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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Stephan Schwarz <stephan.schwarz AT piratenpartei-bayern.de>
- To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Brakteaten
- Date: Fri, 04 May 2012 10:49:35 +0100
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- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
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weiss nicht, ob das hier perfekt in die Brakteaten-Thematik passt,
aber zum anschließend aufkommenden Problem der Geldwirtschaft -
durch das Verlags- & Handelswesen der Fugger & Co. -
definitiv: Gebannte Versuche: Der Frühkapitalismus Der entscheidende Nachteil der feudalen Ökonomie allerdings war, dass es kaum darüber hinaus ging. Zugewinne enseits des Eigenbedarfs gabes so gut wie nicht. Und genau das war der Grund, der in England bereits im 14. Jahrundert den Adel veranlasste, die gemeinschaftlichen Spielregeln zu verletzen und aus dem System auszubrechen. Das Bestreben des Adels, über die begrenzten feudalen Möglichkeiten der Abgaben und Frondienste hinaus zu gelangen und ihr Geldeinkommen zu vermehren, führte zum sogenannten Prozess der Einhegung („enclosure“): Die englischen Grundherren gingen mehr und mehr dazu über, das zuvor mit den Bauern gemeinsam genutzte Land abzugrenzen und Zäune zu errichten. Auf der abgeteilten Fläche wurde Schafzucht betrieben. Das versprach Gewinnchancen bei relativ geringem Arbeitsaufwand. Hierzu kam, dass die Absatzmöglichkeiten von Wolle wegen der hohen Nachfrage für die Kleiderfertigung günstig waren. Die Folge dieser einseitigen Aufkündigung des gegenseitigen Treue- und Abhängigkeitsverhältnisses der Feudalordnung durch den Adel war, dass viele Bauern von der Scholle, an die sie zuvor gebunden waren, vertriebn wurden. Ganze Ortschaften wurden durch die Einhegung entvölkert. Der Frühkapitalismus ist gleichbedeutend mit dem Aufkommen des Verlagssystems. Es war eine direkte Folge der Einhegungspraxis des Adels und bestand darin, dass handwerkliche Tätigkeiten, die im Mittelalter organisatorisch unter dem Dach der städtischen Zünfte mit ihren strengen Normen eingebunden waren, zunehmend auf die von ihren Produktionsmitteln getrennten Bauern auf dem Lande übertragen wurden. Diese standen nach der „Bauernbefreiung“ als billiges ArbeitskräfteReservoir zur Verfügung, und das machte sich die aufstrebende Schicht der Großhändler zu Nutze. Sie, die zum Teil bereits vom Aufschwung des Fernhandels profitierten, nutzten die Gunst der Stunde und belieferten die „bodenlosen“ Bauern, die dankbar waren für irgendeine Form existenzsichernder Betätigung, mit Rohstoffen und Rohmaterialien. Die Bauern verfertigten die Materialien zu Endprodukten und verkauften sie dann gegen Geld wieder an die Händler. Was sich aus heutiger Sicht fast wie selbstverständlich liest, kam in der damaligen Umbruchsphase zwischen Mittelalter und Neuzeit, zwischen feudaler Gemeinschafts-Bindung und beginnender kapitalistischer Individualisierung einer Revolution gleich. Neu war, dass der Händler in allen Phasen der Produktion die Eignerschaft über die Materialien respektive die Gütern behielt – und zwar mittels des Geldes. Neu war, dass der entwurzelte Bauer, ohne selbst noch Zugriffsmöglichkeiten auf Rohstoffe zur eigenen Weiterverarbeitung zu haben, nicht mehr ein Produkt, sondern nur noch seine blose Arbeitskraft zur Verfügung stellte - gegen Geld. Es ist insbesondere dieses systematische Auseinanderdividieren von Eigentum und produktiver Tätigkeit, hervorgerufen durch die im Verlagssystem wachsende Bedeutung des Geldes, welche den freilich langsamen Niedergang der feudalen Wirtschaftsordnung und den Beginn des (Früh-)Kapitalismus einleitet. In diesem System stellt der Händler den ersten Typus des (Handels)-Kapitalisten dar – im weiteren Verlauf sollten sie nicht nur die Rohstoffe, sondern Werkzeuge und auch Werkstätten zur Verfügung stellen. Mit der „Bodenlosigkeit“ der Bauern im Verlagssystem wurde eine Entwicklung eingeleitet, die im Kapitalismus nach und nach zur Auflösung der traditionellen „Hausökonomie“ führte und eine immer weitergehende räumliche und zeitliche Trennung von Arbeit und Leben nach sich zog. Der entwurzelte Bauer wurde dabei zum ersten Typus des „doppelt freien Lohnarbeiters“, wie Marx später schrieb, zunächst hauptsächlich tätig im Textilgewerbe. Hier gab es nun keinen moralischen Schutz mehr vor Ausbeutung.“Aus einem selbständigen unmittelbar für den Kunden arbeitenden Handwerker war er zu einem vom Verleger abhängigen Arbeiter geworden“, so der Wirtschaftshistoriker Kulischer. Weil die Subsistenzwirtschaft durchbrochen und das Entgelt für die geleistete Arbeit oftmals viel zu gering war, um die bäuerliche Familiengemeinschaft zu ernähren, wurden auch Frauen und Kinder in den Produktionsprozess hinein gezwungen. Verarmung und Elend waren häufig die Folge dieser neuen Wirtschwaftsweise, die nicht mehr dem Prinzip einer umfassenden Versorgung und Integration aller Mitglieder der (feudalen) Gesellschaft folgte. Das Beispiel des Verlagssystems zeigt, was die Bedeutungszunahme des Geldes in – noch begrenzten Sektoren – der Ökonomie bewirkte. Es bewirkte, dass der Adel die feudale Ordnung verließ und es bewirkte, dass kräftig an den Prinzipien der „Selbstversorgung“ und der Gemeinwirtschaft gerüttelt wurde. Dahinter stand das einmal mehr leitende Motiv der Grenzüberschreitung, der Wille, den wohl existenzsichernden Rahmen der feudalen Wirtschaftsordnung zu verlassen, um mehr zu bekommen. Und für dieses Mehr an Gütern und Waren diente sich das Geld an, auf das der Adel sich verstärkt bei der Umstellung des bäuerlichen Abgabensystems fokussierte. Mit dem geld, das immer stärker an die Stelle der Naturalien und der Frondienste rückte konnten die Grundherren nicht nur Produkte kaufen, die über die Möglichkeiten der Gütererzeugung auf den Fronhöfen hinausgingen. Das Geld, das den Großhändlern auf diese Weise vermehrt zufloß, bildete zusammen mit der Viehzucht des Adels zum Zwecke des Gelderwerbs und der Landvertreibung der Bauern überhaupt erst die Grundlage, dass sich das frühkapitalistische System der Heimarbeit etablieren konnte. Die Großhändler verfügten nun schließlich über die notwendigen (Geld-) Mittel, um in das Verlagssystem zu investieren, auch hier mit dem Ziel, Geldgewinne zu realisieren. Daraus ergab sich ein sich selbst verstärkender Kreislauf: Durch den reüssierenden Fernhandel, in dem sich die Verleger engagierten, vergrößerte sich das Angebot gerade auch solcher Waren, insbesondere vieler Luxusgüter, die auf den lokalen Gütermärkten des feudalen Wirtschaftssystems nicht verfügbar waren. Diese Güter hatten das Interesse des Adels geweckt und der Adel konnte sie nur bekommen, indem er sie mit Geld von den Händlern kaufte. Mit der Bedeutungszunahme des Geldes einher geht ein Wertewandel, der die ethische Basis der Feudalordnung angriff. Diejenigen, die damals in der Geschichte standen und Zeugen des Umbruchs wurden, fällten indes überaus harsche Urteile über den neuen Regenten, der nach Kaiser und König nun den unpersönlichen Namen Geld im Titel trug. In ihren Augen machten sich mit der Bedeutungszunahme des Geldes und der „Gewinnsucht“ im Verlagswesen Untugenden der „Maßlosigkeit“ breit und drohten die Gesellschaft mitsamt ihrer christlichen Moral zu unterminieren. „Nachdem die Händler und Kaufleute derart überhand genommen haben, ist der Adel verdorben, die Bürger in den Städten haben nichts, das Landvolk geht betteln,“ schreibt Johann Eberlin von Günzburg. Heiko Kastner: Mythos Marktwirtschaft, S. 244-248 --
Sonnigen Tag, Stephan Schwarz Piratenpartei Deutschland, Landesverband Bayern
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- Re: [AG-GOuFP] Brakteaten, (fortgesetzt)
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