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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Rudi <piratrudi AT gmx.de>
- To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!
- Date: Sun, 05 Jan 2014 21:44:04 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
- Newsgroups: pirates.de.talk.politik.geldordnung-finanzpolitik.ag-bereich
- Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver
So sehr ich auch inhaltlich mit Dir übereinstimme, muss ich einiges
(formales) kritisieren:
"Die wenigsten..." - "Die häufigsten..." - "...die meisten..."
ist genauso schlecht wie die englischen Zitate.
Unser Thema ist schon komplex genug, da müssen wir auf dem Blog für die
Interessieretn nicht noch mit "Fach-Chinesisch" oder mit "Outländish"
kommen.
--
Gruß
Rudi
"Wir werden alle reicher. Auch die Armen. Die werden zahlreicher."
Am 05.01.2014 21:23, schrieb Patrik Pekrul:
> Version 2.0:
>
> Populärer Irrtum: Die Zentralbank und die Geldpolitik
>
> Die wenigsten Menschen fragen sich wahrscheinlich, warum es überhaupt eine
> Zentralbank gibt. Die häufigsten Antworten werden wohl sein:
>
> 1. Sie gibt das Geld heraus
> 2. Sie steuert die Geldmenge
> 3. Sie legt das Zinsniveau fest
>
> Warum sie das überhaupt tun sollte, werden vermutlich die meisten Menschen
> so begründen:
>
> 1. Irgendwer muss ja das Geld herausgeben
> 2. Sie muss Inflation verhindern
> 3. Über die Zinspolitik wird die Konjunktur gesteuert
>
> Tatsächlich beruht diese Vorstellung auf einer grundlegend falschen Annahme
> über die Funktionsweise unseres Geldsystems. Die Wahrheit ist:
>
> 1. Die Geldmenge wird maßgeblich von den Geschäftsbanken geschöpft
> 2. Es gibt keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Geldmenge
> und Inflation
> 3. Das Zinsniveau hat nur begrenzten Einfluss auf die
> Investitionsentscheidungen und damit auf die Konjunktur
>
> All dieses ist in den vergangenen Jahren empirisch umfangreich untersucht
> worden, und selbst die Zentralbanken mussten einsehen, dass sie weder
> maßgeblichen Einfluss auf die Geldmenge haben, noch dass die Geldmenge
> wiederum entscheidend für das Preisniveau und damit die Inflationsrate ist.
>
> Siehe z.B. hier:
> http://economics.soc.uoc.gr/macro/docs/Year/2013/papers/paper_1_143.pdf
>
> "Our paper studies the relationship between money growth and consumer price
> inflation in the euro using wavelet analysis. Wavelet analysis allows to
> account for variations in the money growth - inflation relationship both
> across the frequency spectrum and across time. Our results indicate that
> over the sample period 1970-2012 there was no stable significant
> relationship between fluctuations in money growth and consumer price
> inflation at low frequencies. In contrast, most of the literature, by
> failing to account for the effects of time variation, estimated stable
> long-run relationships between money growth and inflation well into the
> 2000s. We also analyze the relationship between loan growth and inflation
> in the euro area, since bank loans represent the most important counterpart
> to monetary developments but find no evidence for a stable relationships
> between loan growth and inflation at any frequency."
>
> Im Gegensatz zur breiten Öffentlichkeit haben die Zentralbanken dieses
> bereits erkannt und haben es faktisch aufgegeben, die Geldmenge steuern zu
> wollen (abgesehen davon, dass "die" Geldmenge ein höchst schwammiger
> Begriff ist, der sehr unterschiedlich interpretiert werden kann und wird).
> Die FED hat aus diesem Grunde auch aufgehört die Geldmenge zu erfassen und
> zu veröffentlichen.
>
> Siehe hier: http://www.federalreserve.gov/releases/h6/discm3.htm
>
> "On March 23, 2006, the Board of Governors of the Federal Reserve System
> will cease publication of the M3 monetary aggregate. The Board will also
> cease publishing the following components: large-denomination time
> deposits, repurchase agreements (RPs), and Eurodollars. The Board will
> continue to publish institutional money market mutual funds as a memorandum
> item in this release.
> ...
> M3 does not appear to convey any additional information about economic
> activity that is not already embodied in M2 and has not played a role in
> the monetary policy process for many years. Consequently, the Board judged
> that the costs of collecting the underlying data and publishing M3 outweigh
> the benefits."
>
> Während die EZB immer noch vorgibt, die Inflation über die Geldmenge M3 zu
> kontrollieren, erklärt die FED sie für schlicht irrelevant - womit sie mehr
> Einsichtsfähigkeit als die europäischen Institute zeigt - dies gilt im
> Besonderen Maße für die Bundesbank, die immer noch autistisch dem Mythos
> der Quanitätstheorie nachhängt:
> http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Monatsberichtsaufsaetze/2005/2005_01_geldmenge.pdf?__blob=publicationFile
>
> "Der Zusammenhang zwischen Geldmenge und Preisen bildet die Grundlage für
> einen der beiden Pfeiler der geldpolitischen Strategie des Eurosystems.
> Monetäre Aggregate dienen als wichtige Indikatoren für die Einschätzung der
> mittel- bis langfristigen Preisentwicklung und damit der Risiken für die
> Preisstabilität. Ihre besondere Rolle in der geldpolitischen Strategie des
> Eurosystems verdanken sie dem relativ engen empirischen Zusammenhang
> zwischen Geldmenge und Preisen."
>
> Diesen "empirischen Zusammenhang" gibt es schlicht nicht - insbesondere
> nicht für die Eurozone:
> http://www.voxeu.org/sites/default/files/file/DP8049.pdf
>
> "This paper investigates whether the quantity theory of money is still
> alive. We argue that it is, but that the slippage is not negligible. For
> countries with low inflation, the relationship between average inflation
> and the growth rate of money is tenuous at best. A correction for variation
> in output growth and the opportunity cost of money, using theory implied
> elasticities, helps explain the slippage. For the period since 1990,
> inflation targeting at low rates of inflation makes it harder to establish
> the long run relationship between monetary growth and inflation."
>
> Diese Studie bestätigt die Ergebnisse der vorherigen. In Zeiten "normaler"
> Inflationsraten gibt es keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen
> Geldmengenwachstum und Preisentwicklung. Sie kommt zu dem Schluss, dass es
> allenfalls langfristig einen Zusammenhang geben könnte, allerdings mit sehr
> großen Unsicherheiten:
>
> "Quantity theory is still alive, but there are some brown spots, which
> merit serious attention. The slippage between explained long run inflation
> rates and actual inflation rates can reasonably be as high as six percent,
> which should be considered dangerously high to base long-term monetary
> policy upon without taking into account more information.
> In particular, for the period since 1990, we argue that success at
> targeting low inflation, together with greater dispersion in deregulation
> and technology adoption, make it harder to establish the long run
> relationship between inflation and monetary growth."
>
> Auf gut deutsch: Kaffeesatzleserei.
>
> Aufgrund dieser Tatsache, haben sich die Zentralbanken weitestgehend auf
> die Beeinflussung des Zinsniveaus verlegt. Auch hier herrscht die
> mittlerweile weltfremde Theorie vor, dass sich die Geschäftsbanken
> hauptsächlich bei den Zentralbanken refinanzieren würden, und diese also
> durch ihre Zinsniveau-Vorgaben maßgeblichen Einfluss auf die Marktzinsen
> und damit die Kreditvergabe hätten. Auch diese Vorstellung ist von der
> Realität längst überholt, aber nichts hält sich so hartnäckig wie früh
> erlernte Glaubenssätze.
>
> Die Banken finanzieren sich mittlerweile weitestgehend gegenseitig über den
> sog. Interbankenmarkt und legen ihren Referenzzinssatz - z.B.. den Libor
> oder Euribor - selbst fest. Die Folgen sind bekannt:
> http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/zinsmanipulation-die-libor-bande-12057074.html
>
> "Die großen Banken der Welt haben in einem beispiellosen Kartell über Jahre
> hinweg den Zins manipuliert, die wichtigste Stellgröße der Wirtschaft. Sie
> haben ihn mit üblen Tricks nach unten und oben getrieben - genauso, wie es
> ihnen gerade passte. Und keiner konnte sich ihrer Machenschaften entziehen.
> Während man bei Zertifikaten oder komplizierten Finanzprodukten immer noch
> selbst entscheiden kann, ob man sie kauft, entkommt der Macht des Zinses
> keiner.
> …
> Ein wichtiger Grund dafür, dass es zu den Manipulationen überhaupt kommen
> konnte, war offenbar, dass man die Libor-Meldungen in den Banken nicht
> besonders ernst nahm. Obwohl der Zins für die Weltwirtschaft so wichtig
> ist, war das Risikobewusstsein gering. Entsprechend schlecht waren die
> Kontrollen, entsprechend wenig Überwachung gab es."
>
> Na so ein Zufall, hat wahrscheinlich keiner gemerkt oder gewusst...
>
> Dass den Zentralbanken aufgrund des wachsenden Interbankenmarktes die
> Kontrolle weitgehend entglitten ist, hat unlängst sogar Draghi bestätigt:
> http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/ezb-chef-draghi-sieht-ermutigende-zeichen-bei-euro-rettung-a-941064.html
>
> "Draghi wies den Vorwurf zurück, die EZB-Politik niedriger Leitzinsen gehe
> zu Lasten der Sparer. Dass die Rendite entsprechender Anlagen teilweise
> nicht einmal die Inflation ausgleiche, sei "nicht die Schuld der EZB",
> sagte er. "Insbesondere in den vergangenen Jahren konnten wir die
> langfristigen Zinsen gar nicht kontrollieren, weil die Investoren wegen der
> Euro-Krise hochgradig verunsichert waren." Stattdessen würden die
> langfristigen Kapitalrenditen auf den globalen Finanzmärkten bestimmt."
>
> Nachdem also in der Vergangenheit die Zentralbanken schon eingeräumt haben,
> dass sie keinen Einfluss auf die Geldmenge haben und sich stattdessen auf
> die Beeinflussung der Zinsen verlegten, räumt nun Draghi ein, dass die
> Zentralbank auch keine Kontrolle über das für Investitionen maßgebliche
> Zinsniveau hat.
>
> Frage: Wenn eine Zentralbank - insbesondere in Zeiten von Krisen - weder
> Einfluss auf Geldmenge noch Zinsen hat, aber genau das ihr Instrumentarium
> sein soll, um das Preisniveau und die Konjunktur zu stabilisieren, wozu
> brauchen wir sie dann noch?
>
> Antwort: In erster Linie dient die Zentralbank als Potemkinsches Dorf.
> Solange man diese Institution aufrecht erhält, kann man den Bürgern weiter
> vorspielen, dass sie
>
> das Geld schöpft,
> die Geldmenge steuert und
> das Zinsniveau festlegt.
>
> Es wird also eine exogene Geldmengensteuerung wie zu Zeiten konvertibler
> Währungen vorgegaukelt, um so davon abzulenken, dass es faktisch die
> Geschäftsbanken sind, die heute all diese Macht in sich vereinigen.
>
> Es ist leider eine Menge Fachwissen nötig, um dieses richtig zu stellen und
> daher ist diese Funktion von außerordentlicher Bedeutung. So lange die
> breite Öffentlichkeit an die Fassade glaubt, dass es am Ende die gute
> Zentralbank gibt, die alles richten kann und wird, können die
> Geschäftsbanken dahinter fast nach Belieben schalten und walten - und tun
> es auch.
>
> Die einzige sinnvollen Funktionen sind die des "Lender of last resort" (für
> die Banken) bzw. des Hauptfinanziers des Staates (in souveränen Staaten).
> Und selbst diese Funktion wird ihr im Falle der EZB sogar institutionell
> vorenthalten.
>
> FAZIT: Die Zentralbank ist heute nichts weiter als ein Relikt aus dem
> Zeitalter konvertibler Währungen - eine Illusion. Faktisch kontrollieren
> heute "die Märkte" allein sowohl das Geld-/Kreditangebot als auch das
> Zinsniveau.
>
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Rolf Müller, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Axel Grimm, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Axel Grimm, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Stephan Schwarz, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Stephan Schwarz, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Stephan Schwarz, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Wischer, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 05.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 05.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Rudi, 05.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 05.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Thomas Weiß, 06.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Rudi, 05.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 05.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 05.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Benedikt Weihmayr, 05.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 06.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 06.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 07.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, O.Herzig(Exile), 08.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Axel Grimm, 08.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 08.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Axel Grimm, 08.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Axel Grimm, 08.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, O.Herzig(Exile), 08.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 07.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 06.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 06.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Rolf Müller, 03.01.2014
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