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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- Subject: Re: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation
- Date: Thu, 26 Apr 2012 21:38:58 +0200
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Ja, ja Inflation wird lieber gesehen als Deflation. Was aber, wenn keine bonitären Schuldner mehr gefunden werden und sich das Geld als Tauschmittel dem Wirtschaftslkreislauf für Realgüter und Dienstleistungen verweigert?
"Wir sollten uns nicht so gebärden, als ob das Erkennen volkswirtschaftlicher
Zusammenhänge nur den Gralshütern vorbehalten bliebe, die auf der einen Seite
wissenschaftlich, auf der anderen Seite demagogisch, ihre verhärteten Standpunkte
vortragen. Nein, jeder Bürger unseres Staates muss um die wirtschaftlichen
Zusammenhänge wissen und zu einem Urteil befähigt sein, denn es handelt
sich hier um Fragen unserer politischen Ordnung, deren Stabilität zu sichern
uns aufgegeben ist.“6
„Die Inflation kommt nicht über uns als ein Fluch oder als ein tragisches
Geschick; sie wird immer durch eine leichtfertige oder sogar verbrecherische
Politik hervorgerufen.“7
7 Erhard, Ludwig (1957). Wohlstand für Alle. Düsseldorf: Econ-Verlag
2. Grundlagen
2.1. Probleme des gegenwärtigen Geldsystems8
2.1.1. „Notausgang“ Inflation – auf der Suche nach einer Krisenlösung
Unter Hochdruck arbeiten die Industrienationen an einer Bewältigung der Probleme.
Doch hohe Schulden und ein schwaches Wirtschaftswachstum könnten trotz aller
Mühen in einer Deflation münden. Letztendlich dürfte nur noch ein Ausweg bleiben:
Inflation.
"Überall in Europa haben die Schulden enorm zugenommen, die heute in allen
großen Staaten als drückend empfunden und auf die Dauer vermutlich zum Ruin
führen werden."9 Der, der das gesagt hat, ist kein Zeitgenosse, er starb 1790. Es war
der schottische Philosoph Adam Smith, der sich in seinem Hauptwerk "Wohlstand
der Nationen", erschienen 1776, bitterlich über das staatliche Schuldenmachen
beschwert. Dabei sind seine Ausführungen hochaktuell, können geradezu als Omen
für unsere Zeit gesehen werden. Er schreibt weiter: "Dort, wo die öffentliche Schuld
einmal eine bestimmte Höhe überschritten hat, ist es meines Wissens kaum
gelungen, sie auf gerechte Weise und vollständig zurückzuzahlen. Sofern es
überhaupt gelang, die Staatsfinanzen wieder einigermaßen in Ordnung zu bringen,
bediente man sich stets des Bankrotts, den man bisweilen auch unverhohlen
zugegeben hat, und selbst dort, wo häufig Rückzahlungen nominal geleistet wurden,
blieb es in Wirklichkeit ein echter Bankrott."10
2.1.2. Traditionelle Lösungsversuche sind gescheitert
Damit greift Smith jener Debatte voraus, die derzeit in Politik und Gesellschaft die
Menschen beschäftigt: Wie können die westlichen Industriestaaten ihre in den letzten
Jahrzehnten angehäuften Schuldenberge allgemeinverträglich abbauen?
Schuldenberge, die infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise im Zeitraum 2008 bis
8 Die Kapitel 2.1.1.-2.1.9. wurden zuerst als sogenannter Artikel „Notausgang Inflation – auf der
Suche nach einer Krisenlösung“ in RBS Märkte und Zertifikate Oktober/November 2011
veröffentlicht und mit Erlaubnis des Autors übernommen.
9 Smith, Adam (1776): The Wealth of Nations. Book V. Chapter 3. Of Public Debts. Paragraph 10
10 Smith, Adam (1776): The Wealth of Nations. Book V. Chapter 3. Of Public Debts. Paragraph 60
2010 noch einmal kräftig gewachsen sind und Länder wie Griechenland und Portugal
an den Rand des Ruins gedrückt haben. Diese Frage wird umso drängender, als alle
bisher angewendeten „traditionellen Lösungsversuche“ zur Ankurbelung der
Wirtschaft und einem dadurch möglich gemachten Schuldenabbau versagt haben.
Sowohl angebots- wie auch nachfrageorientierte wirtschaftspolitische Maßnahmen
haben bislang nicht die gewünschten nachhaltigen Effekte in der Realwirtschaft
gezeigt. Zwar gab es zwischenzeitlich eine Phase der Erholung, in der die Wirtschaft
stärker zulegen konnte, doch die jüngsten Konjunkturdaten aus vielen europäischen
Ländern und den USA lassen Zweifel an der Nachhaltigkeit des Aufschwungs
aufkommen.
2.1.3. Fehlende Diagnose
Eine zusätzliche Problematisierung erfährt das Ganze noch dadurch, dass man sich
in der Expertenszene schon bei der Diagnose der Problemlage uneinig ist, ganz zu
schweigen von deren richtiger Behandlung. Umstritten ist etwa die Frage, ob die
Vielzahl an Schwierigkeiten, mit denen die westlichen Industrienationen zu kämpfen
haben, das Ergebnis einer „normalen“, konjunkturell bedingten Wirtschaftskrise sind
oder nicht vielmehr schon die Erscheinungen einer Art Systemkrise. Letzteres würde
auch erklären, warum die „traditionellen Lösungsversuche“ an angebots- und
nachfrageorientierter Wirtschaftspolitik bislang nicht gegriffen haben. Ein populärer
Vertreter einer solch betont kritischen Sichtweise ist zum Beispiel Mohamed El-Erian,
Vorstandsvorsitzender des weltgrößten Bondverwalters PIMCO. Er sieht die
Verwerfungen als Teil einer einzigartigen historischen Neuordnung im
Kräfteverhältnis zwischen West und Ost, zwischen Europa und Nordamerika auf der
einen Seite, und Asien auf der anderen Seite. Seine Aufforderung: „Anleger müssen
in der jetzigen Situation die Geschichtsbücher wegschmeißen.“ Seine
Handlungsanweisungen an Politik und Wirtschaft: Die Krise darf nicht länger als
Liquiditätskrise, sondern muss als Solvenzkrise aufgefasst, die Schuldenlast deshalb
radikal reduziert werden. Länder, die dies nicht schaffen, wie möglicherweise
Griechenland, müssen die Eurozone verlassen. Was El-Erian nicht sieht ist, dass
Schuldenbergen in gleicher Höhe immer auch Vermögensbergen gegenüber stehen
und will man die Schuldenberge abbauen, dann muss man auch die
Vermögensberge abbauen. Und wer lässt sich schon gerne sein Vermögen
abbauen?
2.1.4. Todesspirale der Schulden
Rückenwind bekommt El-Erian von der Organisation für Wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). In ihrem Konjunkturausblick vom Mai
2011 betont die Organisation, dass vor allem Länder mit einem hohen
Schuldenstand langsamer wachsen als jene mit wenig Schulden. Doch die Frage
bleibt: Wie können Schulden abgebaut werden, wenn die Wirtschaft stagniert oder
sogar schrumpft? Eine deutliche Reduzierung der Staatsausgaben und eine
Erhöhung der Steuern dürften die Wirtschaft nur noch zusätzlich belasten und einen
nachhaltigen Schuldenabbau konterkarieren, was zu weiteren Ausgabekürzungen
und Steuererhöhungen führen müsste. „Die US-Wirtschaft wächst kaum noch, die
Laune der Konsumenten ist schlecht, das Land steht am Rande einer neuen
Rezession. Ein Sparprogramm würde die Wirtschaft endgültig über die Klippen
Stoßen“, so die Einschätzung von Barry Eichengreen, eines in Kalifornien lehrenden
US-Ökonomen. Mit der Zeit entsteht so eine „Todesspirale der Schulden“, folgert der
US-Ökonom Nouriel Roubini. Um dieser zu entkommen, ständen betroffenen Staaten
grundsätzliche drei Wege offen: Erstens eine heftige Deflation kombiniert mit einer
lange anhaltenden Rezession; zweitens eine tief greifende Strukturreform zur
Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und/oder drittens eine Abwertung
der Währung zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Produkte.
2.1.5. Mehr oder weniger Schulden?
Welcher Weg oder welche Kombination aus den Wegen auch immer gewählt wird, es
wird lang dauern und schmerzhaft sein. Davon ist auch Ex-Chef-Volkswirt der
Deutschen Bank, Norbert Walter, überzeugt. In einem Beitrag für das
Anlegermagazin „Der Aktionär“ schreibt Walter: „2012 und 2013 sind die
Schmerzensjahre als Konsequenz der Drogenverabreichung über viele Jahre, wenn
nicht Jahrzehnte, und deren Aufstockung im Gefolge der Lehmann-Krise.“ Er wehrt
sich damit ausdrücklich gegen die Absicht, den Schuldenberg mit Hilfe weiterer
Schulden abzubauen. Eine Absicht, die von Keynesianern wie Joseph Stiglitz
vertreten wird. In Konfrontation zum Monetarismus betont Stiglitz, dass eine
kapitalistische Wirtschaftsordnung starken Regularien zu unterwerfen ist. Und: In
einer Krise sei nicht den Banken zu helfen, sondern den Schwachen und Armen in
einer Gesellschaft, damit diese mit ihrer Nachfrage für neue Konsumimpulse sorgen
können. Eine Argumentation ganz im Sinne von Karl Marx. In seinem Hauptwerk:
„Das Kapital“ schreibt Marx: „Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die
Armut und Konsumptionsbeschränkung der MassenO. .“11
2.1.6. Schulden-Deflationsspirale
Wie verzweifelt der Versuch sein kann, aus der Krise auszubrechen, zeigt das
Beispiel Japan. Trotz einer jahrelangen expansiven Geld- und Fiskalpolitik ist es dem
Land bislang nicht gelungen, eine nachhaltige Konjunkturwende herbeizuführen.
Zudem ist Japan heute mit einem staatlichen Verschuldungsgrad von 230 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts (BIP) das am höchsten verschuldete Industrieland. Dabei
treten in Japan zwei Faktoren auf, die nach dem Ökonomen Irving Fisher im
Zusammenspiel verheerend sind: Überschuldung und Deflation. Weist ein Land eine
solche Konstellation auf, so Fisher in seinem berühmten Artikel „Debt Deflation
Theory of Great Depressions“, der 1933 erschienen ist und den Ausbruch der
Großen Depression in den USA 1929 untersucht, führt das dazu, dass Unternehmen
und Konsumenten alles daran setzen, ihre Schulden zurückzuzahlen. Dieser
Vorgang führt zu einem Nachfragerückgang auf breiter Front und die Preise
kommen noch stärker unter Druck. Jeder Versuch, in dieser Situation die
Staatsschulden zu reduzieren, wird fehlschlagen, weil eine Reduzierung der
Staatsausgaben Unternehmen und Konsumenten noch vorsichtiger werden lässt.
Aber auch eine Erhöhung der Staatsausgaben ist problematisch, weil Unternehmen
und Verbraucher dadurch nicht zwangsläufig mehr konsumieren wollen. Vor allem
dann nicht, wenn die Vermögenswerte, die im Vorfeld der Krise als Sicherheit für
Kredite hinterlegt worden sind, selbst an Wert verlieren (Stichwort:
Vermögenspreisdeflation). Es kommt zu einem Attentismus der Marktakteure, die auf
eine Bodenbildung warten, und zu einem realen Schuldenwachstum, was zu
11 Marx, Karl (1894). Das Kapital Bd. III Abschnitt V, Spaltung des Profits in Zins und Unternehmergewinn.
Das zinstragende Kapital. Kapitel 30: Geldkapital und wirkliches Kapital I.
weiteren Sparanstrengungen führt. So wird nach und nach eine Schulden-
Deflationsspirale in Gang gesetzt, aus der nur noch schwer zu entkommen ist.
2.1.7. USA kämpfen gegen Deflation
Ein Szenario, in das möglicherweise nun auch die westlichen Industrienationen
schlittern könnten. Nach dem Platzen der Immobilienblase in den USA und in einigen
Staaten Europas sind viel Hausbesitzer überschuldet. Die Häuserpreise sind etwa in
den USA seit dem Höhepunkt im Jahr 2006 im Schnitt um ein Drittel und mehr
gefallen. Dadurch mussten viele private Haushalte starke Vermögenseinbußen
hinnehmen. Die reale Schuldenlast ist enorm gestiegen. Zudem haben sich die
Staaten zur Bekämpfung der Krise viel Geld geliehen. Was nun noch fehlt, ist ein
Preisverfall auf breiter Front, der jede Bemühung seitens der Regierung vereitelt, die
Menschen zum Konsum zu bewegen. Damit wären im Grunde genommen alle
Vorraussetzungen für Fischers Schulden-Deflationsspirale gegeben.
Dass die USA eine deflationäre Entwicklung mehr fürchten als eine Inflation, ist aus
geschichtlicher Sicht verständlich. Die große Depression, ausgehend vom
Börsencrash im Jahr 1929, bestimmt noch heute das Handeln der US-Politik, wie die
Hyperinflation in den 1930er Jahren die bundesdeutsche Politik bis in die Gegenwart.
Vor diesem Hintergrund ist einsichtig, warum Timothy Geithner bei seinem letzten
Besuch der Euro-Mitgliedsländer in Polen im September 2011 die Europäer so
vehement aufgefordert hat, zur Bekämpfung der Krise noch mehr Geld in die Hand
zu nehmen. Seine Aufforderung kann auch als Hinweis gesehen werden, dass die
USA in einer Deflation das weitaus größere Gefahrenpotential sehen als in einer
Inflation. Ähnlich dürfte es auch US-Notenbankchef Ben Bernanke sehen. Bereits
1995 widmete er sich in seiner Arbeit „The Macroeconomics of the Great Depression:
A Comparative Approach“ dem Thema Depression. Die von den Ökonomen Anna
Schwartz und Milton Friedmann 1963 formulierte These, dass die Große Depression
der 1930er-Jahre durch die zurückhaltende Geldpolitik der US-Notenbank extrem
verschärft worden ist, wird von Bernanke im Kern geteilt. Deshalb auch seine 2002
gehaltene und viel zitierte Rede, in der er ankündigte, dass er bereit sei, so viel
Bargeld wie nötig der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen, um das Wachstum zu
stimulieren. Ein Rezept, das auch Irving Fisher anwenden würde. Die Reflation ist,
neben dem Konkurs, der einzig mögliche Ausweg aus der Schulden-
Deflationsspirale, so Fisher.
2.1.8. EZB wird zur BAD Bank
Aber auch in Europa ändert sich die Sicht der Dinge. Allein schon die Rücktritte von
Dr. Axel Weber vom Präsidentenposten der Deutschen Bundesbank und von Jürgen
Stark von der Stelle des Chefvolkswirts bei der Europäischen Zentralbank (EZB)
haben jenes Lager geschwächt, das der Geldwertstabilität höchste Priorität einer
nachhaltigen Notenbankpolitik zubilligt. Wie Weber steht auch Stark dem Aufkauf von
Staatsanleihen durch die EZB mehr als ablehnend gegenüber. Stattdessen verfolgt
die EZB nun mehr und mehr eine Politik nach dem Vorbild der US-Notenbank Fed
und nicht, wie ursprünglich konzipiert, nach dem Leitbild der Deutschen Bundesbank.
Im Gegensatz zur Deutschen Bundesbank, die sich eben der Geldwertstabilität
verpflichtet fühlt, soll sich die Fed auch um eine möglichst niedrige Arbeitslosigkeit
und um nachhaltiges Wachstum bemühen. Dabei ist sie, so der Vorwurf der Kritiker,
zum „Erfüllungsgehilfen der Politik“ geworden. „Ich habe noch nie so viel Wut
gegenüber der Fed gesehen“, erklärt etwa der Carnegie-Mellon-Ökonom Allan
Meltzer, ein anerkannter Fed-Experte. Für viele Amerikaner ist die Notenbank ein
Symbol für Bailouts mit Steuergeldern geworden. Und die EZB ist ihr dicht auf den
Fersen. Spätestens seit dem Weggang von Jürgen Stark genießt die EZB in der
Öffentlichkeit kaum noch Vertrauen. „Und so verkommt die EZB als Hüterin des Euro
langsam zur Bad Bank des Euro-Systems, bei der die Banken Europas ihre
Schrottpapiere abladen“, so etwa das Fazit von Matthias Brendel und Christoph
Pauly in einem Beitrag auf Spiegel Online. Aber nicht nur Redakteure und
Kolumnisten schlagen Alarm, auch eingefleischte Ökonomen, wie etwa Thomas
Meyer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, sehen die Institution EZB in Gefahr. Sie
werde, so seine Kritik, zu einem „Lender of last resort“, einem Kreditgeber für all
jene, die sonst nirgendwo mehr Kredit bekommen würden.
2.1.9. Politisch gewolltes Inflationspotential.
In der Fachwelt ist zudem ein Streit darüber ausgebrochen, welche Folgen der
Aufkauf von Staatsanleihen, die sonst kaum einer mehr haben will, durch die
Notenbanken für die Wirtschafts- und Finanzwelt haben wird. Manche befürchten,
dass so ein erhebliches Inflationspotential aufgebaut wird. Zwar betont die EZB, dass
eine solche Entwicklung unwahrscheinlich sei, weil man im Gegenzug dem Markt
wieder Geld entziehe, doch gerade diese Eins-zu-eins-Rechnung wird von vielen
Experten bezweifelt. Das Finanzsystem und die Wirtschaft sind nun mal keine
Maschinen, die völlig berechenbar funktionieren. Ganz zu schweigen davon, dass es
mathematische Modelle geben würde, die sie vollständig erklären oder gar planbar
machen. Das Problem verschärft sich noch dadurch, dass der Ankauf von
Staatsanleihen etwa aus Griechenland und Italien selbst nicht planbar ist. Wie die
jüngste Entwicklung zeigt, dürfte zumindest Griechenland ein Sanierungsfall auf
Jahre sein. Entsprechend lang werden sich die Stützungsaktionen für griechische
Anleihen hinziehen müssen. Ob und wann zu jeder Zeit Maßnahmen zu
Sterilisierung, also Neutralisierung des zusätzlich in Umlauf gebrachten Geldes,
durchgeführt werden können, ist unklar. Und was ist, wenn die EZB eines Tages
erkennen muss, dass sie die Vielzahl an Staatsanleihen, die sie zusammengekauft
hat, gar nicht mehr loswerden wird? Bis Mitte August belief sich das Securities
Markets Programm (SMP) auf immerhin 96 Milliarden Euro. Spätestens dann würde
wohl der Charakter der EZB als Bad Bank offensichtlich werden. Um die Verluste
auszugleichen, müssten die Euro-Staaten Geld zur Aufbesserung der EZB-Bilanz
nachschießen.
All dies ist politisch möglicherweise sogar gewollt. Denn es gilt, einer Schulden-
Deflationsspirale Herr zu werden. Was man dazu benötigt, ist eine „vernünftige“
Inflation. Der Chef-Ökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF) Oliver
Blanchard etwa legt den westlichen Industriestaaten in einer 2010 erschienen Studie
eine Inflationsrate von vier Prozent nahe. Und Gregory Mankiw, Ex-
Wirtschaftsberater von George W. Bush, empfiehlt sogar eine Preissteigerungsrate
von „sechs Prozent über mehrere Jahre, um die Schuldenbombe zu entschärfen“.
Wir erinnern uns an den eingangs zitierten Adam Smith: „ selbst dort, wo häufig
Rückzahlungen nominal geleistet wurden, blieb es in Wirklichkeit ein echter
Bankrott.“12
12 Smith, Adam (1776): The Wealth of Nations. Book V. Chapter 3. Of Public Debts. Paragraph 60
2.1.10. „Euro-Krise Top-EZB-Mann rät zu neuer Geldflut
Gerade erst päppelte die Europäische Zentralbank die Finanzinstitute mit einer
halben Billion Euro - da erwägt einer ihrer Top-Leute schon neue Schritte. In einem
Interview empfiehlt EZB-Rat Bini Smaghi, die Geldschleusen notfalls noch weiter zu
öffnen.
Bei einer Deflation sinken die Verbraucherpreise. Das kann den Konsum bremsen,
weil Verbraucher Käufe in die Zukunft verschieben - in der Hoffnung, dann weniger
zu zahlen. Dadurch kann eine gefährliche Abwärtsspirale entstehen.
Mit ihren immer massiveren Eingriffen handelt die EZB immer mehr wie die USNotenbank
Fed. Diese hatte bereits im vergangenen Jahr die Märkte mit 600
Milliarden Dollar geflutet. Das Geld nutzen US-Privatbanken zum Beispiel, um mehr
Kredite an Firmen und Haushalte zu vergeben, was die Konjunktur stimulieren soll.
Die EZB hatte sich lange gegen solche Eingriffe gestemmt - anders als bei der Fed
ist ihr oberstes Ziel die Bekämpfung von Inflation, und gerade die Ausweitung der
Geldmenge kann dazu führen, dass die Verbraucherpreise rasch steigen.
Derzeit aber ist die EZB die letzte Instanz in Europa, welche die Euro-Krise
überhaupt noch wirkungsvoll eindämmen kann. Entsprechend wirft sie nach und
nach immer mehr ihrer Prinzipien über Bord - und rechtfertigt das mit der akuten
Gefahr im Euro-Raum.
Angst vor der Kreditklemme
Der bei der EZB angesiedelte Europäische Systemrisikorat (ESRB) warnte denn
auch am Donnerstag erneut vor einer Verschärfung der Finanz- und Schuldenkrise.
Die wirtschaftliche Situation habe sich insgesamt verschlechtert, teilte der Rat aus
Notenbankern und Finanzaufsehern mit. Es gebe Anzeichen dafür, dass die
steigende Nervosität nun auch die Realwirtschaft erreicht habe. "Die Abhängigkeit
der Zentralbanken hat sich erhöht, und es gibt Hinweise, dass sich die schwierigen
Finanzbedingungen auf die Realwirtschaft auswirken" hieß es. Vorsitzender des
ESRB ist der neue EZB-Chef, Mario Draghi.
Um eine Ausweitung der Schuldenkrise zu verhindern, müsse die
Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors erhöht werden, teilte der Rat mit. Dazu
müssten die Banken ihre Bilanzen stärken, ohne jedoch die Kreditvergabe
abzubremsen.
Die EU-Bankenaufsicht EBA befürchtet, dass die Geldhäuser in Europa die
Wirtschaft nicht mehr in ausreichendem Maße mit Krediten versorgen. Viele Banken
versuchen, die höheren Kapitalauflagen der EBA, die sie ab Mitte 2012 einhalten
müssen, durch eine Drosselung der Kreditvergabe zu erfüllen. Wenn aber
Unternehmen und Privatpersonen keine Darlehen mehr bekommen, würgt das die Wirtschaft ab.
LG Winnie
----- Original Message ----- From: "Jürgen Niccum" <j.niccum AT me.com>
To: "AG-GOuFP" <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
Sent: Thursday, April 26, 2012 5:18 PM
Subject: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation
Ahoi zusammen,
Artikel zum Thema Geldmenge umd Inflation auf The Intelligence
http://www.theintelligence.de/index.php/wirtschaft/finanzen/4330-deshalb-ist-inflation-keine-ernsthafte-gefahr.html
Gruß Jürgen
--
AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik mailing list
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https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-geldordnung-und-finanzpolitik
- Re: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation, High-End-Studio Prenk, 26.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation, Enter-Mario, 27.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation, Daniel , 27.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation, Christoph "Pluto" Puppe, 27.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation, Daniel , 27.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldmenge, Inflation, Zins, High-End-Studio Prenk, 29.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation, Daniel , 27.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation, High-End-Studio Prenk, 29.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation, Christoph "Pluto" Puppe, 27.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation, Daniel , 27.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation, Zinses-Zins und Wachstum, High-End-Studio Prenk, 29.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation, Karlsruher, 30.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation, piraten, 26.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation, High-End-Studio Prenk, 26.04.2012
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