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ag-bauen-verkehr - Re: [Ag-bauen-verkehr] Steuerermäßigung für Erdgas/Autogas als Kraftstoff verlängern

ag-bauen-verkehr AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Bundes-AG Bauen und Verkehr Diskussionsliste

Listenarchiv

Re: [Ag-bauen-verkehr] Steuerermäßigung für Erdgas/Autogas als Kraftstoff verlängern


Chronologisch Thread 
  • From: "Andreas Witte" <andreas AT witte-holzkirchen.de>
  • To: "'Bundes-AG-Bauen-und-Verkehr'" <ag-bauen-verkehr AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [Ag-bauen-verkehr] Steuerermäßigung für Erdgas/Autogas als Kraftstoff verlängern
  • Date: Tue, 14 Aug 2012 12:35:03 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-bauen-verkehr>
  • List-id: Bundes-AG-Bauen-und-Verkehr <ag-bauen-verkehr.lists.piratenpartei.de>

Hallo Robert, Hallo Gunnar,

ich glaube wir missverstehen uns. Ich weiß nur noch nicht, ob ich Euch nicht
verstehe oder Ihr meine E-Mails nur überfliegt und nach drei Sätzen schon
eine Antwort tippt.

Ich habe keinerlei Interesse Mobilität irgendjemandem madig zu machen. Aber
wie du schon sagtest fördern wir mit der Pendlerpausche einen massiven Umbau
der Siedlungsstrukturen, auf eine Art und Eise, so dass diese immer von
Mobilität und somit auch so lange es keine Alternativen am Markt gibt, auf
fossile Energien angewiesen sind. Alternativen Anzubieten ist
unstrittigerweise das eine, aber die Siedlungsstrukturen wieder in einen
Rahmen zu bringen, der ohne diesen überzogenen Mobilitätsbedarf auskommt, das
andere.

Robert hat meinen Vorschlag, in der Nähe seines Arbeitsplatzes zu wohnen
komplett in den falschen Hals bekommen und komplett ins Schwarz-Weiß-Schema
umgeschaltet.

Ich bring mal zwei Gegenbeispiele:
Es gibt sehr schöne Mischgebiete in den Umlandgemeinden von München. Unten
irgendwie sowas wie eine
Metallwerkstatt/Schreinerei/Lackiererei/Zimmerei/Glaser/Elektrobetrieb oder
irgendwas mit Handwerk und Bau, oben 3-4 Wohnungen, die oft wegen
24h-Verfügbarkeit usw. von den Eigentümern des Gewerbebetriebs gleich mit
gemietet und benutzt werden. Im Bereich Gastronomie/Hotelerie ist das
übrigens auch oft (noch) üblich, dass Eigentümer und wichtiges Personal im
Hotel zumindest zur Dienstzeit wohnt. Damit wäre das mit 95% Landwirtschaft
definitiv wiederlegt.

Weniger für Unternehmer und mehr für Arbeitnehmer dürfte das Wohnen in der
räumlichen Nähe interessant sein. Etwa 1-2 km weit weg, dann kann man im
Sommer das Fahrrad nutzen und wohnt trotzdem nicht in einem "Industriegebiet"
wie Robert gerade postuliert hat. In NRW, insbesondere im Pot ist die
Mischung Wohnen/Gewerbe so, dass man fast immer in der Nähe eines
Gewerbeparks ein Wohngebiet findet. In Bayern sind die Gewerbegebiete oft am
Ortsrand des jeweiligen Ortes, an dem Sie liegen.

Gefördert würde also nicht das Wohnen in einem Industriegebiet, sondern nur
im gleichen Ort bzw. in einer geringeren Entfernung zum Arbeitsplatz. Und
auch nicht jedes Industrie/Gewerbegebiet ist familienunfreundlich, denn die
allermeisten Kindertagesstätten und Krippen, die nicht durch die öffentliche
Hand getragen werden, liegen in solchen Gewerbegebieten, da Mami und Papi um
die Ecke sind und so schnell mal gerufen werden können und so nicht in der
Firma während des Kleinkindalters fehlen.

Wenn man also eine Steuerliche Absetzbarkeit des Umzugs unter der Bedingung
der maßgeblichen Verringerung der Distanz zum Arbeitsplatz bzw. zu den
Arbeitsplätzen der Eheleute einführt, dann sorgt man dafür, dass langfristig
bei einem sowieso anstehenden Wohnungswechsel vermehrt die neue Entfernung
eine Rolle spielt. Damit wird sehr sehr langfristig die durchschnittliche
Distanz zum Arbeitsplatz fallen. Ich hab auch nichts dagegen, hier ein
Berechnungsverfahren zu definieren, dass einfach nur die Strecken für
berufliche und weitere fördernswerte Zwecke (z.Bsp. Pflege von Verwandten)
bei alter und neuer Wohnung vergleicht und im Falle einer
Streckenverringerung eine entsprechende Absetzbarkeit vorsieht.

Und nun zu den Angriffen, dass ich ein Unmensch wäre, wenn ich Menschen
entwurzeln will, weil die in ihrem neuen Ort dann keine Freunde mehr hätten
und so: Ich bin jeden Tag 4 Stunden S-Bahn & Fußweg zum Arbeiten unterwegs.
8h in der Aufbauphase einer Firma? Nein eher 10 oder 12! Was glaubst du, wie
viele Freunde ich noch habe, die ich wirklich noch regelmäßig in RL sehe???
Ja natürlich müsste ich mir nach einem Umzug ein neues RL-Umfeld aufbauen.
Aber dann hätte ich wenigstens wieder eins! Ich glaube nicht, dass die
schleichende Arbeits- und Entfernungsvereinsamung, die jetzt auch immer mehr
die ländlichen Gebiete ergreift, irgendwie besonders gutmenschliche Züge hat.

Und mal ganz ehrlich zum Vorwurf dass da nichts ausgearbeitet ist: Darf man
hier nicht mehr diskutieren und dann aus These und Antithese eine Synthese
basteln? Muss ich immer schon mit der Synthese und einem fertigen
Rechenbeispiel kommen??? Arbeiten so Piraten?

Gruß
Andreas



-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ag-bauen-verkehr-bounces AT lists.piratenpartei.de
[mailto:ag-bauen-verkehr-bounces AT lists.piratenpartei.de] Im Auftrag von
Gunnar Kaestle
Gesendet: Dienstag, 14. August 2012 08:31
An: Bundes-AG-Bauen-und-Verkehr
Cc: NDS AG-Bauen-Verkehr
Betreff: Re: [Ag-bauen-verkehr] Steuerermäßigung für Erdgas/Autogas als
Kraftstoff verlängern

Moin Andreas,

schau die mal diese Analyse hier an, die Zusammenfassung reicht (S. 3-6, um
auf den Geschmack zu kommen:
Tipping Point
Kurzfristige systemische Folgen des Rückgangs der globalen Ölproduktion
http://www.feasta.org/documents/risk_resilience/Tipping_Point_Gesamt.pdf

Wenn Du die Pendlerpauschale abschaffen willst, hast Du meine vollste
Unterstützung, denn sie hat unter anderem zur örtlichen Trennung von Arbeit
und Wohnen geführt. Das führt letztenendes über die Jahre zu
Siedlungsstrukturen, die eines der stabilsten Elementen in unserer
Gesellschaft darstellen, die sich nur ganz langsam ändern lassen.

In den USA sehen Kritiker in der Suburbia (leben in den Vorstädten und
Pendeln zum Arbeitsplatz) eine der größen Angriffspunkte bzgl. des
Peak-Oil-Risikovektors. Was ist, wenn dies plötzlich im Wert verfällt?
Das entspricht einer Immobilienkrise hoch zwei, weil der Auslöser nicht nur
irgendwelche Subprimekredite sind, die bei nachlassender Entwicklung einer
Bubble nicht mehr durch Sicherheiten gedeckelt sind, sondern alles
strukturell an Wert verlieren, wenn die Vorstadt - ähnlich wie durch den
Exodus nach der Wende - der Mensch an Bevölkerung verliert? Wenn dieser
Prozess zu schnell einsetzt, dann haben wir ein Problem. Dann kann man die
Investitionen der letzten 50 Jahre in Bezug auf unsere Siedlungsinfrastrukur
abschreiben.

Aber es geht bei Peak-Oil nicht nur darum, die Auto-Pendellei zu beschränken
oder einem die Urlaubsfahrt mit dem Wagen madig zu machen.
Er ist schlicht und einfach so, dass der Transport von Waren und Gütern zu
niedrigen Transaktionskosten (trotz manchmal negativer Auswirkungen) die
Effizienz einer Wirtschaft verbessert. Man steht halt in Konkurrenz zu
örtlich weit entfernten Anbietern, regionale Schutzinseln gibt es nicht. Auch
der Arbeitsmarkt (obwohl diesen aufgrund der Einkommenen-lieferndne Funktion,
auf das die meisten Leute bis zu Einführung eines Grundeinkommens nicht
verzichten könnent) hat eine größere Vielfalt, wenn ein Arbeitgeber in
München auch Leute in Augsburg oder Ingolstadt anspricht.

Ich sehe im Thema Peak-Oil als das Beispiel für die erste größere, peakende
Energieressource ein sehr gravierendes Problem, das eventuell unsere
Gesellschaft komplett umkrempeln wird. Das Mad-Max-Szenario halte ich für
unwahrscheinlich, aber nicht an den Haaren herbeigezogen.
Die Alternative Erdgasfahrzeug ist ein Bausteil, um aus der Klemme
herauszukommen, eine Übergangslösung obwohl ich auch langfristig in der
Kombination von E-Auto + CNG-Verbrennungmotor als Range-Extender einen Platz
für Erdgas/Biogas/Windmethan als chemischen Treibstoff sehe. Auch wenn es mit
der grünen Brille opportun erscheint: "Prima, lass uns doch allen unnötigen
Verkehr (wie die Pendlerei) unterbinden, weil dann die Leute zu Fuß oder mit
dem Fahrad ins Buro gehen sollen" ist das aus meiner sich Schädlich, nur
hieraus zu setzen. Dass ist, als ob Du einem Menschen mit einer schweren
Lungenentzündung die Antibiotika verwehrst und ihn mit Bachblütentee kurieren
willst. Ich halte das für verantwortungslos.

Gruß,
Gunnar


Andreas Witte schrieb:

> Hallo Gunnar,
>
> Ich danke dir für deine Ausführliche Antwort.
>
> Bis auf die These, dass Mobilitätseinschränkungen zu Depressionen
> führen geht deine Antwort aber leider an der von mir aufgeworfenen
> Fragestellung vorbei, zumindest kann ich keine Antwort erkennen.
>
> Wenn man Mobilität fördern kann, kann man auch darüber nachdenken,
> einen Selbstverzicht attraktiver zu machen. Und hier ist eben mein
> Gedanke, die Wohnnähe zum Arbeitsplatz als Maßstab zu nehmen.
> Natürlich werden Leute weiterhin in Urlaub oder die Oma besuchen
> fahren ,aber das kommt weniger häufig vor wie der Pendelweg.
>
> Nehmen wir mal an, jeder hätte die Möglichkeit die Verlagerung des
> Wohnsitzes in die unmittelbare Umgebung seines Arbeitsplatzes
> abzusetzen. Bei mehr wie 2 Kilometern auch gerne nur einen relativen
> Anteil, der der prozentualen Verringerung der Pendelstrecke entspricht
> oder so was. Auch über was sich alles Absätzen lässt und wie weit der
> Verlustvortrag reichen darf kann man streiten.
>
> In Summe lösen sich nicht nur irgendwelche Teilbetrachtungen über
> einen Erdölausstieg, sondern auch eine ganze Menge Verkehrsprobleme
> auf den Einfallstraßen in die Städte. Wenn ich das entfallene
> Straßenbauvolumen zusammen mit den gesparten Ausgaben für die
> Pendlerpauschale (weil sich die Pendelwege verkürzen) über mehrere
> Jahre zusammenrechne, dann muss ich einfach feststellen, dass damit am
> einfachsten Steuergeld gespart wird. Dem kann man entfallende
> Steuereinnahmen der sogenannten Ökosteuer entgegenstellen, aber du
> willst ja ohnehin politisch ein "Wegdriften", womit auch dieses
> Argument ausgehebelt wäre. Abgesehen davon: Was nicht in den Tank
> kommt, wird auch so früher oder später irgendwie anders ausgegeben,
> womit wenigstens die üblichen direkten & indirekten
> Konsumsteuern/abgaben draufkommen und der Ausfall weniger stark wird,
> wie man ihn bei einer eindimensionalen Berechnung (Ölgesamtverbrauch
> * Preis * Steueranteil * Anteil für Entfallenden Verkehr) scheinen
> lassen könnte.
>
> Wie du schon richtig feststellst, der Transport von Waren und Gütern
> wird weiterhin zentrale Grundlage der Wirtschaft sein. Nur, dass der
> "nichtverringerbare Restverkehr" besser funktioniert, wenn Alle mit
> einen 8 to 16 - Job am immer gleichen Bürostuhl fußläufig ins Büro
> kommen anstatt 30, 60 oder wie in Bayern oft auch mal 100 km einfachen
> Weg in die Arbeit zu fahren (gibt viele Pendler
> Nürnberg->München).
>
> Ich hoffe du hast meinen Gedankengang etwas verstanden. Ich glaube das
> dieser Lösungsansatz besser, da genereller ist, als nur über
> Steuererleichterungen für Erdgasfahrzeuge zu reden.
>
>
> Grüße Andreas
>
>
> -----Ursprüngliche Nachricht-----
>
> Andreas Witte schrieb:
>
>> Wie wäre es denn mal damit, wenn wir uns nicht mehr darüber
>> unterhalten, wie man Mobilität billiger macht, sondern wie man
>> Mobilitätsbedürfnisse minimiert???
>>
>> Immer geht es um Subventionen für Mobilität, egal ob kostenloser ÖPNV
>> oder Steuervergünstigungen für Erdgas-PKW...
>
> Der wesentliche Kniff ist daran, dass man die Leute weg vom Öl bringt.
> Und zwar am besten dadurch, ohne dass sie ein Schmerzensgeld für
> Verzicht auf Transportdienstleistung an die OPEC zahlen.
> Klassisches und knappes Öl ist zu verteuern - z.B. durch eine
> Anpassung der Steuer auf Heizöl
> (https://lqfb.piratenpartei.de/lf/initiative/show/4250.html) und
> gleichzeitiger Aufstockung der KfW-Fördermittel. Das sind etwa 20% des
> Deutschen Mineralölverbrauchs.
>
> Der größte Brocken wird vom Verkkehrssektor gefressen, ca 60% (~60 Mio
> Tonnen jährlich). Hier muss man sich mit Nachdruck von dem volatilen
> Erdölpreisen befreien, die einen die Wirtschaft ruinieren können. Auf
> der einen Seite könnte man über eine weitere Anhebung der
> Diesel- und Bezinsteuersätze ein Wegdriften zu Alternativen
> beschleunigt werden. Das entspräche dem Vorgehen nach
> Rimini-Protokoll. http://de.wikipedia.org/wiki/Rimini-Protokoll
>
> Auf der anderen Seite könnte man die Alternativen auch attraktiver
> machen: - ÖPNV (ich rede nicht von einer Umlagenfinanzierung, sondern
> einfach mal nur dass einer da ist den man nutzen kann und der auch
> noch nach 20 Uhr fährt - z.B. als Anruf Sammel Taxi) - CNG-Antriebe:
> Das kann man relativ schnell umsetzen, technologisch ausgereift. Für
> den Schwerlastverkehr die einzig realistische Möglichkeit, die Bahn
> hat gar nicht die Kapazitäten alle LWKs zu übernehmen. - E-Autos: Mal
> schauen wie lange das noch dauert.
>
> Es ist nun mal so, dass eine Einschränkung von Mobiliätsbedürfnissen
> (nur das wenigste ist Cruisen, nur um die Zeit totzuschlagen) meist zu
> rezessiven bis depressiven Tendenzen führt. Dazu muss man sich nur
> einmal die zwei Ölpreisschocks der 70er Jahre anschauen. Der Transport
> von Gütern und Menschen ist in unser arbeitsteiligen Gesellschaft nach
> wie vor essentiell.
>
> Gruß, Gunnar
>
>
> Hier ist ein kürzlich veröffenlicher Bericht der Bundesbank zum
> Thema: Der Rohölpreis und seine Bedeutung für die Konjunktur in den
> Industrieländern
> http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Mo
> natsberichtsaufsaetze/2012/2012_06_rohoelpreise.pdf?__blob=publication
> File

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