Grimm, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Axel Grimm, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Stephan Schwarz, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Thomas Irmer / ID Concept, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Stephan Schwarz, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Stephan Schwarz, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Wischer, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 05.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 05.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Rudi, 05.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 05.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 05.01.2014
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