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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Thomas Weiß <Weiss-Tom AT gmx.de>
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- Subject: Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!
- Date: Mon, 06 Jan 2014 01:02:19 +0100
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- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Gefällt mir gut. Insgesamt sind ein bisschen viel Quellen drin. Das macht schon Sinn, weil man ja eine gängige Meinung fachlich widerlegen will; vielleicht kann man sie aber noch kürzen, um den Leser nicht zu überladen. Konkret wären meine Vorschläge:
Am 05.01.2014 21:23, schrieb Patrik Pekrul:
Version 2.0:2. Satz raus, evtl. auch 3. Satz raus
Populärer Irrtum: Die Zentralbank und die Geldpolitik
Die wenigsten Menschen fragen sich wahrscheinlich, warum es überhaupt eine
Zentralbank gibt. Die häufigsten Antworten werden wohl sein:
1. Sie gibt das Geld heraus
2. Sie steuert die Geldmenge
3. Sie legt das Zinsniveau fest
Warum sie das überhaupt tun sollte, werden vermutlich die meisten Menschen so
begründen:
1. Irgendwer muss ja das Geld herausgeben
2. Sie muss Inflation verhindern
3. Über die Zinspolitik wird die Konjunktur gesteuert
Tatsächlich beruht diese Vorstellung auf einer grundlegend falschen Annahme
über die Funktionsweise unseres Geldsystems. Die Wahrheit ist:
1. Die Geldmenge wird maßgeblich von den Geschäftsbanken geschöpft
2. Es gibt keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Geldmenge
und Inflation
3. Das Zinsniveau hat nur begrenzten Einfluss auf die
Investitionsentscheidungen und damit auf die Konjunktur
All dieses ist in den vergangenen Jahren empirisch umfangreich untersucht
worden, und selbst die Zentralbanken mussten einsehen, dass sie weder
maßgeblichen Einfluss auf die Geldmenge haben, noch dass die Geldmenge
wiederum entscheidend für das Preisniveau und damit die Inflationsrate ist.
Siehe z.B. hier:
http://economics.soc.uoc.gr/macro/docs/Year/2013/papers/paper_1_143.pdf
"Our paper studies the relationship between money growth and consumer price
inflation in the euro using wavelet analysis. Wavelet analysis allows to account for
variations in the money growth - inflation relationship both across the frequency
spectrum and across time. Our results indicate that over the sample period 1970-2012
there was no stable significant relationship between fluctuations in money growth and
consumer price inflation at low frequencies. In contrast, most of the literature, by
failing to account for the effects of time variation, estimated stable long-run
relationships between money growth and inflation well into the 2000s. We also analyze
the relationship between loan growth and inflation in the euro area, since bank loans
represent the most important counterpart to monetary developments but find no evidence
for a stable relationships between loan growth and inflation at any frequency."
2. & 3. Satz raus
Im Gegensatz zur breiten Öffentlichkeit haben die Zentralbanken dieses bereits erkannt
und haben es faktisch aufgegeben, die Geldmenge steuern zu wollen (abgesehen davon,
dass "die" Geldmenge ein höchst schwammiger Begriff ist, der sehr
unterschiedlich interpretiert werden kann und wird). Die FED hat aus diesem Grunde auch
aufgehört die Geldmenge zu erfassen und zu veröffentlichen.
Siehe hier: http://www.federalreserve.gov/releases/h6/discm3.htm
"On March 23, 2006, the Board of Governors of the Federal Reserve System will
cease publication of the M3 monetary aggregate. The Board will also cease
publishing the following components: large-denomination time deposits, repurchase
agreements (RPs), and Eurodollars. The Board will continue to publish
institutional money market mutual funds as a memorandum item in this release.
...
M3 does not appear to convey any additional information about economic activity
that is not already embodied in M2 and has not played a role in the monetary
policy process for many years. Consequently, the Board judged that the costs of
collecting the underlying data and publishing M3 outweigh the benefits."
Diese letzten beiden Quellen vielleicht komplett rausnehmen?
Während die EZB immer noch vorgibt, die Inflation über die Geldmenge M3 zu
kontrollieren, erklärt die FED sie für schlicht irrelevant - womit sie mehr
Einsichtsfähigkeit als die europäischen Institute zeigt - dies gilt im
Besonderen Maße für die Bundesbank, die immer noch autistisch dem Mythos der
Quanitätstheorie nachhängt:
http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Monatsberichtsaufsaetze/2005/2005_01_geldmenge.pdf?__blob=publicationFile
"Der Zusammenhang zwischen Geldmenge und Preisen bildet die Grundlage für einen
der beiden Pfeiler der geldpolitischen Strategie des Eurosystems. Monetäre Aggregate
dienen als wichtige Indikatoren für die Einschätzung der mittel- bis langfristigen
Preisentwicklung und damit der Risiken für die Preisstabilität. Ihre besondere Rolle in
der geldpolitischen Strategie des Eurosystems verdanken sie dem relativ engen
empirischen Zusammenhang zwischen Geldmenge und Preisen."
Diesen "empirischen Zusammenhang" gibt es schlicht nicht - insbesondere nicht
für die Eurozone: http://www.voxeu.org/sites/default/files/file/DP8049.pdf
"This paper investigates whether the quantity theory of money is still alive. We
argue that it is, but that the slippage is not negligible. For countries with low
inflation, the relationship between average inflation and the growth rate of money is
tenuous at best. A correction for variation in output growth and the opportunity cost
of money, using theory implied elasticities, helps explain the slippage. For the period
since 1990, inflation targeting at low rates of inflation makes it harder to establish
the long run relationship between monetary growth and inflation."
Diese Studie bestätigt die Ergebnisse der vorherigen. In Zeiten "normaler"
Inflationsraten gibt es keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen Geldmengenwachstum
und Preisentwicklung. Sie kommt zu dem Schluss, dass es allenfalls langfristig einen
Zusammenhang geben könnte, allerdings mit sehr großen Unsicherheiten:
"Quantity theory is still alive, but there are some brown spots, which merit
serious attention. The slippage between explained long run inflation rates and
actual inflation rates can reasonably be as high as six percent, which should be
considered dangerously high to base long-term monetary policy upon without taking
into account more information.
In particular, for the period since 1990, we argue that success at targeting low
inflation, together with greater dispersion in deregulation and technology
adoption, make it harder to establish the long run relationship between inflation
and monetary growth."
Auf gut deutsch: Kaffeesatzleserei.
Aufgrund dieser Tatsache, haben sich die Zentralbanken weitestgehend auf die
Beeinflussung des Zinsniveaus verlegt. Auch hier herrscht die mittlerweile
weltfremde Theorie vor, dass sich die Geschäftsbanken hauptsächlich bei den
Zentralbanken refinanzieren würden, und diese also durch ihre
Zinsniveau-Vorgaben maßgeblichen Einfluss auf die Marktzinsen und damit die
Kreditvergabe hätten. Auch diese Vorstellung ist von der Realität längst
überholt, aber nichts hält sich so hartnäckig wie früh erlernte Glaubenssätze.
Die Banken finanzieren sich mittlerweile weitestgehend gegenseitig über den
sog. Interbankenmarkt und legen ihren Referenzzinssatz - z.B.. den Libor oder
Euribor - selbst fest. Die Folgen sind bekannt:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/zinsmanipulation-die-libor-bande-12057074.html
"Die großen Banken der Welt haben in einem beispiellosen Kartell über Jahre
hinweg den Zins manipuliert, die wichtigste Stellgröße der Wirtschaft. Sie haben
ihn mit üblen Tricks nach unten und oben getrieben - genauso, wie es ihnen gerade
passte. Und keiner konnte sich ihrer Machenschaften entziehen. Während man bei
Zertifikaten oder komplizierten Finanzprodukten immer noch selbst entscheiden
kann, ob man sie kauft, entkommt der Macht des Zinses keiner.
…
Ein wichtiger Grund dafür, dass es zu den Manipulationen überhaupt kommen konnte,
war offenbar, dass man die Libor-Meldungen in den Banken nicht besonders ernst
nahm. Obwohl der Zins für die Weltwirtschaft so wichtig ist, war das
Risikobewusstsein gering. Entsprechend schlecht waren die Kontrollen, entsprechend
wenig Überwachung gab es."
Na so ein Zufall, hat wahrscheinlich keiner gemerkt oder gewusst...
Dass den Zentralbanken aufgrund des wachsenden Interbankenmarktes die
Kontrolle weitgehend entglitten ist, hat unlängst sogar Draghi bestätigt:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/ezb-chef-draghi-sieht-ermutigende-zeichen-bei-euro-rettung-a-941064.html
"Draghi wies den Vorwurf zurück, die EZB-Politik niedriger Leitzinsen gehe zu Lasten der Sparer. Dass
die Rendite entsprechender Anlagen teilweise nicht einmal die Inflation ausgleiche, sei "nicht die
Schuld der EZB", sagte er. "Insbesondere in den vergangenen Jahren konnten wir die langfristigen
Zinsen gar nicht kontrollieren, weil die Investoren wegen der Euro-Krise hochgradig verunsichert
waren." Stattdessen würden die langfristigen Kapitalrenditen auf den globalen Finanzmärkten
bestimmt."
Nachdem also in der Vergangenheit die Zentralbanken schon eingeräumt haben,
dass sie keinen Einfluss auf die Geldmenge haben und sich stattdessen auf die
Beeinflussung der Zinsen verlegten, räumt nun Draghi ein, dass die
Zentralbank auch keine Kontrolle über das für Investitionen maßgebliche
Zinsniveau hat.
Frage: Wenn eine Zentralbank - insbesondere in Zeiten von Krisen - weder
Einfluss auf Geldmenge noch Zinsen hat, aber genau das ihr Instrumentarium
sein soll, um das Preisniveau und die Konjunktur zu stabilisieren, wozu
brauchen wir sie dann noch?
Antwort: In erster Linie dient die Zentralbank als Potemkinsches Dorf.
Solange man diese Institution aufrecht erhält, kann man den Bürgern weiter
vorspielen, dass sie
das Geld schöpft,
die Geldmenge steuert und
das Zinsniveau festlegt.
Es wird also eine exogene Geldmengensteuerung wie zu Zeiten konvertibler
Währungen vorgegaukelt, um so davon abzulenken, dass es faktisch die
Geschäftsbanken sind, die heute all diese Macht in sich vereinigen.
Es ist leider eine Menge Fachwissen nötig, um dieses richtig zu stellen und
daher ist diese Funktion von außerordentlicher Bedeutung. So lange die breite
Öffentlichkeit an die Fassade glaubt, dass es am Ende die gute Zentralbank
gibt, die alles richten kann und wird, können die Geschäftsbanken dahinter
fast nach Belieben schalten und walten - und tun es auch.
Die einzige sinnvollen Funktionen sind die des "Lender of last resort" (für
die Banken) bzw. des Hauptfinanziers des Staates (in souveränen Staaten). Und selbst
diese Funktion wird ihr im Falle der EZB sogar institutionell vorenthalten.
FAZIT: Die Zentralbank ist heute nichts weiter als ein Relikt aus dem Zeitalter
konvertibler Währungen - eine Illusion. Faktisch kontrollieren heute "die
Märkte" allein sowohl das Geld-/Kreditangebot als auch das Zinsniveau.
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Axel Grimm, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Axel Grimm, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Stephan Schwarz, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Stephan Schwarz, 03.01.2014
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- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Wischer, 03.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 05.01.2014
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- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Rudi, 05.01.2014
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- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Thomas Weiß, 06.01.2014
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- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 05.01.2014
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- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Benedikt Weihmayr, 05.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 06.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 06.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 07.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, O.Herzig(Exile), 08.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Axel Grimm, 08.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 08.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Axel Grimm, 08.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Eckhard Rülke, 09.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Axel Grimm, 10.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Axel Grimm, 08.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, O.Herzig(Exile), 08.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 07.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 06.01.2014
- Re: [AG-GOuFP] Die Katze ist aus dem Sack!, Patrik Pekrul, 06.01.2014
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