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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Bietet die Monetative einen Ausweg aus der Staatsschuldenkrise? - Diskussionsbeitrag von Samira Kenawi

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Bietet die Monetative einen Ausweg aus der Staatsschuldenkrise? - Diskussionsbeitrag von Samira Kenawi


Chronologisch Thread 
  • From: Keox aka Daniel Worofka <piratkeox AT googlemail.com>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Bietet die Monetative einen Ausweg aus der Staatsschuldenkrise? - Diskussionsbeitrag von Samira Kenawi
  • Date: Mon, 27 Feb 2012 21:12:44 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo,

sie hat natürlich Recht damit, daß eine Monetative die Geldmenge
aufgrund eines Preisindexes nicht perfekt steuern kann. Aber sie könnte
es höchstwahrscheinlich besser als die Zentralbank im jetzigen System.

Die Unabhängigkeit der Monetative stellt natürlich ein Schwachpunkt dar.
Das Geldschöpfungsmonopol könnte mißbraucht werden. Dagegen müsste man
sich clevere Gegenmaßnahmen einfallen lassen. Aber letztendlich hängt so
etwas nur vom Volk ab. Solange die Bevölkerung ein Geldsystem nicht
versteht, kann es mißbraucht werden. Das perfekte System, welches ohne
Überwachung auskommt, gibt es nicht.

Gruß Keox

Am 27.02.2012 17:47, schrieb Rolf Müller:
> Bietet die Monetative mit ihrer Idee staatlich geschöpften Vollgeldes
> einen nachhaltigen Ausweg aus der Staatsschuldkrise?
>
> Wachsende Staatsschulden und drohende Staatspleiten verlangen neue
> Lösun­gen. Seit allgemein bekannt ist, dass Banken das Geld, das sie den
> Staaten leihen, aus dem Nichts schöpfen, stellt sich die Frage, warum
> Staa­ten ihren Geldbedarf nicht durch eigene Geldschöpfung decken?
> Wa­rum den Banken Zin­sen zahlen, wenn man selbst Geld schöpfen kann?
> Dann würden außer den Zins­kosten auch die Tilgungs­forde­rungen
> (Rück­zahlungsforderungen) der Banken ent­fallen.
> Staatliche Geldschöpfung – als Ausweg aus der Schuldenkrise – scheint
> mach­bar, da die oft beschworene Inflation (infolge ständiger
> Geld­mengen­ausweitung durch wachsende Staatsschulden) nie im erwarteten
> Ausmaß eingetreten ist. Diplomier­te Öko­no­men fordern ihr Regierung
> zwar zum Spa­ren auf, warnen im gleichen Satz aber vor den Folgen der
> Spar­poli­tik. Auf die erklärte Sparabsicht folgt so promt das nächste
> Konjunkturp­rogramm, finan­ziert durch neue Staats­schul­den. Denn die
> Geld­mengen­aus­weitung ist zwin­gend notwendig, um eine
> Deflationsspirale zu vermeiden.
> Aus Angst vor Inflation beschließt man Schuldenbremsen, aus Angst vor
> Defla­tion ignoriert man sie. Ohne dem Widerspruch zwischen Sparen
> wol­len und Schul­den machen müssen, nachzugehen, sieht die
> Mone­ta­ti­ve in souverä­ner staatlicher Geldschöpfung den Ausweg aus
> der Schuldenkrise.
> Da Staatsschulden auf lange Sicht überall ausgeweitet werden, scheint
> die Angst vor daraus folgender Inflation tatsächlich unbegründet. Der
> Vor­schlag der Mone­tative den Zinsforderungen der Banken durch
> staatliche Geldschöpfung zu ent­gehen, erscheint deshalb folgerichtig.
> Um die Nach­haltigkeit dieses Lösungs­vor­schlages zu prüfen, soll hier
> den sich aus dem oben skizzierten Widerspruch erge­ben­den Fragen
> nachgegangen werden.
>
> 1. Warum muss der Staat seit Jahrzehnten die Konjunktur durch immer neue
> Programme ankurbeln?
> 2. Warum erzeugt Staatsverschuldung keine entsprechende Inflation?
> An­ders gefragt, wo landet das Geld aus staatlicher Geld­schöpfung?
> 3. Wofür zahlt der Staat Zinsen, wenn:
> a. Geld aus dem Nichts entsteht,
> b. staatliche Bürgschaften illiquiden Banken wieder Zahlungsfähigkeit
> verschaffen, weil die staatlichen Garantien aus dem Geld der
> Ge­schäftsbanken voll gültiges staatliches Zahlungsmittel machen?
>
> Die Monetative stellt diese Fragen nicht. Sie fokussiert allein auf den
> durchaus spannenden Punkt: Warum kann der Staat nicht selbst Geld
> schöpfen, da er im Krisen­fall doch als un­umschränkter Garant des
> Geld­wertes fungiert? Sehen wir zuerst, wohin uns die anderen Fragen führen.
>
> Zu 1: Der Staat muss ständig neues Geld in den Wirtschaftskreislauf
> pum­pen, weil durch Profitakkumulation unentwegt Geld aus der
> Real­wirt­schaft abgezogen wird. Dieses Geld fließt in die
> Finanzwirt­schaft und nur ein klei­ner Teil davon kehrt später in die
> Real­wirt­schaft zurück. Infolge dessen wird Geld für Waren­käufe knapp.
> Um Absatzkrisen zu vermeiden und eine Deflations­spirale zu ver­hindern,
> muss der Staat den Geldabfluss aus der Real- in die Finanzwirt­schaft
> durch sogenannte Konjunkturprogramme ausgleichen. Er muss stets mehr
> aus­geben als er einnimmt, damit einige stets mehr einnehmen können als
> sie ausge­ben.
>
> Zu 2: Da das durch staatliche Kreditaufnahme geschaffene Geld über den
> Umweg der Realwirtschaft nach und nach in die Finanzwirtschaft
> abwan­dert, wird die in der Realwirt­schaft zirkulierende Geldmenge kaum
> größer. Trotz absolut wachsen­der Geldmen­ge, bleibt die
> warennachfragende Geld­menge weitestgehend kon­stant. Während die in der
> Finanzwirtschaft zir­ku­lie­ren­de Geldmenge immer schnel­ler wächst,
> bleiben die Warenpreise vergleichsweise (!) sta­bil.
> Statt dessen steigen die Wertpapierpreise, was bekanntlich erwünscht
> ist. Diese Preisinflation (Hausse) scheint geradezu notwendig zu sein.
> Sobald das Wachs­tum an den Börsen zusammenbricht, sehen sich
> Regie­run­gen gezwungen, Ban­ken zu retten.
> Dazu müssen sie ent­weder für die illiqui­den (zahlungsunfähigen/„in
> Schief­lage ge­ratenen“) Banken bürgen, oder beim krisen­geschüttelten
> Bankensektor Kredite auf­nehmen, um Geld zu schaffen, mit dem illiqui­de
> Banken ihre Spielschulden be­zahlen können. Wenn vom Bankensektor dann
> Zinsen für die Rettung von Ban­ken verlangt werden, fragt man zu Recht
> nach dem Sinn dieses Geld­systems. Denn in diesem Fall verdienen die
> einen Banken an der Rettung der anderen, wo­bei deren Rettung zugleich
> den eigenen Bankrott verhindert.
>
> Zu 3a: Die Zinsforderungen werden von den Banken zunächst dadurch
> be­grün­det, dass Banken Dienstleistungsunternehmen sind, die ihre
> Betriebs­kosten aus Zinseinnahmen bestreiten müssen. Zu solchen Zwecken
> erhe­ben Banken jedoch auch Kreditprovisionen und Kontogebühren.
> Außerdem verweisen die Banken auf ihre Pflicht zur Bildung von
> Rück­la­gen zur Absicherung gegen Kredit­ausfälle. Irgendwie reichen die
> Rück­lagen aber nicht, um die faulen Kredite aus den Bankbilanzen zu
> tilgen.
> Ist das Bilanzloch schließlich zu groß und die Zahlungsunfähigkeit nicht
> mehr zu verschleiern, muss der Staat als Bürge oder gar als Zahlmeister
> für die insol­venten Schuld­ner der Bank einspringen. Nimmt der Staat
> dazu bei einer Bank ver­zinste Kredite auf, um einer an­deren Geld zur
> Tilgung fremder Schulden zu zahlen, fragt man nach dem Recht Zinsen zu
> erheben. Haben die Banken ihre Zinsforderung nicht da­mit begründet,
> sich gegen Kreditausfälle absichern zu müssen? Wenn bei Kreditausfällen
> aber nicht die Bank, sondern der Staat die Schulden tilgt, warum erhält
> die Bank und nicht der Staat die Zinsen?
>
> Zu 3b: Da Banken ihre Einnahmen nicht hinreichend zur Ab­siche­rung
> ihrer Kreditgeldschöpfung verwenden (sondern große Teile als Ge­win­ne
> auszahlen), zwingen sie den Staat, die Haftung für faule Kredite zu
> übernehmen. Da der Staat jedes Geld (auch wertloses Buchgeld der
> Ban­ken) per Gesetz zum voll gültigen Zah­lungsmittel erklären kann, hat
> er die Macht, im Krisenfall zum unan­gefochtenen Garant des von den
> Banken ge­schöpften Geldes zu werden. So wird doppelt unverständlich,
> warum er Zinsen zahlen muss.
>
> Es zeigt sich, dass die heutigen Banken keine sehr soliden Geldschöpfer
> sind. Doch wer garantiert, dass der Staat ein besserer Geldschöpfer ist?
> Würde er sein Recht auf unbeschränkte Geldschöpfung nicht (z.B. vor
> Wahlen) nutzen, um po­pu­läre Projekte zu finanzieren? Werden
> beispielsweise neue Stellen im Sozial- oder Bildungs­bereich geschaffen,
> erhöht sich das Warenangebot dadurch nicht. Wenn nur die Geld- nicht
> aber die Warenmenge steigt, kommt es zu Inflation. Die kann zwar durch
> Geldabfluss in die Finanzwirtschaft bald wieder sinken, der Preisverfall
> kann dann jedoch eine Rezession bewirken.
> Um solche Wechselbäder zu verhindern, fordert die Monetative eine Art
> staat­liches Wäh­rungsamt, das die Geldmenge an Hand eines Preisindexes
> steuert. Aus zwei Gründen halte ich es für unmöglich, durch ein
> Wäh­rungs­amt stabile Preise zu gewährleisten.
> Erstens lässt sich kein absoluter Preis­index aufstellen. Es können nie
> alle Preise mitsamt ihren regionalen und saisonalen Schwankungen erfasst
> werden. Jeder Preisindex ist deshalb manipulierbar. Zweitens lässt sich
> eine politische Einfluss­nahme auf das Währungsamt kaum vermeiden. Es
> ist unrealistisch, anzuneh­men, dass nicht spätestens in Krisenzeiten
> (infolge Naturkatastrophen oder Krieg, wobei der Krieg nicht unbedingt
> im eigenen Land stattfinden muss) eine Lockerung der Wäh­rungs­politik
> erfolgt. Die Geschichte kennt hierfür zahlreiche Beispiele, denn
> staat­liche Geldschöpfung hat es bereits in der Antike und im
> Feuda­lismus gege­ben.
> Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass der Staat sein
> Geldschöpfungs­mono­pol nicht genauso missbrauchen wird, wie es die
> Banken heute tun. Ein solcher Miss­brauch kann nur durch eineindeutige
> Geldschöpfungs­re­geln ver­hindert werden, deren Verletzungen zeitnah
> erkannt und geahn­det werden können müssen. Geld­schöpfung durch ein
> staatliches (schwer kontrol­lier­bares) Währungsamt auf Basis eines
> (manipulierbaren) Preis­indexes stellt kein eineindeutiges,
> demo­kra­tisch kon­trollierbares Regel­werk dar.
> Aus der Geschichte staatlicher Geldschöpfung wissen wir, dass Geld- und
> Wäh­rungsgesetze immer vor allem von den autorisierten Geld­schöp­fern
> selbst ge­brochen wurden. So ist z.B. die Geschichte der
> Falsch­münze­rei vor allem eine Geschichte königlicher Münzfälschung,
> auch wenn natür­lich immer nur die priva­ten (unautorisierten)
> Münzfälscher gehängt wurden.
> Geldschöpfungsmonopole führten immer dazu, die politische Macht in den
> Hän­den der Geldschöpfer zu konzentrieren. Staatliche Geld­schöpfung
> führt deshalb nach allen geschichtlichen Erfahrungen unweigerlich zu
> Neoabsolutisti­schen Macht­strukturen.
> Allerdings werden diese absolutistischen Strukturen wie in der
> Vergangen­heit nicht von Dauer sein, zumindest, solange eine
> Finanzwirtschaft exis­tiert, in der sich mehr und mehr Geld sammeln
> kann. Je größer der dort zirkulierende nicht durch Waren­werte gedeckte
> Geldüberhang wird, desto größer das Interes­se der
> Geldvermögenseigentümer, das Geldschöp­fungs­monopol des Staa­tes
> abzu­schaf­fen. Denn ohne Möglichkeit zur Geldmen­gen­ausweitung durch
> staatliche Geld­schöpfung entstünde bei Geldbedarf eine
> Kredit­nach­frage nach ihrem Geld, so dass sie Zinsen erpressen können.
> Das Ändern der Geldschöpfungsregeln ließe sich durch konzer­tierte
> Aktio­nen der Superreichen leicht erzwingen. Sie könnten beispielsweise
> die Prei­se von Grund­nahrungsmitteln durch gezielte Käufe hochtreiben,
> so dem Volk vor­führen, wie unsolide das System staatlicher
> Geldschöpfung ist, denn bei schnellen Markt­inter­­ventionen hätte das
> Währungsamt keine Chance gegenzusteuern. Wenn der Volks­zorn kocht,
> könnten sich die Spekulanten durch Verkauf billiger Nahrungs­mittel als
> Retter inszenieren. Neue Gesetze sind dann bald auf den Weg ge­bracht.
> Nichtsdestotrotz kann staatliche Geldschöpfung vorübergehend dem
> Machterhalt der Eigentümerklasse dienen. Denn ehe die großen
> Geldvermögen bei einem Zu­sammenbruch unsere Banken- und Geldsystems
> einfach verschwinden, ist es allemal attraktiv das gesamte Buchgeld per
> Gesetz zu vollgültigem staatlichem Zahlungsmittel zu erklären. Die
> Eigentümerklasse wird den Umstand, dass dann nicht mehr private Banken,
> sondern ihr Staat das Geld schöpft, er­tragen, da er hilft, das zur Zeit
> schwindende Vertrauen in unser Geld neu zu festigen. Irgend­wann wird
> die Zeit reif sein, den Staat wie oben skizziert zu entmachten.
> Ich halte es daher für wahrscheinlich, dass ein System staatlicher
> Geldschöpfung ge­nauso per Unfall (per Notgesetz) in die Welt tritt, wie
> einst das Notenbank­system inthronisiert, bzw. das Goldstandardsystem
> entthront wurde. Da es an der bestehenden Vermögensverteilung nichts
> ändern wird, sollte es eher darum gehen, ein System staatlicher
> Geldschöpfung zu verhindern, statt dafür zu wer­ben.
> Mir scheint die Idee einer staatlichen Geldschöpfung mit einem
> demo­kra­­ti­schen Gesellschaftsideal nicht unvereinbar. Demokratie
> braucht de­mo­kratische Geld­schöpfungsregeln, siehe hierzu meinen Text
> über warengedecktes Geld.
>
> Frankfurt am Main, 27.2.2012
>

--
http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik
http://wiki.piratenpartei.de/BE:Squads/Geldordnung
http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/ThemaGegenwaertigesGeldsystem
: wird noch erweitert und stellt keine endgültige Version dar.




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