Re: [Ag-umwelt] Größte Stromverbraucher werden von Netzentgelten ganz befreit

[Nils Faerber <nils.faerber AT dpin.de>]

Am 24.10.2011 14:20, schrieb Pirat Jens:
> Am 24.10.2011 12:51, schrieb Nils Faerber:
>> Also meine Position wäre: Ausnahmen im Einzelfall ja, aber keine
>> pauschale Ausnahme, wie sie jetzt Gesetz wird/werden soll.
> 
> Das kann ich so unterschreiben.

:)

> Mir fällt aber noch ein Umstand ein, wenn man den Marktdarwinismus
> walten lässt. Alu ist da ein gutes Beispiel, weil man keinen Mehrwert
> schaffen kann, höhere Kosten also nur bedingt abfangbar sind.

Ist kein Mehrwert schaffbar?
Das wage ich zu bezweifeln.
Ich lebe zur Zeit in Siegen, ein alter Stahl Standort. Aufgebaut wurde
der Standort mit Hüttenwerken, also direkter Stahlproduktion aus Erz.
Das lohnt sich aber in Siegen schon lange nicht mehr - das lokale Erz
ist alle, Transport zu teuer und die Energieträger müssen auch noch
hierher gebracht werden.
Aber trotzdem lebt ein großer Teil des Siegerlandes immernoch vom Stahl,
nur nicht mehr von dessen direkter Produktion, also Verhüttung. Was
jetzt hier viel mehr stattfindet ist Spezialstahlproduktion, Veredelung
und Edelstahlherstellung sowie diverse Betriebe der Stahlbearbeitung.
Ich würde sagen, ein gelungenes Beispiel für eine gesunde Umsteuerung.
Und ich bin mir sicher, daß man dies auch mit Alu machen kann.
Über wieviele Aluminium herstellenden Betriebe sprechen wir hier
eigentlich? Für Deutschland würde ich doch mal drauf tippen, daß es mehr
Firmen im Bereich der Aluminium Verarbeitung anstatt der Aluminium
Herstellung gibt?

> Lässt man nun die hiesige Industrie abwandern/dichtmachen, weil andere
> in bsp. China billiger sind so läuft man der Gefahr des Missbrauches der
> Abhänigkeit offen in die Arme.

Das ist in der Globalisierung immer ein Gefahr - und nicht nur aus
wirtschaftlichen Gründen. Es kann auch schlicht sein, daß gewisse
Rohstoffe nur im Ausland verfügbar sind, was im Endeffekt zum gleichen
Ergebnis führt - man ist abhängig. Ohne Abhängigkeiten wird man also
nicht auskommen.
Ich könnte mir aber gut, gerade was das Aluminium angeht, vorstellen,
daß eben ein Teil der Alu Herstellung trotz höherer Kosten hier bliebe,
weil sie eben außer der Herstellung weiteren Mehrwert bieten, der die
etwas höheren Kosten ausgleicht.

> Wie die Stilllegung der größten(?) Rohstoffmine in China für einen Monat
> gezeigt hat, haben die recht wenig Skrupel den Markt künstlich zu
> verteuern. Man kann also durchaus Interesse daran haben heimische
> Industrie künstlich am Leben zu erhalten, wenn sie bestimmte
> Voraussetzungen erfült.

Richtig - wie es immer so ist, alles hat eine Vorder- und mindestens
eine Rückseite. Pauschale Aussagen sind sehr schwierig, weshalb man sich
auf grundsätzliche Prinzipien verständigen sollte und die Einzelfälle
den Prinzipien folgen müssen. Von Einzelfall zu Einzelfall kommt man nie
auf einen grünen Zweig. Daher auch die Betrachtung vom
Gerechtigkeitsaspekt her. Da wird dann klar, daß die Ausnahme nur eine
Ausnahme sein kann und darf. Wie diese anzuwenden ist, sollte
individuell geklärt werden.
Als Begründung für gewissen Ausnahmen müssen Kosten und Nutzen
sorgfältig abgewogen werden. Auch wenn sie mächtig zetern werden, so
können die lokalen Hersteller sicherlich trotzdem ein bisschen mehr an
Kosten verkraften. Den Rest muß man, nachdem man sich vergewissert hat,
daß es sonst nicht tragbar wäre, vielleicht doch subventionieren.
Doch ich würde mich dagegen verwehren, einen pauschalen Freispruch für
energiehungrige Industrien zu befördern. Früher oder später werden auch
in den Schwellenländern die Energiekosten steigen und sich das wieder
etwas nivellieren. Doch dann die Subvention wieder abzuschaffen ist
*viel* schwieriger, als jetzt die pauschale Subventionierung zu
verhindern und gegen eine fallbasierte Abwägung zu ersetzen - wofür es
wohl leider wohl schon zu spät ist, aber es wäre eine gut zu vertretende
Position, finde ich.

> MfG
> Jens
Viele Grüße
  nils