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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Stand halten / Sättigung

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Stand halten / Sättigung


Chronologisch Thread 
  • From: ukw <ukw AT berlin.com>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Stand halten / Sättigung
  • Date: Thu, 21 Jun 2012 03:20:36 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Am 20.06.2012 17:39, schrieb Comenius:
Am 20.06.2012 14:36, schrieb Frauke Mattfeldt: +1
Erfolgversprechende Änderungen find ich gut :-)
Kennt jemand eine Antwort bzw. eine Analyse dazu, weshalb das mit dem Wachstumszwang so ist (wenn es denn nicht am Zins liegt)?

Leider ist die Realität ziemlich komplex, so dass
  1. jede hier noch lesbare Antwort ziemlich ungenau bleiben muss und
  2. so durchaus mehrere Antworten möglich sind, weil ich denke, dass
  3. hier mehrere Aspekte zusammenspielen.

Dennoch will ich mich nicht drücken und versuchen einen Zusammenhang zumindest plausibel zu machen.

Zunächst aber zur Klarstellung: Ich sprach davon, dass zur Vermeidung einer Rezession in der Regel systembedingt Wachstum erforderlich ist, bzw. umgekehrt, dass das System ohne Wachstum in die Rezession kippen kann. Das ist schon eine Nuance anders, als einen systemimmanenten Wachstums"zwang" zu konstatieren.

Also:
  • Investitionen, Verbesserungen der Arbeitsorganisation etc. erhöhen - bisher immer noch einigermaßen kontinuierlich - die Produktivität (= mehr Produkte bei gleicher Arbeit)
  • Wird nun die Produktion nicht in gleichem Maße erweitert, wie die Produktivität gestiegen ist (also kein Wachstum), werden weniger Arbeitskräfte gebraucht und es entsteht Arbeitslosigkeit.
  • Diese Arbeitslosigkeit kann also nur vermieden werden durch
  • allgemeine Arbeitszeitverkürzung oder
  • Wachstum.
Wobei hier anzumerken ist, dass Wachstum nicht ausschließlich Steigerung der Warenproduktion sein muss. Es könnte im Prinzip auch ein ressourcenschonenderes Wachstum von Dienstleistungen sein (Arztzeit, Pflegezeit, Lehrzeit, Forschungszeit, Polizistenzeit, Steuerfahndungszeit etc.), sofern dafür eine kaufkräftige Nachfrage bereit gestellt wird, was in der Regel nur über den Staat geht (=Erhöhung der Staatsquote).
Kommt es nicht zu Wachstum (und auch nicht zu Arbeitszeitverkürzung und nicht zur Erhöhung der Staatsquote), drückt die steigende Arbeitslosigkeit auf das Lohnniveau. Die Nachfrage sinkt -> Produktion sinkt -> Arbeitslosigkeit steigt -> Kaufkraft sinkt -> Produktion sinkt -> ... Da Politiker, die sich für Arbeitszeitverkürzungen einsetzen würden, die volle Breitseite der Wirtschaftslobby und deren Propagandaapparat bekämen, und auch viele Arbeitnehmer lieber mehr Lohn als weniger Arbeit wollen, tendieren Politiker dazu, im Wachstum die einzige Möglichkeit zu sehen, der Rezession zu entkommen.

Fazit:

  1. Die Wachstumsnotwendigkeit wurzelt in der Produktivitätssteigerung (nicht im Zins).
  2. Es gibt Alternativen zum Wachstum (z.B. Arbeitszeitverkürzung / Erweiterung bezahlter menschenfreundlicher Dienstleistungen), wenn sie denn politisch in den Industrieländern durchsetzbar sind.

Ahoi,
Comenius



Hallo Frauke, hallo Comenuis und alle anderen Interessierten in dieser Liste
Frauke stellt die Frage nach dem Wachstumszwang. Ich habe dazu eine interessante Untersuchung gefunden aus der ich zitiere:

"Zur Zeit wächst das Bruttoinlandsprodukt Y kaum
noch, aber die Vermögen der Haushalte wachsen auf
Grund der durch den Zinseszinseffekt wachsenden
Zinserträge R stark an. Daraus schließen wir aber
unmittelbar, dass die Einkommen W sinken müssen.
Wir haben somit eine fundamentale Begründung
für sinkende Löhne bzw. für Arbeitslosigkeit gefun-
den. Und wir verstehen auch, warum die Wirtschaft
wachsen muss — nicht etwa, damit es allen Haushal-
ten „besser geht”, sondern damit die Lohnzahlungen
gegenüber den Zinszahlungen ausreichend hoch
gehalten werden können, damit also die Zinszahlungen
nicht zuviel vom Bruttoinlandsprodukt „wegfressen”
und die unteren Haushaltsgruppen ihren Kon-
sum noch finanzieren können.

Dieser Wachstumszwang ist ein schwerwiegendes
Problem unserer Geldordnung."

"Während Zinserträge auf angesparte Vermögen in
einer Volkswirtschaft eine Umverteilung der Geldver-
mögen hin zu der Gruppe der sehr Vermögenden ver-
ursachen, besteht zwischen unterschiedlichen Natio-
nen zunächst kein derartiger Umverteilungsmechanis-
mus. Dieser kann jedoch durch das Gewähren von ho-
hen Kreditsummen mit der anschließenden Verpflichtung
zur verzinsten Rückzahlung geschaffen werden.
Damit kann das Prinzip der Kapitalverzinsung als
globaler Mechanismus zur Umverteilung interpretiert
werden. Dabei werden falsche Wirtschaftstheorien
bewusst verwendet, um wirtschaftliche und strategi-
sche Interessen durchzusetzen. Durch Zinsen wach-
sende Vermögen und Schulden sollten als schwer-
wiegendes volkswirtschaftliches Problem wahrgenom-
men werden. Dies gilt sowohl auf nationaler Ebene im
Rahmen der bestehenden Geldordnung als auch in-
ternational, wo durch Kredite und Verschuldung eine
als Entwicklungshilfe getarnte Kolonialisierung statt-
findet. Langfristig aber führt die Kapitalverzinsung
allein schon wegen des auf lange Sicht nicht reali-
sierbaren Zwangs zu ständigem Wachstum zu einer
Zerstörung jedes betreffenden Wirtschaftssystems."


Aus Jürgen Kremer http://www.deweles.de/files/mathematik.pdf


                         





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