Re: [Ag Meinungsfindungstool] Nochmal Fishkin

["Schallehn AT t-online.de" <Schallehn AT t-online.de>]

Liebe Freunde,

 

Fishkin mit seinem „Deliberative Polling®“ ist zweifellos sehr interessant und beachtenswert. Konkret insbesondere: http://cdd.stanford.edu/toolkit/cdd-toolkit-instructions.pdf

((sehr interessant, wenn auch desillusionierend))

 

Aus dem, was ich bisher über „Deliberative Polling®“ bewältigt habe, entnehme ich:

• Fishkins Grundidee ist, dass sich Meinungsbilder durch Information beeinflussen lassen, wenn diese Informationen in Diskussionsform vermittelt bzw. erarbeitet werden.

• Das Center for Deliberative Democracy benutzt dieses Modell primär für die Ausbildung der Studenten. Die internationalen Anwendungen sind tolle PR-Aktionen! Aber mehr???

• In den Beispielen dominieren Fälle, die überhaupt nicht entscheidungsrelevant sind, also Meinungsverschiebungen von z.B. 15 auf 30% oder von 95 auf 85%.

• Die Fragen bleiben von Anfang bis Ende des Diskurses unverändert.

• Ein Ergebnisdokument im Sinne kooperativer Willensbildung wird überhaupt nicht in Betracht gezogen (obwohl das Interview solche Hoffnung weckte!)

Weitere Unterschiede zum qKonsens sind:

• Der Moderator hat bei Fishkin rein formale Aufgaben, hat hauptsächlich auf Verteilung der Redezeit und Einhaltung der Diskussionskultur zu achten.
  ((WS: zugegeben, das ist das Übliche.  Evtl. Begriffsklärung nötig!))

• Die Bewertungsskala bietet 0...10 an. ((WS: Scheingenauigkeit!))

Langer Rede kurzer Sinn: interessant - aber für uns kein Grund zur Beunruhigung.

Übrigens: Falls das Interview in Deutsch geführt wurde, würde ich Prof.Fishkin mal persönlich ansprechen. Wenn nicht, dann kommt die Frage, ob das jemand von euch übernehmen will.

 

Grüe!

Wolfgang

 

-----Original-Nachricht-----
Betreff: Re: [Ag Meinungsfindungstool] Noch was
Datum: Mon, 26 May 2014 18:25:04 +0200
Von: pa.rei AT gmx.de
An: ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de

Hi Oliver,

naja. Ich bin mal davon ausgegangen, dass es hier um eine wissenschaftliche Untersuchung geht, die so nicht direkt in die Praxis übernommen werden soll. Das heißt, dass hier sozusagen noch ein Informationssystem deiner Wahl vorgeschaltet werden müsste.

Ich denke auch, dass die Entscheidungsgrundlage im Optimalfall Sachargumente sein sollten, aber noch kein Computed ist dazu in der Lage, die Argumente zu "wicked problems" abzuwägen. Selbst scheinbar simple Zusammenhänge können hier einen Algorithmus überfordern. Also brauchen wir immer noch den Menschen als Vermittler zwischen Argumenten und Entscheidung.
Welche Menschen? Es hat sich herausgestellt, dass man die Entscheidung möglichst dem Volk (oder hier einer zufällig gewählten Repräsentantengruppe) überlassen sollte.

In dem Satz nach den Idealen kritisiert er die übrigens:

"Beiden gemeinsam ist das Ideal der politischen Beteiligung, was wiederum eine Umschreibung für öffentliche Legitimation ist. Dazu kommen vier demokratische Werte: Politische Gleichheit, Diskussionskultur, öffentliche Beteiligung und eine Verhinderung der Tyrannei der Mehrheit. Aber wir müssen uns mit den negativen Konsequenzen dieser Ideale auseinandersetzen: Napoleon und Mussolini haben ihre Macht mithilfe von Referenda zementiert."

Klar stimme ich auch nicht jeder einzelnen Aussage zu. Aber so sind wir Menschen, vor allem wenn es um Diskussionssysteme geht ;)
Was ich davon interessant finde, sind folgene Ergebnisse seiner Untersuchungen:
* Er hat sein Modell praktisch erprobt, die genaue Durchführung ist hier (1) nachzulesen.
* Die "Real Life"-Moderatoren sind von 12% der Teilnehmer als parteiisch eingestuft worden (ob man das jetzt positiv oder negativ ansieht, sei mal dahingestellt).
* Zumindest in kleinen Gruppen können Diskussionen Früchte tragen. Bei seinen Projekten hat es ganz toll funktioniert. Das motiviert mich besonders nach dem einen Wissenschaftler in dem anderen Link, der zu dem Schluss kam, dass Diskussionen kaum Meinungen ändern können.


Hier setzen wir an: Meiner Meinung nach brauchen wir aber auf jeden Fall auch Diskussionen für die Gesamtbevölkerung, damit jeder, der eine gute Idee hat, diese auch einbringen kann. Dafür braucht man effiziente und faire Massendiskussionen (hab ich noch ein Kriterium vergessen?).

Fishkin hat offensichtlich noch keinen Nutzen aus dem Internet gezogen, aber gezeigt, dass das, was wir wollen, theoretisch möglich ist. Also nicht, dass wir jetzt aufhören mit Diskussionssystemen und einsteigen in die Welt des Deliberative Polling...

(1) http://cdd.stanford.edu/research/papers/2014/eup-europolis.pdf

Grüße,
Paul


> Gesendet: Montag, 26. Mai 2014 um 17:48 Uhr
> Von: pirate_slash2 <pirate_slash2 AT news.piratenpartei.de>
> An: ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de
> Betreff: Re: [Ag Meinungsfindungstool] Noch was
>
>
> Ich geb' auch mal meinen Senf dazu;
> Ich brach' nach 67 % gelesenem Text das Lesen ab, weil ich die
> Ausführungen
> insgesamt nicht sonderlich erquickend fand.
> Rückblickend betrachtet denk' ich mit Missfallen an die beiden Ansätze,
> "gute Informationen" auszuwählen - was ist gut, wie wird's erhoben,
> und wer macht das ? - und Individuen als Entscheidungsgrundlage darzulegen,
> und zweitens der repräsentativen Ausführung, auch wenn die Beweggründe
> für diese Ausführung plausibel dargelegt ist.
> Den Rest gab' mir dann die Ansage, die die repräsentative Demokratie als
> Ideal darstellte.
>
> Viele Grüße,
> / aka Oliver
>
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> https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-meinungsfindungstool

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