Re: [Ag-umwelt] Größte Stromverbraucher werden von Netzentgelten ganz befreit

["Dr. Volker Jaenisch" <volker.jaenisch AT inqbus.de>]

Ahoi Guido!

Ich denke das Argument mit der Abwanderung ist kein reales. Sicher sammelt 
sich in den Schwellenländern viel Industrie an,
Verhüttung gehört dazu. Sehr eindrucksvoll ist das bei der Stahlproduktion zu 
beobachten, die früher ja eine Domäne der Industrienationen war
und nun fast vollständig "im Ausland" gemacht wird.

Aber das ist ein Effekt der Globalisierung welcher wohl mit den Strompreisen 
nicht viel zu tun hat sondern zunehmend mehr mit der Verfügbarkeit
der Rohstoffe.
Es macht nun mal nicht viel Sinn Bauxit aus Australien nach Deutschland oder 
Norwegen zu schippern um daraus Alu zu machen. Sinnvoller wäre das
Alu dort zu verhütten wo das Bauxit ist - z.B. in China.

Im übrigen macht China nur das was die anderen Industrienationen machen und 
diese von den so genannten Entwicklungsländer unterscheidet, deren
Rohstoffe Ihnen nicht mehr gehören. Wir können also nicht mit zweierlei Maß 
messen: China für seine protektionistische Rohstoffpolitik verdammen
und gleichzeitig fordern dass z.B. lateinamerikanische Staaten Ihre Resourcen 
(z.B. Regenwald, Öl, Mineralien) für sich beanspruchen sollen.

Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist hervorragend, auch wenn die 
Industrielobby immer wieder daran herummäkelt wenn sie neue Subventionen will.
Allein die Rechtssicherheit in der BRD ist für die Konzerne sehr viel mehr 
wert als sich das Otto-Normalverbraucher vorstellen kann. Es gibt
genügend selbst große Konzerne wie Siemens die sich in China schon heftig die 
Pfoten verbrannt haben. Siemens muss das abschreiben, kleinere
Konzerne gehen daran Pleite.

Es ist alo mitnchten so, dass die Industrie die freie Wahl hat, wo sie 
produzieren möchte. Made in Germany hat auf dem Markt eine sehr starke
Bedeutung. Da hat es Leica z.B. überhaupt nix gebracht die Produktion nach 
Asien auszulagern und den Standort BRD formal beizuhalten - der Ruf
war runiert - und Leica fristet ein Schattendasein.

Ich denke schon, dass es noch große Optimierungspotentiale auch in der 
Alu-Produktion gibt, ohne Naturgesetze neu formulieren zu müssen. Gerade
die Nutzung von Abwärme oder der Einsatz von Katalysatoren und regelbare 
Prozesse könnten die Energiebilanz der Aluhütten verbessern. Viele
Industrieanlagen sind aus Kostengründen einfach auf Dauer/Volllast-betrieb 
ausgelegt und daher ohne Regelmöglichkeiten gebaut worden. Klar kann
man da mit End-Of-Pipe-Technologien nicht von heute auf morgen ein regelbares 
System draus machen. Aber auch die Schwerindustrie ist recht
schnelle Entwicklungszyklen unterworfen. Im Chemiewerk in Leuna z.B. wird 
alle zwei Jahre die komplette Raffinerie erneuert. Das sind einfach
Auflagen des Gesetzgebers, die das vorschreiben.

Auch der Staat hat ein Interesse an Versorgungssicherheit. Eine Aluhütte, die 
nicht mehr arbeiten kann weil das Stromnetz etwas schwankt ist von
nicht unerheblichem Impact für den Rest der davon abhängigen Industrie. Eine 
Aluhütte, welche flexibel auf das Strom-Angebot reagieren kann,
wäre dagegen ein robustes Element für eine Industriestruktur. Im übrigen auch 
ein Element welches man exportieren kann. Dei Flexibilität müsste
ja nicht mal mit Middle-Of-Pipe-Technologie gemacht werden. Es würde ja 
reichen Stromspeicher aufzubauen. Wer ausser der großen Industrie hat
denn das Kapital solche Stromspeicher zu bauen? Die Banken? Der Staat?

Ich will hier nicht gegen dezentrale Energieversorgung anargumentieren. 
Kritische Dinge wie Strom-/Wasser-Versorgung gehört in Bürgerhand. Aber
muss dies ein Wiederspruch sein? Warum kann die Industrie nicht zusammen mit 
den Bürgern z.B. auf kommunaler Ebene eine Lösung aufbauen. Z.B.
Die Bürger bauen Windkraftanlagen und die Industrie die Strom-Speicher.

Beste Grüße

Volker



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