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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation


Chronologisch Thread 
  • From: "High-End-Studio Prenk" <info AT high-end-studio.de>
  • To: <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation
  • Date: Thu, 26 Apr 2012 21:38:58 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Ja, ja Inflation wird lieber gesehen als Deflation. Was aber, wenn keine bonitären Schuldner mehr gefunden werden und sich das Geld als Tauschmittel dem Wirtschaftslkreislauf für Realgüter und Dienstleistungen verweigert?

"Wir sollten uns nicht so gebärden, als ob das Erkennen volkswirtschaftlicher

Zusammenhänge nur den Gralshütern vorbehalten bliebe, die auf der einen Seite

wissenschaftlich, auf der anderen Seite demagogisch, ihre verhärteten Standpunkte

vortragen. Nein, jeder Bürger unseres Staates muss um die wirtschaftlichen

Zusammenhänge wissen und zu einem Urteil befähigt sein, denn es handelt

sich hier um Fragen unserer politischen Ordnung, deren Stabilität zu sichern

uns aufgegeben ist.“6

„Die Inflation kommt nicht über uns als ein Fluch oder als ein tragisches

Geschick; sie wird immer durch eine leichtfertige oder sogar verbrecherische

Politik hervorgerufen.“7

7 Erhard, Ludwig (1957). Wohlstand für Alle. Düsseldorf: Econ-Verlag

2. Grundlagen

2.1. Probleme des gegenwärtigen Geldsystems8

2.1.1. „Notausgang“ Inflation – auf der Suche nach einer Krisenlösung

Unter Hochdruck arbeiten die Industrienationen an einer Bewältigung der Probleme.

Doch hohe Schulden und ein schwaches Wirtschaftswachstum könnten trotz aller

Mühen in einer Deflation münden. Letztendlich dürfte nur noch ein Ausweg bleiben:

Inflation.

"Überall in Europa haben die Schulden enorm zugenommen, die heute in allen

großen Staaten als drückend empfunden und auf die Dauer vermutlich zum Ruin

führen werden."9 Der, der das gesagt hat, ist kein Zeitgenosse, er starb 1790. Es war

der schottische Philosoph Adam Smith, der sich in seinem Hauptwerk "Wohlstand

der Nationen", erschienen 1776, bitterlich über das staatliche Schuldenmachen

beschwert. Dabei sind seine Ausführungen hochaktuell, können geradezu als Omen

für unsere Zeit gesehen werden. Er schreibt weiter: "Dort, wo die öffentliche Schuld

einmal eine bestimmte Höhe überschritten hat, ist es meines Wissens kaum

gelungen, sie auf gerechte Weise und vollständig zurückzuzahlen. Sofern es

überhaupt gelang, die Staatsfinanzen wieder einigermaßen in Ordnung zu bringen,

bediente man sich stets des Bankrotts, den man bisweilen auch unverhohlen

zugegeben hat, und selbst dort, wo häufig Rückzahlungen nominal geleistet wurden,

blieb es in Wirklichkeit ein echter Bankrott."10

2.1.2. Traditionelle Lösungsversuche sind gescheitert

Damit greift Smith jener Debatte voraus, die derzeit in Politik und Gesellschaft die

Menschen beschäftigt: Wie können die westlichen Industriestaaten ihre in den letzten

Jahrzehnten angehäuften Schuldenberge allgemeinverträglich abbauen?

Schuldenberge, die infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise im Zeitraum 2008 bis

8 Die Kapitel 2.1.1.-2.1.9. wurden zuerst als sogenannter Artikel „Notausgang Inflation – auf der

Suche nach einer Krisenlösung“ in RBS Märkte und Zertifikate Oktober/November 2011

veröffentlicht und mit Erlaubnis des Autors übernommen.

9 Smith, Adam (1776): The Wealth of Nations. Book V. Chapter 3. Of Public Debts. Paragraph 10

10 Smith, Adam (1776): The Wealth of Nations. Book V. Chapter 3. Of Public Debts. Paragraph 60

2010 noch einmal kräftig gewachsen sind und Länder wie Griechenland und Portugal

an den Rand des Ruins gedrückt haben. Diese Frage wird umso drängender, als alle

bisher angewendeten „traditionellen Lösungsversuche“ zur Ankurbelung der

Wirtschaft und einem dadurch möglich gemachten Schuldenabbau versagt haben.

Sowohl angebots- wie auch nachfrageorientierte wirtschaftspolitische Maßnahmen

haben bislang nicht die gewünschten nachhaltigen Effekte in der Realwirtschaft

gezeigt. Zwar gab es zwischenzeitlich eine Phase der Erholung, in der die Wirtschaft

stärker zulegen konnte, doch die jüngsten Konjunkturdaten aus vielen europäischen

Ländern und den USA lassen Zweifel an der Nachhaltigkeit des Aufschwungs

aufkommen.

2.1.3. Fehlende Diagnose

Eine zusätzliche Problematisierung erfährt das Ganze noch dadurch, dass man sich

in der Expertenszene schon bei der Diagnose der Problemlage uneinig ist, ganz zu

schweigen von deren richtiger Behandlung. Umstritten ist etwa die Frage, ob die

Vielzahl an Schwierigkeiten, mit denen die westlichen Industrienationen zu kämpfen

haben, das Ergebnis einer „normalen“, konjunkturell bedingten Wirtschaftskrise sind

oder nicht vielmehr schon die Erscheinungen einer Art Systemkrise. Letzteres würde

auch erklären, warum die „traditionellen Lösungsversuche“ an angebots- und

nachfrageorientierter Wirtschaftspolitik bislang nicht gegriffen haben. Ein populärer

Vertreter einer solch betont kritischen Sichtweise ist zum Beispiel Mohamed El-Erian,

Vorstandsvorsitzender des weltgrößten Bondverwalters PIMCO. Er sieht die

Verwerfungen als Teil einer einzigartigen historischen Neuordnung im

Kräfteverhältnis zwischen West und Ost, zwischen Europa und Nordamerika auf der

einen Seite, und Asien auf der anderen Seite. Seine Aufforderung: „Anleger müssen

in der jetzigen Situation die Geschichtsbücher wegschmeißen.“ Seine

Handlungsanweisungen an Politik und Wirtschaft: Die Krise darf nicht länger als

Liquiditätskrise, sondern muss als Solvenzkrise aufgefasst, die Schuldenlast deshalb

radikal reduziert werden. Länder, die dies nicht schaffen, wie möglicherweise

Griechenland, müssen die Eurozone verlassen. Was El-Erian nicht sieht ist, dass

Schuldenbergen in gleicher Höhe immer auch Vermögensbergen gegenüber stehen

und will man die Schuldenberge abbauen, dann muss man auch die

Vermögensberge abbauen. Und wer lässt sich schon gerne sein Vermögen

abbauen?

2.1.4. Todesspirale der Schulden

Rückenwind bekommt El-Erian von der Organisation für Wirtschaftliche

Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). In ihrem Konjunkturausblick vom Mai

2011 betont die Organisation, dass vor allem Länder mit einem hohen

Schuldenstand langsamer wachsen als jene mit wenig Schulden. Doch die Frage

bleibt: Wie können Schulden abgebaut werden, wenn die Wirtschaft stagniert oder

sogar schrumpft? Eine deutliche Reduzierung der Staatsausgaben und eine

Erhöhung der Steuern dürften die Wirtschaft nur noch zusätzlich belasten und einen

nachhaltigen Schuldenabbau konterkarieren, was zu weiteren Ausgabekürzungen

und Steuererhöhungen führen müsste. „Die US-Wirtschaft wächst kaum noch, die

Laune der Konsumenten ist schlecht, das Land steht am Rande einer neuen

Rezession. Ein Sparprogramm würde die Wirtschaft endgültig über die Klippen

Stoßen“, so die Einschätzung von Barry Eichengreen, eines in Kalifornien lehrenden

US-Ökonomen. Mit der Zeit entsteht so eine „Todesspirale der Schulden“, folgert der

US-Ökonom Nouriel Roubini. Um dieser zu entkommen, ständen betroffenen Staaten

grundsätzliche drei Wege offen: Erstens eine heftige Deflation kombiniert mit einer

lange anhaltenden Rezession; zweitens eine tief greifende Strukturreform zur

Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und/oder drittens eine Abwertung

der Währung zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Produkte.

2.1.5. Mehr oder weniger Schulden?

Welcher Weg oder welche Kombination aus den Wegen auch immer gewählt wird, es

wird lang dauern und schmerzhaft sein. Davon ist auch Ex-Chef-Volkswirt der

Deutschen Bank, Norbert Walter, überzeugt. In einem Beitrag für das

Anlegermagazin „Der Aktionär“ schreibt Walter: „2012 und 2013 sind die

Schmerzensjahre als Konsequenz der Drogenverabreichung über viele Jahre, wenn

nicht Jahrzehnte, und deren Aufstockung im Gefolge der Lehmann-Krise.“ Er wehrt

sich damit ausdrücklich gegen die Absicht, den Schuldenberg mit Hilfe weiterer

Schulden abzubauen. Eine Absicht, die von Keynesianern wie Joseph Stiglitz

vertreten wird. In Konfrontation zum Monetarismus betont Stiglitz, dass eine

kapitalistische Wirtschaftsordnung starken Regularien zu unterwerfen ist. Und: In

einer Krise sei nicht den Banken zu helfen, sondern den Schwachen und Armen in

einer Gesellschaft, damit diese mit ihrer Nachfrage für neue Konsumimpulse sorgen

können. Eine Argumentation ganz im Sinne von Karl Marx. In seinem Hauptwerk:

„Das Kapital“ schreibt Marx: „Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die

Armut und Konsumptionsbeschränkung der MassenO. .“11

2.1.6. Schulden-Deflationsspirale

Wie verzweifelt der Versuch sein kann, aus der Krise auszubrechen, zeigt das

Beispiel Japan. Trotz einer jahrelangen expansiven Geld- und Fiskalpolitik ist es dem

Land bislang nicht gelungen, eine nachhaltige Konjunkturwende herbeizuführen.

Zudem ist Japan heute mit einem staatlichen Verschuldungsgrad von 230 Prozent

des Bruttoinlandsprodukts (BIP) das am höchsten verschuldete Industrieland. Dabei

treten in Japan zwei Faktoren auf, die nach dem Ökonomen Irving Fisher im

Zusammenspiel verheerend sind: Überschuldung und Deflation. Weist ein Land eine

solche Konstellation auf, so Fisher in seinem berühmten Artikel „Debt Deflation

Theory of Great Depressions“, der 1933 erschienen ist und den Ausbruch der

Großen Depression in den USA 1929 untersucht, führt das dazu, dass Unternehmen

und Konsumenten alles daran setzen, ihre Schulden zurückzuzahlen. Dieser

Vorgang führt zu einem Nachfragerückgang auf breiter Front und die Preise

kommen noch stärker unter Druck. Jeder Versuch, in dieser Situation die

Staatsschulden zu reduzieren, wird fehlschlagen, weil eine Reduzierung der

Staatsausgaben Unternehmen und Konsumenten noch vorsichtiger werden lässt.

Aber auch eine Erhöhung der Staatsausgaben ist problematisch, weil Unternehmen

und Verbraucher dadurch nicht zwangsläufig mehr konsumieren wollen. Vor allem

dann nicht, wenn die Vermögenswerte, die im Vorfeld der Krise als Sicherheit für

Kredite hinterlegt worden sind, selbst an Wert verlieren (Stichwort:

Vermögenspreisdeflation). Es kommt zu einem Attentismus der Marktakteure, die auf

eine Bodenbildung warten, und zu einem realen Schuldenwachstum, was zu

11 Marx, Karl (1894). Das Kapital Bd. III Abschnitt V, Spaltung des Profits in Zins und Unternehmergewinn.

Das zinstragende Kapital. Kapitel 30: Geldkapital und wirkliches Kapital I.

weiteren Sparanstrengungen führt. So wird nach und nach eine Schulden-

Deflationsspirale in Gang gesetzt, aus der nur noch schwer zu entkommen ist.

2.1.7. USA kämpfen gegen Deflation

Ein Szenario, in das möglicherweise nun auch die westlichen Industrienationen

schlittern könnten. Nach dem Platzen der Immobilienblase in den USA und in einigen

Staaten Europas sind viel Hausbesitzer überschuldet. Die Häuserpreise sind etwa in

den USA seit dem Höhepunkt im Jahr 2006 im Schnitt um ein Drittel und mehr

gefallen. Dadurch mussten viele private Haushalte starke Vermögenseinbußen

hinnehmen. Die reale Schuldenlast ist enorm gestiegen. Zudem haben sich die

Staaten zur Bekämpfung der Krise viel Geld geliehen. Was nun noch fehlt, ist ein

Preisverfall auf breiter Front, der jede Bemühung seitens der Regierung vereitelt, die

Menschen zum Konsum zu bewegen. Damit wären im Grunde genommen alle

Vorraussetzungen für Fischers Schulden-Deflationsspirale gegeben.

Dass die USA eine deflationäre Entwicklung mehr fürchten als eine Inflation, ist aus

geschichtlicher Sicht verständlich. Die große Depression, ausgehend vom

Börsencrash im Jahr 1929, bestimmt noch heute das Handeln der US-Politik, wie die

Hyperinflation in den 1930er Jahren die bundesdeutsche Politik bis in die Gegenwart.

Vor diesem Hintergrund ist einsichtig, warum Timothy Geithner bei seinem letzten

Besuch der Euro-Mitgliedsländer in Polen im September 2011 die Europäer so

vehement aufgefordert hat, zur Bekämpfung der Krise noch mehr Geld in die Hand

zu nehmen. Seine Aufforderung kann auch als Hinweis gesehen werden, dass die

USA in einer Deflation das weitaus größere Gefahrenpotential sehen als in einer

Inflation. Ähnlich dürfte es auch US-Notenbankchef Ben Bernanke sehen. Bereits

1995 widmete er sich in seiner Arbeit „The Macroeconomics of the Great Depression:

A Comparative Approach“ dem Thema Depression. Die von den Ökonomen Anna

Schwartz und Milton Friedmann 1963 formulierte These, dass die Große Depression

der 1930er-Jahre durch die zurückhaltende Geldpolitik der US-Notenbank extrem

verschärft worden ist, wird von Bernanke im Kern geteilt. Deshalb auch seine 2002

gehaltene und viel zitierte Rede, in der er ankündigte, dass er bereit sei, so viel

Bargeld wie nötig der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen, um das Wachstum zu

stimulieren. Ein Rezept, das auch Irving Fisher anwenden würde. Die Reflation ist,

neben dem Konkurs, der einzig mögliche Ausweg aus der Schulden-

Deflationsspirale, so Fisher.

2.1.8. EZB wird zur BAD Bank

Aber auch in Europa ändert sich die Sicht der Dinge. Allein schon die Rücktritte von

Dr. Axel Weber vom Präsidentenposten der Deutschen Bundesbank und von Jürgen

Stark von der Stelle des Chefvolkswirts bei der Europäischen Zentralbank (EZB)

haben jenes Lager geschwächt, das der Geldwertstabilität höchste Priorität einer

nachhaltigen Notenbankpolitik zubilligt. Wie Weber steht auch Stark dem Aufkauf von

Staatsanleihen durch die EZB mehr als ablehnend gegenüber. Stattdessen verfolgt

die EZB nun mehr und mehr eine Politik nach dem Vorbild der US-Notenbank Fed

und nicht, wie ursprünglich konzipiert, nach dem Leitbild der Deutschen Bundesbank.

Im Gegensatz zur Deutschen Bundesbank, die sich eben der Geldwertstabilität

verpflichtet fühlt, soll sich die Fed auch um eine möglichst niedrige Arbeitslosigkeit

und um nachhaltiges Wachstum bemühen. Dabei ist sie, so der Vorwurf der Kritiker,

zum „Erfüllungsgehilfen der Politik“ geworden. „Ich habe noch nie so viel Wut

gegenüber der Fed gesehen“, erklärt etwa der Carnegie-Mellon-Ökonom Allan

Meltzer, ein anerkannter Fed-Experte. Für viele Amerikaner ist die Notenbank ein

Symbol für Bailouts mit Steuergeldern geworden. Und die EZB ist ihr dicht auf den

Fersen. Spätestens seit dem Weggang von Jürgen Stark genießt die EZB in der

Öffentlichkeit kaum noch Vertrauen. „Und so verkommt die EZB als Hüterin des Euro

langsam zur Bad Bank des Euro-Systems, bei der die Banken Europas ihre

Schrottpapiere abladen“, so etwa das Fazit von Matthias Brendel und Christoph

Pauly in einem Beitrag auf Spiegel Online. Aber nicht nur Redakteure und

Kolumnisten schlagen Alarm, auch eingefleischte Ökonomen, wie etwa Thomas

Meyer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, sehen die Institution EZB in Gefahr. Sie

werde, so seine Kritik, zu einem „Lender of last resort“, einem Kreditgeber für all

jene, die sonst nirgendwo mehr Kredit bekommen würden.

2.1.9. Politisch gewolltes Inflationspotential.

In der Fachwelt ist zudem ein Streit darüber ausgebrochen, welche Folgen der

Aufkauf von Staatsanleihen, die sonst kaum einer mehr haben will, durch die

Notenbanken für die Wirtschafts- und Finanzwelt haben wird. Manche befürchten,

dass so ein erhebliches Inflationspotential aufgebaut wird. Zwar betont die EZB, dass

eine solche Entwicklung unwahrscheinlich sei, weil man im Gegenzug dem Markt

wieder Geld entziehe, doch gerade diese Eins-zu-eins-Rechnung wird von vielen

Experten bezweifelt. Das Finanzsystem und die Wirtschaft sind nun mal keine

Maschinen, die völlig berechenbar funktionieren. Ganz zu schweigen davon, dass es

mathematische Modelle geben würde, die sie vollständig erklären oder gar planbar

machen. Das Problem verschärft sich noch dadurch, dass der Ankauf von

Staatsanleihen etwa aus Griechenland und Italien selbst nicht planbar ist. Wie die

jüngste Entwicklung zeigt, dürfte zumindest Griechenland ein Sanierungsfall auf

Jahre sein. Entsprechend lang werden sich die Stützungsaktionen für griechische

Anleihen hinziehen müssen. Ob und wann zu jeder Zeit Maßnahmen zu

Sterilisierung, also Neutralisierung des zusätzlich in Umlauf gebrachten Geldes,

durchgeführt werden können, ist unklar. Und was ist, wenn die EZB eines Tages

erkennen muss, dass sie die Vielzahl an Staatsanleihen, die sie zusammengekauft

hat, gar nicht mehr loswerden wird? Bis Mitte August belief sich das Securities

Markets Programm (SMP) auf immerhin 96 Milliarden Euro. Spätestens dann würde

wohl der Charakter der EZB als Bad Bank offensichtlich werden. Um die Verluste

auszugleichen, müssten die Euro-Staaten Geld zur Aufbesserung der EZB-Bilanz

nachschießen.

All dies ist politisch möglicherweise sogar gewollt. Denn es gilt, einer Schulden-

Deflationsspirale Herr zu werden. Was man dazu benötigt, ist eine „vernünftige“

Inflation. Der Chef-Ökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF) Oliver

Blanchard etwa legt den westlichen Industriestaaten in einer 2010 erschienen Studie

eine Inflationsrate von vier Prozent nahe. Und Gregory Mankiw, Ex-

Wirtschaftsberater von George W. Bush, empfiehlt sogar eine Preissteigerungsrate

von „sechs Prozent über mehrere Jahre, um die Schuldenbombe zu entschärfen“.

Wir erinnern uns an den eingangs zitierten Adam Smith: „ selbst dort, wo häufig

Rückzahlungen nominal geleistet wurden, blieb es in Wirklichkeit ein echter

Bankrott.“12

12 Smith, Adam (1776): The Wealth of Nations. Book V. Chapter 3. Of Public Debts. Paragraph 60

2.1.10. „Euro-Krise Top-EZB-Mann rät zu neuer Geldflut

Gerade erst päppelte die Europäische Zentralbank die Finanzinstitute mit einer

halben Billion Euro - da erwägt einer ihrer Top-Leute schon neue Schritte. In einem

Interview empfiehlt EZB-Rat Bini Smaghi, die Geldschleusen notfalls noch weiter zu

öffnen.

Bei einer Deflation sinken die Verbraucherpreise. Das kann den Konsum bremsen,

weil Verbraucher Käufe in die Zukunft verschieben - in der Hoffnung, dann weniger

zu zahlen. Dadurch kann eine gefährliche Abwärtsspirale entstehen.

Mit ihren immer massiveren Eingriffen handelt die EZB immer mehr wie die USNotenbank

Fed. Diese hatte bereits im vergangenen Jahr die Märkte mit 600

Milliarden Dollar geflutet. Das Geld nutzen US-Privatbanken zum Beispiel, um mehr

Kredite an Firmen und Haushalte zu vergeben, was die Konjunktur stimulieren soll.

Die EZB hatte sich lange gegen solche Eingriffe gestemmt - anders als bei der Fed

ist ihr oberstes Ziel die Bekämpfung von Inflation, und gerade die Ausweitung der

Geldmenge kann dazu führen, dass die Verbraucherpreise rasch steigen.

Derzeit aber ist die EZB die letzte Instanz in Europa, welche die Euro-Krise

überhaupt noch wirkungsvoll eindämmen kann. Entsprechend wirft sie nach und

nach immer mehr ihrer Prinzipien über Bord - und rechtfertigt das mit der akuten

Gefahr im Euro-Raum.

Angst vor der Kreditklemme

Der bei der EZB angesiedelte Europäische Systemrisikorat (ESRB) warnte denn

auch am Donnerstag erneut vor einer Verschärfung der Finanz- und Schuldenkrise.

Die wirtschaftliche Situation habe sich insgesamt verschlechtert, teilte der Rat aus

Notenbankern und Finanzaufsehern mit. Es gebe Anzeichen dafür, dass die

steigende Nervosität nun auch die Realwirtschaft erreicht habe. "Die Abhängigkeit

der Zentralbanken hat sich erhöht, und es gibt Hinweise, dass sich die schwierigen

Finanzbedingungen auf die Realwirtschaft auswirken" hieß es. Vorsitzender des

ESRB ist der neue EZB-Chef, Mario Draghi.

Um eine Ausweitung der Schuldenkrise zu verhindern, müsse die

Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors erhöht werden, teilte der Rat mit. Dazu

müssten die Banken ihre Bilanzen stärken, ohne jedoch die Kreditvergabe

abzubremsen.

Die EU-Bankenaufsicht EBA befürchtet, dass die Geldhäuser in Europa die

Wirtschaft nicht mehr in ausreichendem Maße mit Krediten versorgen. Viele Banken

versuchen, die höheren Kapitalauflagen der EBA, die sie ab Mitte 2012 einhalten

müssen, durch eine Drosselung der Kreditvergabe zu erfüllen. Wenn aber

Unternehmen und Privatpersonen keine Darlehen mehr bekommen, würgt das die Wirtschaft ab.



LG Winnie


----- Original Message ----- From: "Jürgen Niccum" <j.niccum AT me.com>
To: "AG-GOuFP" <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
Sent: Thursday, April 26, 2012 5:18 PM
Subject: [AG-GOuFP] Geldmenge und Inflation


Ahoi zusammen,

Artikel zum Thema Geldmenge umd Inflation auf The Intelligence

http://www.theintelligence.de/index.php/wirtschaft/finanzen/4330-deshalb-ist-inflation-keine-ernsthafte-gefahr.html

Gruß Jürgen

--
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