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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Warum sollte man den Geldschöpfungsgewinn Geldschöpfungsgewinn nennen?

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Warum sollte man den Geldschöpfungsgewinn Geldschöpfungsgewinn nennen?


Chronologisch Thread 
  • From: Arne Pfeilsticker <Arne.Pfeilsticker AT pfeilsticker.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Warum sollte man den Geldschöpfungsgewinn Geldschöpfungsgewinn nennen?
  • Date: Wed, 13 Jun 2012 09:22:08 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Lieber Thomas,
es freut mich, jemand im Forum anzutreffen, der auf dem Gebiet der Finanzmärkte promoviert hat. Was war das Thema deiner Promotion? Vielleicht gibt sie uns Antworten auf Fragen, an denen wir uns hier die Zähne ausbeißen.

Hier meine Fragen und Anmerkungen zu deinem Beitrag:

th.cgn schrieb:

Der Geldschöpfungsgewinn (Seigniorage) wird nun mal gemeinhin nicht im Zusammenhang mit der Giralgeldschöpfung gesehen, sondern in der Regel mit Bargeldschöpfung.
Es fällt in der Tat auf, dass die Veröffentlichungen zur Giralgeldschöpfung und dem Geldschöpfungsgewinn sehr übersichtlich sind. Insbesondere deshalb, weil der Unterschied zwischen Bargeld und Giralgeld in der „Verpackung“ (= Art des Nachweises) und nicht am „Inhalt“ (= Anspruch auf Geld) liegt.

Ich möchte aber nicht darüber spekulieren, ob eventuell Interessen damit verbunden sind, sondern einfach aufzeigen, dass mit der Geldschöpfung sehr viel Geld verbunden ist und die Geldschöpfung des Geschäftsbankensektors einen erheblichen Einfluss auf Finanzkrisen hat.

th.cgn schrieb:
Mit Verlaub, aber hier einen mathematischen Beweis anzuführen und einen Absatz später zu konstatieren, mit ein paar Wochen Übung sei noch keiner zu einem guten Programmierer geworden, provoziert die Gegenthese, auch Mathematiker und Informatiker werden nicht in ein paar Wochen gute Volkswirte oder Geldtheoretiker.
Deine Gegenthese ist für mich keine Provokation, sondern eine logische Schlussfolgerung, die ich mit der Bitte verbinde, dass wir die Geduld, gegenseitige Unterstützung und Arbeit aufbringen uns in das Thema einzuarbeiten, über das wir nicht nur sprechen, sondern politische Forderungen ableiten wollen.

Mir geht es auch nicht um alte Meriten, sondern konkrete Argumente. Woher jemand sein Wissen und Können bezogen hat, ist für eine Argumentation unerheblich.

th.cgn schrieb:
Man sollte zumindest versuchen, die Argumente in allgemeinverständlicher Sprache herüberzubringen.
Genau das ist mein Ziel.

th.cgn schrieb:
*Mit dem Privileg, Kredite vergeben und damit einhergehend Giralgeld schöpfen zu dürfen, verbinden Banken natürlich die Absicht, eine Gewinnmarge zu erzielen. *
*Höre ich hier das Wort „Geldschöpfungsgewinn“ aus dem Munde eines Diplomaten?*

Im Sinne einer allgemeinverständlichen Sprache bin ich mir nicht sicher, ob deine Formulierung in der Konsequent und Bedeutung allgemein verstanden wird.
Mein Formulierungsvorschlag für den von dir angesprochenen Sachverhalt lautet:

Durch die Einführung der Computer und die Einführung des Girokontos für Jedermann in den 1960iger Jahren haben sich Jahr für Jahr die bargeldlosen Zahlungen zu Lasten der Barzahlungen verschoben. Vor 1960 wurde überwiegend mit Bargeld bezahlt. Heute erfolgen 99% aller Zahlungen wertmäßig bargeldlos durch Überweisungen mit dem Giralgeld der Geschäftsbanken.

Das Herstellen und in Verkehr bringen von Geld nennt man Geldschöpfung. Vor 1960 floss der Gewinn aus der Geldschöpfung überwiegend an den Staat. Durch die Einführung der Computer hat sich von der Öffentlichkeit unbemerkt der größte Teil des Geldschöpfungsgewinns auf die Banken verlagert.

Würde man diese Geldschöpfung zurück auf den Staat übertragen, dann könnte man damit bei einer einmaligen Realisierung des Geldschöpfungsgewinns, die gesamte Staatsverschuldung Deutschland von ca. 2.0000 Mrd. Euro zurückzahlen. Bund, Länder und Gemeinden hätten durch diese Entschuldung pro Jahr ca. 60 Mrd. freie Mittel, die nicht mehr für die Schuldentilgung und Zinszahlungen eingesetzt werden müssten.

Näherer Details finden sich *hier* http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Was_ist_Geld%3F/Praktische_Konsequenz.

Gibt es am Tenor dieser Aussage von deiner Seite einen Einwand?

th.cgn schrieb:
Die Gewinnmarge ergibt sich aus dem Kreditzins nach Abzug von Refinanzierungszins, Verwaltungskosten und Risikokosten (= durchschnittlich erwartete Zuführungen zur Risikovorsorge).
Ich würde bei deiner Berechnung der Gewinnmarge sogar noch kalkulatorische Abschreibungen auf Sachanlagen akzeptieren.

Der entscheidende Punkt ist jedoch, dass der *Refinanzierungszinssatz* der Kosten- und Leistungs-/Erlösrechnung sogenannte Anderskosten sind, die in der Geschäftsbuchhaltung in dieser Höhe nicht anfallen. In diesen unterschiedlichen Wertansätzen verbirgt sich ein Teil des Geldschöpfungsgewinns.

Hinweis für Leser, die den letzten Absatz nicht verstanden haben:
Angenommen in der Kosten- und Leistungsrechnung wird ein Refinanzierungszinssatz von 1% angesetzt, weil die Bank sich zu diesem Zinssatz bei der Zentralbank oder anderen Geschäftsbank refinanzieren könnte.

Wenn jetzt tatsächlich und im Durchschnitt die Bank sich nur zu 30% refinanzieren muss, weil per Saldo 70% des gewährten Darlehen auf Konten innerhalb der gleichen Bank kreisen, dann fallen in der Geschäftsbuchhaltung (= Aufwands- und Ertragsebene) nur 30% der kalkulatorischen Refinanzierungskosten an. Die restlichen 70% sind der Geldschöpfung zuzurechnen. Die dabei ersparten Refinanzierungszinsen sind ein Teil des Geldschöpfungsgewinns.

Das was ich hier zur Kostenrechnung sage ist Standardwissen und Standardpraxis eines Bankbuchhalters. (Sofern es nicht schon in die Tiefen seiner Buchhaltungs-/Controlingsoftware versenkt wurde.)

th.cgn schrieb:
Entsprechend ist auch aus finanzmathematischer Sicht bei der Barwertberechnung vorzugehen: Der Diskontzins muss eine Risikoprämie enthalten, da sich alle anderen Marktteilnehmer dieses Risiko ebenfalls vergüten lassen würden. Da es aber nun nicht eine neutrale allwissende Instanz gibt, die einem die wahre Risikoprämie verrät, würde man versuchen, sich dieser über einen Markt-/Drittvergleich zu nähern. Es wird aber gemeinhin die (widerlegbare) Vermutung unterstellt, dass der Kredit zu marktgerechten Konditionen herausgelegt wird, da der Kunde sicherlich mehrere Banken abgefragt hat. Das bedeutet, dass die Risikoprämie bei der Diskontierung genauso hoch ist wie auch im Nettoergebnis aus dem Kredit. Hieraus folgt, dass bei Kreditentstehung auch ökonomisch KEIN GEWINN vorliegt, da der Barwert dem Nominalwert entspricht. Nicht umsonst werden Anschaffungskosten auch unter IFRS weit überwiegend als Erstansatz gewählt, obgleich der Marktwert anzusetzen ist. Daher ist Deine Argumentationskette für mich auch sachlogisch nicht nachvollziehbar (bin halt kein Mathematiker :) ).
Ich liebe dein Understatement. Wenn meine Vermutung richtig ist, dass du deine Dissertation in den 90iger Jahren geschrieben hast, dann wird sie sich von der Dissertation eines Mathematikers nur marginal (in den nicht-logischen Axiomen) unterscheiden.

Eine „gemeinhin (widerlegbare) Vermutung“ ist das deine Umschreibung für „Hier liegt der Hund begraben“?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass man den Text deines letzten Absatzes nicht ohne eine entsprechende Mathematisierung schreiben kann. Für mich ist er ein Beispiel, an der natürliche Sprache an seine Grenzen kommt. Ich bitte dich daher, dass du mir deine These in seiner ursprünglichen mathematischen Form zukommen lässt.

Für absolut Niemanden ist ohne fundierte Kenntnisse in Finanzmathematik nachvollziehbar, warum der Barwert dem Nominalwert entspricht.

Ist dir übrigens aufgefallen, dass deine Schlussfolgerung „KEIN GEWINN“ im Widerspruch zu deiner Eingangsthese „Mit dem Privileg, ... eine Gewinnmarge zu erzielen.“ steht.

Damit wir hier auch ein bisschen Fußballstimmung aufkommen lassen, biete ich dir folgende Wette an:

*Ich wette, dass du es nicht schaffst deine These auf der Basis von Tatsachen und Logik zu beweisen.*

Ich bin mir sicher, das wird ein interessantes und „lustiges“ Grillfest.

Nimmst du die Herausforderung an?

th.cgn schrieb:
Es gibt unzählige Privilegien für bestimmte Arten von Unternehmen, die daraus einen Gewinn erwirtschaften.
Hier gehst du ebenfalls von einem Geldschöpfungsgewinn aus. Denn ohne Gewinn kein Privileg.

Ich weiß nicht, ob man die eigenen Privilegien mit den Privilegien anderer begründen sollte. Mir geht es um Transparenz und eine sachliche Begründung.

Soweit ich die Piraten einschätze sind sie eher allergisch, gegen alles, was nach Privilegien, Pfründe und funktionslosem Einkommen riecht.

th.cgn schrieb:
Wenn wir nun die Besteuerung der Geldschöpfung fordern, entstehen den Banken zusätzliche Kosten der Kreditvergabe.
Ich fordere keine Besteuerung, sondern lediglich, dass der Geldschöpfungsgewinn dem zufließt, der ursächlich ist: Dem Staat, der durch seine Rechtsordnung Kreditgeld erst ermöglicht. Und warum sollte ein Teil einer Volkswirtschaft seine Rechnungen mit selbst gemachtem Geld bezahlen, während der Rest für sein Geld hart arbeiten muss.

th.cgn schrieb:
Selbst in einem Wettbewerbsmarkt werden Kosten an Kunden weitergegeben, wenn auch nicht immer vollständig (Preis = Grenzkosten :) ).
Das ist die ganz normale Härte der Realwirtschaft. Auch ein Softwarehändler könnte die Programme billiger verkaufen, wenn er sich Raubkopien zieht. Sollten wir deshalb für Softwarehäuser ein Recht auf Raubkopieren fordern?

th.cgn schrieb:
Und jetzt stelle ich mir folgende Schlagzeile vor: "Piraten wollen unsere Kredite verteuern".
Gegen Unterstellungen ist niemand gefeit. Und ich bin mir sicher, dass das noch eine der harmloseren Schlagzeilen sein wird. Allein an diesem Aufschrei könnte man ablesen, dass auch die Banken selbst wissen, dass der Geldschöpfungsgewinn eine erhebliche Subvention des Bankensektors darstellt.

th.cgn schrieb:
Ich glaube nicht, dass wir mit diesem Ansatz einen Blumentopf gewinnen.
Das glaube ich auch nicht, aber vielleicht erziehlen wir ein gutes Wahlergebnis, weil die Bürger sehen, dass die Piraten die einzige Partei ist, die den Auswüchsen im Bankensektor die Stirne bieten.

Viele Grüße
Arne




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